Jüngerinnen

Predigt über Lukas 8,1-3 zum 5. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Jüngerinnen und Jünger des Herrn Jesus Christus!

So kann ich euch nennen – alle, die ihr getauft seid und Jesus vertrauens­voll euren Herrn nennt. Er selbst hat uns ja ge­lehrt, was ein Jünger ist und wie man ein Jünger wird. Er sagte: „Macht zu Jüngern alle Völker, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohne und des Heiligen Geistes und indem ihr sie all das halten lehrt, was ich euch an­befohlen habe“ (Matth. 28,19‑20). Ja, durch die heilige Taufe und durch das vertrauens­volle Hören auf Jesu Stimme wer­den Menschen seine Jünger. „Jünger“ ist eigentlich nur ein anderes Wort für „Christ“.

Das mag für den Einen oder Anderen ein ungewohnter Gedanken sein. Viele denken: Jünger sind doch eigentlich die zwölf Män­ner, die einst mit Jesus durch Palästina zogen und die er dann nach seiner Auferstehung als Apostel los­schickte, um das Evangelium in die Welt zu tragen. Aber diese Sicht ist viel zu eng – und zwar nicht nur deswegen, weil alle Christen Jünger sind. Schon aus der Zeit vor Jesu Auferstehung berichten die Evangelien, dass Jesus einmal 72 Jünger aussandte und dass ihm noch viel mehr Menschen nachfolgten. Außerdem erfahren wir, dass auch Frauen unter seinen Jüngern waren. Unser Predigttext nennt drei von ihnen mit Namen: Ma­ria Magdalena, Johanna und Susanna. Die ersten beiden werden später noch einmal ausdrücklich als Zeuginnen der Auferstehung des Herrn genannt. Von Maria Magdalena wissen wir außerdem, dass sie bei Jesu Kreuzigung dabei war. Diese Jüngerinnen gehörten also zu Jesu ersten Jüngern mit dazu.

Was der Predigttext über sie sagt, hilft uns, das Wesen des Jüngerseins zu erfassen. Wir lesen, dass Jesus diese Frauen von Krankheiten und bösen Geistern geheilt hat. Maria Magdalena hatte zuvor besonders schlimm gelitten – unter sieben bösen Geistern nämlich; die hatten sie auf Jesu Wort hin alle verlassen. Und wir lesen weiter, dass diese Frauen Jesus mit ihrer Habe dienten. Sie spendeten Geld und Lebensmittel für Jesus und seine ganze Jüngerschar. Wir können sicher sein: Sie taten es freiwillig und gern. Bestimmt konnten sie es sich auch leisten. Von Johanna erfahren wir, dass sie mit einem höheren Beamten namens Chuza verheiratet war; da wird sie nicht unvermögend gewesen sein. Dies sind die beiden grund­legenden Aussagen über Jesu Jüngerinnen: Jesus heilte sie, und sie dienten ihm. Mit diesen beiden Aussagen kann man das Wesen jeder Jesus-Jüngerin und jedes Jesus-Jüngers beschreiben: Jesus heilt sie, und sie dienen ihm.

Durch die Taufe hat Jesus den Teufel und alle bösen Geister aus unserem Leben hinaus­geworfen; sie können nun nicht mehr über uns herrschen, sondern müssen sich unter die Herrschaft Christi beugen. Diese Heilung setzt sich fort, indem Gottes Wort und das Heilige Abendmahl uns immer wieder neu reinigen und heiligen. Unser ganzes Christen­leben in dieser Welt ist ein einziger Genesungs­prozess, an dessen Ende die ewige Seligkeit steht. Der Herr Jesus Christus ist der Arzt, der kam, um Kranke zu heilen. Der Herr Jesus Christus ist der gute Hirte, der den Verlorenen nachgeht, um sie zu suchen. Der Herr Jesus Christus ist der Menschen­sohn, der uns dienen und helfen will. So gleicht jeder Gottesdienst einem erholsamen Kur­aufenthalt in Gottes Klinik. Hier geschieht Gottes Therapie, mit der wir nachhaltig an Leib und Seele gesund werden.

Wer diese Heilung erfährt, bei dem wirkt sie sich im Dienst der Liebe aus. Wie ein guter Baum gute Früchte bringt, so bringt ein geheilter Sünder Glaubens­frucht hervor. Wer vermögend ist, der wird auch in finanzieller Hinsicht Jesus dienen, so wie Maria Magdalena, Johanna und Susanna es getan haben. Wer nicht viel Geld hat, dafür aber andere Gaben, der wird diese zum Lob Gottes und für den Dienst an Jesus und seiner Jüngerschar einsetzen: etwa eine schöne Stimme, ein liebevolles Herz, zupackende Hände oder tröstliche Worte. Es ist nicht so, dass diese Aktivitäten einen Menschen erst zur Jüngerin oder zum Jünger machen; nein, das hat allein Christus getan mit seinem Wort und mit der Taufe. Aber es ist so, dass der Dienst des Jüngers Zeugnis gibt: Ich habe den Herrn lieb und will ihm mit meiner kleinen Kraft dafür danken, dass er mich geheilt hat.

