Brot essen im Reich Gottes

Predigt über Lukas 14,15 zum 2. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Als das Fest seinen Höhepunkt erreichte und alle fröhlich tafelten, rief einer der Gäste aus: Wie gut hat man es doch, wenn man das Brot bei Gott isst! Das ist super, das ist Freude pur! „Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!“ So hat es uns der Evangelist Lukas überliefert von einem Festessen, an dem auch Jesus teilnahm.

In diesem Ausruf geht es erstens um Brot. Beim Thema Brot können wir in Deutschland ins Schwärmen kommen: Wie gut haben wir es doch, dass wir uns stets genug frisches Brot kaufen können, in Eins-A-Qualität! Super, dass wir unter 3000 Brotsorten wählen können; das gibt es in keinem anderen Land der Erde! Aber „Brot“ heißt nicht nur Brot, „Brot“ heißt auch Käse, Wurst, Schinken, Gemüse, Kartoffeln, Fisch, Fleisch, Reis, Kuchen, Schokolade, Joghurt, Milch, Saft, Limonade, Bier, Wein, Sekt! Wir können uns jeden Tag satt essen in höchster Qualität und Vielfalt. Natürlich kennen wir auch mindestens ein Dutzend Dinge, die dabei pro­blematisch sind, aber das sollte uns nicht daran hindern, dass wir uns an gutem Essen freuen. Super! Danke, Gott, für das tägliche Brot! Danke, dass du unsere ständige Bitte in solchem Umfang erhörst: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“

Wobei „tägliches Brot“ nicht nur Nahrungs­mittel sind, sondern alles, was wir zum Leben in dieser Welt nötig haben. Wenn wir vom „Broterwerb“ reden, dann geht es da ja nicht nur um Geld für den Bäcker, sondern auch um Geld für Kleidung und für die Kranken­kasse. Wenn andererseits jemand seine ganze Arbeitskraft in eine „brotlose Kunst“ investiert, dann fehlt im das Geld nicht nur für die Brötchen, sondern auch für Miete und Energie. Wer einen an­strengenden Beruf hat, nennt ihn ein „hartes Brot“ und erinnert sich vielleicht daran, was Gott dem Adam nach dem Sündenfall gesagt hat: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“ (1. Mose 3,19). Aber auch der, der sich sein Brot durch schwere Arbeit verdient, muss wissen, dass er letztlich alles Gott zu verdanken hat – den ganzen großen Segen, den wir mit dem Begriff „tägliches Brot“ zusammen­fassen. Martin Luther hat im Kleinen Katechismus an zwei Stellen aufgezählt, was dazugehört, nämlich in der Erklärungen zum ersten Glaubens­artikel und zur vierten Vaterunser-Bitte: „Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und des­gleichen.“ Bei einigen dieser Dinge ist es ganz offen­sichtlich, dass man die sich nicht im Schweiße seines Angesichts verdienen kann, sondern dass sie freundliche Gaben unsers guten Gottes sind.

Nun hat Jesus aber auch einmal gesagt (aus dem Alten Testament hat er es zitiert): „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht“ (Matth. 4,5). Das heißt: Der Mensch braucht nicht nur „täglich Brot“ für seinen Leib, sondern auch „Lebensbrot“ für seine Seele, nämlich Gottes Wort. Und weil Jesus das Wort seines himmlischen Vaters nicht nur verkündigt, sondern auch vorgelebt und erfüllt hat, darum ist er selbst das Lebensbrot in Person. „Ich bin das Brot des Lebens“, hat er gesagt (Joh. 6,35.48). Ganz besonders selig ist nun jeder, der über das tägliche Brot hinaus dieses „Lebensbrot“ hat und an Jesus glaubt. Das ist der aller­wichtigste Grund, Gott zu danken; das ist die allergrößte Freude; das ist super hoch drei! Denn wer an Jesus glaubt, erfährt das nicht nur als Bereicherung in seinem Leben hier in dieser Welt, sondern der erlangt dadurch sogar ewiges Leben. Er findet nämlich die Gerechtig­keit vor Gott, die der himmlische Vater allen Sündern schenkt, die an Jesus glauben. Genau das meint die berühmte Selig­preisung aus der Bergpredigt, die zum heutigen Introitus gehört: „Selig sind, die hungert und dürstet nach der Gerechtig­keit; denn sie sollen satt werden.“ Ja, unsere Seele wird satt, wenn wir das Evangelium hören, die frohe Botschaft von Gottes Liebe, die uns nichts nachträgt, sondern alles nachsieht. Unsere Seele wird satt, wenn wir im Heiligen Abendmahl unter Brot und Wein den Leib und das Blut unsers Herrn Jesus Christus empfangen. Da kommt er leiblich zu uns, der selbst das Lebensbrot ist. Wie schön, wie selig! Super! Danke, Herr!

„Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!“, rief der unbekannte Gast, der mit Jesus beim Festessen war. In diesem Ausruf geht es erstens ums Brot; das haben wir eben betrachtet. In diesem Ausruf geht es dann aber auch zweitens um das Reich Gottes, auch „Himmel­reich“ genannt. Da müssen wir uns Gedanken machen, was das denn heißt: im Reich Gottes Brot essen. Machen wir uns klar: Der Mann sagt das in froher, festlicher Runde, und Jesus ist mit dabei. Jeder weiß: In froher, festlicher Runde schmeckt Essen besser als allein. Im traditio­nellen Afrika ist es sogar undenkbar, allein zu essen: Die Kochstelle mit dem Feuer und dem eisernen Topf in der Mitte ist der Mittelpunkt der familiären Gemein­schaft.

