Beten ist Beziehungssache

Predigt über Johannes 14,13‑14 zum Sonntag Rogate

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Es gab einmal einen Staat, wo das Beten verboten war – jedenfalls für eine Weile. Das war kein kommu­nistischer Staat und kein Staat der Neuzeit, sondern es war das alte babylo­nische Reich unter König Darius zur Zeit des Propheten Daniel. Darius hatte damals bei Androhung der Todes­strafe verfügt, dass dreißig Tage lang niemand zu irgendeinem Gott beten oder von irgendeinem Menschen etwas erbitte sollte; nur ihn selbst, den großen König, durfte man bitten. Dieses Gesetz sollte den Leuten ihre Beziehung zum König deutlich machen: Er ist der mächtige Wohltäter, den man demütig bitten soll; alle anderen müssen hinter ihm zurück­treten – sogar die Götter und somit auch der eine wahre Gott. Nun hätte Daniel es sich leicht machen können und einfach dreißig Tage lang zu beten brauchen, oder höchstens heimlich. Das tat er aber nicht. Ihm war die Beziehung zu Gott so wichtig, dass er weiterhin wie gewohnt dreimal täglich betete. Er machte auch keinen Hehl daraus, denn die Beziehung zu Gott ist ja nichts, was man verstecken sollte. Wie dieses Verhalten Daniel in großen Schwierig­keiten brachte und wie Gott ihm aus ihnen heraushalf, kann man im sechsten Kapitel des Daniel­buches nachlesen. Wir nehmen aus dieser Geschichte jetzt einfach die Erkenntnis mit: Bitten beziehungs­weise Beten ist eine Beziehungs­sache.

Nur wenn wir das wissen, können wir die Zusage von Jesus richtig verstehen, die wir in dieser Predigt bedenken wollen: „Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, damit der Vater ver­herrlicht werde im Sohn.“ Der Apostel und Evangelist Johannes hat uns dieses Wort des Herrn über­liefert, und er hat in einem seiner Briefe dann folgenden Kommentar dazu gegeben: „Das ist die Zuversicht, die wir haben zu Gott: Wenn wir um etwas bitten nach seinem Willen, so hört er uns“ (1. Joh. 5,14). Beten in Jesu Namen ist also Beten nach Gottes Willen; oder umgekehrt: Nur wenn wir im Namen Jesu beten, dann beten wir so, wie Gott es haben will. Nicht der große König Darius oder sonst irgendein mächtiger Mensch soll die erste Adresse sein, wo wir uns Hilfe erbitten, auch nicht irgendein Götze oder Allah, sondern der eine wahre Gott, der Vater unsers Herrn Jesus Christus.

Was aber bedeutet das eigentlich: im Namen Jesu beten? Es geht nicht darum, dass wir die Worte „im Namen Jesu“ wie eine Zauber­formel an unsere Gebete anhängen. Es geht vielmehr darum, dass wir durch eine lebendige Beziehung zu Jesus in eine ebenso lebendige Beziehung zum himmlischen Vater treten. Am vergangenen Sonntag habe ich es in meiner Predigt so aus­gedrückt: Jesus ist der eine Schlüssel für die Tür zu wirklich gutem Leben – zu ewigem Leben beim Vater im Himmel. Weil Jesus für uns gestorben und auf­erstanden ist, trennt uns die Sünde nicht mehr von Gott, und der Tod wird zur Pforte in die ewige Seligkeit. Jesus ist die eine Tür und der eine Weg zu Gott; anders kommt niemand zum Vater. Wenn wir das verstanden haben, dann verstehen wir auch, was Beten im Namen Jesu heißt: nämlich im Vertrauen darauf, dass Jesus uns die Tür zum himmlischen Vater auf­geschlossen hat, mit unseren kleinen und großen Bitten zu ihm kommen. Wer ohne Jesus-Glauben betet, der rennt gewisser­maßen gegen eine ver­schlossene Tür an. Darum ist es auch nicht ehrlich, wenn wir als Christen zusammen mit Gläubigen anderer Religionen beten, denn sie verstehen unter Beten letztlich etwas anderes. Jesus aber sagt: „Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, damit der Vater ver­herrlicht werde im Sohn.“ Beten ist Beziehungs­sache: Der Sohn Gottes macht aus uns Sündern versöhnte Kinder und bringt uns so in eine gute Beziehung zum himmlischen Vater.