Nun finden wir es in der heutigen Zeit ganz normal, dass Jesus nicht nur männliche Jünger, sondern auch Jüngerinnen in seine Nachfolge gerufen hat. Viele würden es im Gegenteil als diskrimi­nierend bezeichnen, wenn Jesus die Frauen ausgegrenzt und nur Männer zugelassen hätte. Zu damaliger Zeit jedoch waren die Jüngerinnen eine kleine Sensation. Zwar wurden die Frauen auch schon in alt­testament­lichen Zeiten wert geachtet und in Israel weitaus besser behandelt als in den umliegenden heidnischen Völkern. Aber Jüngerschaft und Theologie, so dachte man, sei nichts für Frauen; die sollen sich aus­schließlich um den Haushalt und die Kinder kümmern. Jesus aber hat mit dieser Tradition gebrochen. Als einmal die Schwester von Marta und Lazarus, die auch Maria hieß, sich einfach zu ihm setzte und seinem Lehren zuhörte, da nahm er sie gegen Martas Angriffe in Schutz und meinte sogar: „Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden“ (Lukas 10,42). Und als ein anderes Mal mehrere Frauen zusammen mit ihren Kindern zu Jesus kamen und um seinen Segen baten, da schimpfte er mit den Jüngern, weil sie sie gleich wieder wegschicken wollten. Denn Jesus ist für alle da, für Männer, Frauen und Kinder – das sollten alle Leute wissen. Und so ist es bis heute geblieben: Alle können Jesu Jünger werden; alle können getauft werden und sein Wort halten lernen: Männer, Frauen und Kinder. Alle gehören sie gleicher­maßen zur Kirche, dem Leib Christi, da gibt es keine Abstufungen oder Wert­unter­schiede. So schrieb der Apostel Paulus den Christen in Galatien: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave von Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“ (Gal. 3,28).

Wie gesagt, das war damals revolutio­när, aber heute ist es selbst­verständ­lich. Allerdings ist es heute auch miss­verständ­lich. Denn viele denken: Wenn Mann und Frau gleich wert geachtet sind, dann müssen sie auch dieselben Ämter und Aufgaben ausüben. Aber „gleich­wertig“ heißt bei Gott keineswegs „austausch­bar“. Dass Gott am Anfang den Menschen als Mann und Frau geschaffen hat, das ist keineswegs ein un­bedeutendes Detail, sondern das ist ein grund­legendes Stück Schöpfungs­ordnung. So hat er der Frau und nur der Frau das besondere Amt geschenkt, Kinder zu gebären und zu stillen. Und so hat er dem Mann und nur dem Mann das besondere Amt geschenkt, die Familie als Haupt verant­wortlich zu leiten, so wie ein Kapitän die Verant­wortung für ein Schiff trägt. Das moderne Miss­verständnis besteht darin, dass man meint, Frauen müssen in demselben Maß an traditionell männlichen Ämtern und Aufgaben Anteil haben wie Männer, sonst sei das ungerecht. Natürlich ist es sinnvoll, dass Frauen in der modernen Gesellschaft das Recht haben, dieselben Berufe zu erlernen und zu ergreifen wie die Männer. Aber was schadet es, wenn bei bestimmten Berufen nur wenige Frauen von diesem Recht Gebrauch machen? Das moderne Miss­verständnis hat leider zu unsinnigen Quoten­regelungen geführt.

Nun gibt es bei Jesus glücklicher­weise keine Quoten. Dass das Neue Testament zwölf männliche Jünger namentlich nennt, aber nur drei Jüngerinnen, das macht nichts. Dass das Neue Testament die Christen als „Brüder“ anredet und die Schwestern dabei still­schweigend mit meint, das macht ebenfalls nichts. Und wir sollten uns auch nicht darüber wundern, dass Jesus nach seiner Auferstehung nur die zwölf männlichen Jünger zu Aposteln gemacht hat, nicht die drei weiblichen, obwohl sie doch auch Zeugen seines Kreuzestodes und seiner Auferstehung waren. Es begegnen uns viele heilige Frauen in der Bibel, auch Prophetinnen und Märtyre­rinnen, aber Gott hat ihnen nie ein leitendes Amt in seinem Reich übertragen: Sowohl die Priester des Alten Testaments als auch die Hirten und Lehrer, die Bischöfe und Ältesten des Neuen Testaments waren stets Männer. Offenbar wollte Gott, dass nicht nur in der natürlichen Familie, sondern auch in der Familie Gottes aus­schließlich Männer die Leitungs­verant­wortung übernehmen sollen. Das ist der Grund, warum in unserer Kirche und vielen anderen Kirchen keine Frauen Pfarrer werden können. Der moderne Mensch mag einwenden, dass das der Gleich­berechtigung wider­spricht, aber das tut es nicht. Männer und Frauen sind im Blick auf das Hirtenamt bei uns absolut gleich­berechtigt – sie haben nämlich beide kein Recht, dieses Amt von sich aus zu ergreifen. Hirte darf nur der werden, den Gott selbst durch die Kirche in dieses Amt beruft, und die Kirche tut gut daran, sich dabei an die Vorgaben zu halten, die Gott in der Bibel dafür gemacht hat.

Liebe Jüngerinnen und Jünger, ihr alle seid völlig gleich­wertige Mitglieder von Gottes wunderbarer Familie – ebenso wie auch alle kleinen Kinder, die getauft worden sind. Da gibt es wirklich keinen Unterschied. Wir alle leben davon, dass Christus uns gesund macht von unserer tödlichen Sünden­krankheit, und wir alle wollen ihm dafür dankbar dienen. Dass dieser Dienst aber unter­schiedlich aussieht, liegt nicht nur daran, dass wir verschieden alt, begabt und begütert sind, sondern es liegt eben auch daran, dass wir Männer und Frauen sind. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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