Mit Freuden dienen

Predigt über Galater 5,13 zu einer Kirchenversammlung

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Im Jahre 1520 verfasste Luther eine seiner bedeutend­sten Reformations­schriften. Sie trägt den Titel: „Von der christlichen Freiheit“. Dieses Werk ist in zwei Hauptteile gegliedert, und über jedem Teil steht ein bemerkens­werter Satz. Der erste Hauptteil entfaltet den Satz: „Der Christ ist völlig freier Herr über alles und niemandem untertan.“ Der zweite Hauptteil entfaltet den Satz: „Der Christ ist ein allen völlig dienstbarer Knecht und jedermann untertan.“ Zwei paradoxe Sätze – Sätze, die einander direkt zu wider­sprechen scheinen. Und doch stehen sie völlig im Einklang mit der Heiligen Schrift, mit dem Evangelium und mit den Worten des Apostels Paulus aus dem Galater­brief, die wir eben gehört haben: „Ihr, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen. Allein seht zu, dass ihr durch die Freiheit nicht dem Fleisch Raum gebt; sondern durch die Liebe diene einer dem andern.“ Luther hat seine beiden Leitsätze direkt aus diesem Bibelvers übernommen: „Der Christ ist völlig freier Herr über alles und niemandem untertan.“ Und: „Der Christ ist ein allen völlig dienstbarer Knecht und jedermann untertan.“

Was bedeutet denn Freiheit? Versuchen wir es mal mit einer ganz einfachen Definition: Freiheit ist, wenn man tun kann, was man will. Wenden wir das auf das Gemeinde­leben an: Jeder darf so viel oder so wenig Kirchen­beitrag zahlen, wie er will. Jeder darf so regelmäßig oder so sporadisch die Gemeinde­veranstaltun­gen besuchen, wie er will. Jeder darf in dem Bereich aktiv mitarbeiten, wo er am meisten Freude findet, und er darf dabei so eifrig oder auch so zurück­haltend sein wie er will. Gott zwingt niemanden. Und auch der Pastor sollte auf niemandem Druck ausüben, und auch der Kirchen­vorstand nicht. Denn Gott will uns ja mit dem Evangelium entlasten, nicht belasten; das Evangelium aber ist das Wichtigste in der Kirche.

Nun fallen uns gleich eine ganze Menge Einwände ein gegen solche Freiheit, wo jeder tun kann, was er will. Wird es dann nicht geschehen, dass unsere Faulheit Oberhand gewinnt, und unser Geiz? Und wer tut dann die unangenehmen Arbeiten, die niemand gern macht? Wer zupft das Unkraut, fegt die Kirche und putzt die Toiletten? Wenn jedes Gemeinde­glied ein freier Herr ist und nur zu tun braucht, was es will, wer dient dann noch?

Es ist wichtig, dass wir genau hinhören, auf jedes einzelne Wort – sowohl bei Paulus als auch bei Luther. Paulus sagt betont: „Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen.“ Es sind hier ganz ausdrücklich und aus­schließlich die Glaubens­geschwister an­gesprochen, die Brüder im Herrn Jesus Christus, wobei die Schwestern nach damaliger Redeweise natürlich still­schweigend mitgemeint sind. Und auch Luther betont, dass er nicht von einer politischen oder allgemein menschlichen Freiheit redet, sondern von der Freiheit des Christen. Er spricht aus­schließlich von denen, die durch die Taufe Gottes Kinder geworden sind, die an Jesus glauben und die ihn ihren Herrn nennen. Nur von denen gilt: „Der Christ ist völlig freier Herr über alles und niemandem untertan.“ Nur der Christ kann tun was er will – die anderen nicht, die müssen unter Umständen mit Gesetzen und äußerer Gewalt zum Guten gezwungen werden; auch das hat Luther immer wieder deutlich gesagt.

Warum aber können die Christen tun, was sie wollen? Nur deshalb, weil sie das Gute wollen. Denn der Heilige Geist wohnt in ihren Herzen und leitet sie zum Guten an. Ein Christ, der Jesus seinen Herrn nennt, will ja selbst überhaupt nichts anderes als das, was Jesus will. Er glaubt an ihn und hat daher das Vertrauen: Was Christus gelehrt und vorgelebt hat, das ist das Allerbeste – für mich selbst und auch für andere. Was aber hat Christus vorgelebt? Er hat den Menschen in bedingungs­loser Liebe gedient, bis hin zur Selbst­aufopferung. Er, der Herr, wurde für alle ein Knecht. Er tat es freiwillig. Und so tut es auch jeder, der ihm nachfolgt: Er dient in Liebe, er macht sich freiwillig zu jedermanns Knecht, obwohl er doch völlig frei ist. Er kann tun, was er will – aber gerade in Liebe dienen, das will er. Da sehen wir, dass sich Luthers scheinbar so wider­sprüchlicher zweiter Satz direkt aus dem ersten ergibt: „Der Christ ist ein allen völlig dienstbarer Knecht und jedermann untertan.“

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wenn wir in unseren Gemeinden aus dem Glauben leben, dann ist das Gemeinde­leben nicht ihn Gefahr, und die Gemeinde­finanzen sind es auch nicht. Wenn wir aus dem Glauben leben, wird es für uns die größte Freude sein, nach Jesu Vorbild in Liebe zu dienen; wir werden es mit Sorgfalt und Hingabe tun. Es bedarf dann keines Drucks von seiten des Pastors oder des Kirchen­vorstands, höchstens einer freundlichen Erinnerung oder Information darüber, was gerade nötig. Wir werden dann auch nicht mehr wählerisch nur solche Aufgaben heraus­picken, die uns ein hohes Maß an Spaß oder Anerkennung versprechen. Denn Freude macht uns ja nun alles, was Jesus erfreut und die Gemeinde erbaut – wenn wir denn wirklich aus dem Glauben leben. Im Glauben sind wir völlig frei, zu tun, was wir als Christen wirklich wollen: nämlich unseren Mitmenschen in Liebe dienen und so Gott ehren. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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