Es gab mal einen afri­kanischen Studenten, der bekam ein Stipendium, um ein paar Semester in London zu studieren. Man wies ihm dort auch ein Zimmer im Studenten­heim zu. Als zum ersten Mal nach seinem Einzug die Zeit für den Fünf-Uhr-Tee gekommen war, versammelten sich die Studenten in der Küche und bereiteten sich ihre Mahlzeit. Aber wie entsetzt war der afrikanische Student, als er erleben musste, wie seine europäischen Kommilitonen mit ihren Tassen und Tellern die Küche verließen und jeder hinter seiner eigenen Zimmertür verschwand. Der Afrikaner machte es dann wohl oder übel auch so, aber er hatte ein sehr komisches Gefühl dabei, denn noch niemals zuvor hatte er allein eine Mahlzeit zu sich genommen.

Auch in Deutschland war früher jede Mahlzeit normaler­weise ein Gemeinschafts­erlebnis. Wenn jemand nur für sich selbst sein eigenes Brot backte und es dann auch allein verzehrte, nannte man ihn einen „Eigen­brötler“. Heute finden wir nichts dabei; ein Single-Haushalt ist für uns etwas ganz Normales. Trotzdem: Den meisten Menschen gefällt es besser, wenn man in Gemeinschaft isst. Es ist ja auch richtig schön, wenn man mit lieben Leuten zusammen bei Tisch sitzt. Ja, auch das gehört zum „täglichen Brot“, zu Gottes segens­reichen Gaben: eine nette Runde beim Essen. Auch dafür können wir Gott danken und uns freuen: Selig ist, wer sein Brot nicht allein essen muss.

Wie nun das Lebensbrot das tägliche Brot übertrifft, so übertrifft auch das Reich Gottes unsere familiären und freundschaft­lichen Essens-Gemein­schaften. Denn wie das tägliche Brot zeitlich befristet ist und am Ende unseres Lebens ausgedient hat, so sind die Weggefährten auf Erden auch nur zeitlich befristet mit uns zusammen. Dagegen: Wie das Lebensbrot uns zu ewigem Leben stärkt, so ist das Reich Gottes eine dauerhafte, ewige Gemein­schaft. Jesus selbst ist mit dabei – so wie damals bei dem Festessen, von dem uns Lukas berichtet hat. Diese Gemeinschaft in Gottes Reich ist so wichtig, dass sie sogar im Glaubens­bekenntnis ihren Platz gefunden hat: „Ich glaube an den Heiligen Geist, eine heilige christliche Kirche, die Gemeinde (oder Gemein­schaft) der Heiligen…“ Da wäre es äußerst schade und nicht im Sinne unsers Herrn, wenn Christen nur im stillen Kämmerlein das Lebensbrot zu sich nähmen, wenn sie nur dort die Bibel läsen und beteten, ohne Kontakt zu anderen Christen. Machen wir lieber Gebrauch von dem großen Geschenk der Gemeinschaft in Gottes Reich: Nehmen wir gemeinsam das Lebensbrot zu uns! Hören wir gemeinsam auf Gottes Wort! Singen und musizieren wir gemeinsam zu seinem Lob! Das geht viel besser als allein, und mehr Freude macht es außerdem. Super! Selig, wer das Lebensbrot nicht als Eigenbrötler zu sich nimmt, sondern der es in Gottes Reich isst, in der Gemeinschaft mit geistlichen Ge­schwistern! Da hat Jesus versprochen, selbst dabei zu sein. Er sagte: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matt. 18,20).

Das gilt natürlich in ganz besonderer Weise vom Heiligen Abendmahl. Nicht zufällig wird es auch „Kommunion“ genannt, das heißt „Ge­meinschaft“. Denn daran nimmt nicht nur der einzelne Christ für sein persönliches Heil und seine persönliche Verbindung zu Jesus teil, sondern da werden die Kommuni­kanten durch das gemeinsame Empfangen von Leib und Blut Christi zur Gemeinschaft in Gottes Reich. So zeigt das Abendmahls als Höhepunkt des Gottes­dienstes beide Seligkeiten, von denen unser Predigttext handelt: Die Seligkeit des Lebensbrotes Jesus Christus, zur Vergebung unserer Sünden geopfert, und die Seligkeit der Gemeinschaft in Gottes Reich. Ja, „selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!“

Mit diesem herrlichen Ausruf war das Festessen, von dem der Evangelist Lukas berichtet hat, keineswegs zu Ende. Gleich danach begann Jesus, den Gästen ein Gleichnis zu erzählen – eine schöne, aber auch ernste Geschichte. Es sind die Worte, die wir heute als Evangeliums­lesung gehört haben. Da erscheint Gott in Gestalt eines reichen Gastgebers, der seine Freunde zu einem herrlichen Festmahl einlädt. Aber die Geladenen ent­schuldigen sich mit allerhand Ausreden. Daraufhin lädt der gute Mann alle ein, die er finden kann, ohne Rücksicht auf Stand und Ansehen. So geschieht es, dass die kaputtesten Typen bei ihm zu Tisch sitzen und sein Brot essen. Wenn du also ein kaputter Typ bist, dann mach dir keine Gedanken, ob Gott dich überhaupt als Brotesser in seinem Reich haben will. Er will, da kannst du sicher sein. Und wenn du kein kaputter Typ bist, dann wisse, dass er auch dich bei sich haben will. Aber schlag seine Einladung nur ja nicht aus – denn „selig ist, der das das Brot isst im Reich Gottes!“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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