Beten ist Beziehungs­sache – also kein Selbst­gespräch. Manche Leute sehen das Gebet allerdings nur auf dieser psycho­logischen Ebene. Sie meinen: Wer betet, richtet seine Gedanken vertrauens­voll und positiv auf das Erbetene und hat dann auch gute Aussichten, es zu erreichen. Aber das ist nicht das Ent­scheidende am Gebet. Ent­scheidend ist, dass wir uns nicht allein auf das Erbetene, sondern vor allem auf den Geber aller guten Gaben ausrichten, auf die Quelle des Lebens, auf unseren Schöpfer. Ent­scheidend ist, dass wir ihm vertrauen. Er meint es ja gut mit uns und will uns nicht im Zorn strafen, sondern mit seiner Liebe über­schütten. Diese Gewissheit empfangen wir durch den Gottessohn Jesus Christus, der stell­vertretend für uns Gottes Zorn getragen hat. Das Vertrauen in die Gebets­erhörung ist darum keine Selbst­ermunte­rung, sondern ein persön­licher Glaube an den, der alle Macht hat im Himmel und auf Erden.

Was ist nun aber mit den un-erhörten Gebeten? Was ist, wenn wir den Vater vertrauens­voll im Namen Jesu bitten, aber dann nicht erleben, dass er das Erbetene gibt? Was ist, wenn sich Jesu Wort offenbar nicht be­wahrheitet: „Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun“? Auch in diesem Fall hilft uns die Erkenntnis: Beten ist Beziehungs­sache – und deshalb kein Wunsch-Automat. Gott sei Dank ist das so. Denn wenn die Worte „im Namen Jesu“ wie eine Zauber­formel tatsächlich sogleich all unsere Wünsche wahr werden ließen, dann würde Chaos ausbrechen. Stellt euch nur mal vor: Die einen bitten Gott um Sonnen­schein für die Grillparty am Wochenende, die anderen um ergiebigen Regen für ihren aus­getrockne­ten Garten, was sollte Gott da schicken? Weil Beten aber eine Beziehungs­sache ist, können wir so sagen: Gott hört alle unsere Gebete, sogar alle un­überlegten oder gar schädlichen Wünsche. Es gehört ja zu einer guten Beziehung, dass man in jedem Fall aufeinander hört. Insofern bleibt kein Gebet im Namen Jesu un-erhört. Aber dann sortiert Gott unsere Gebets­anliegen: Vieles Erbetene gibt er uns uns bald, und wir freuen uns darüber und danken ihm. Manchmal lässt er uns eine Weile warten und stellt unsere Geduld auf eine harte Probe, aber dann gibt er doch, worum wir ihn gebeten haben. Manchmal erfüllt er unsere Bitten ganz anders, als wir gedacht haben. Und manchmal muss er uns Dinge verwehren, weil sie nicht mit seinem Plan für die Welt und mit seinem guten, gnädigen Willen zusammen­passen.

In jedem Fall aber gewährt uns Gott alles, was uns ihm und seinem Reich näher­bringt. Darum geht es ja auch in den wichtigen Bitten, die Jesus uns im Vaterunser gelehrt hat. Nicht, dass Gott uns das nicht auch alles ohne unser Beten geben könnte; und er weiß natürlich viel besser als wir selbst, was wir brauchen. Aber um der Beziehung willen möchte er, dass wir ihn immer wieder bitten – dass wir ihm immer wieder in den Ohren liegen mit dem, was wirklich wichtig ist. Wie die Muskeln unseres Körpers durch ständiges Training gestärkt werden, so wird unser Glaube und unsere Beziehung zu Gott durch tägliches Beten gestärkt. Wir können durchaus sagen: Beten ist Glaubens-Training.

Lasst also nicht nach beim Beten! Und wenn euer Gebetsleben schläfrig geworden ist, dann gebt ihm neuen Schwung! Betet täglich! Tut es im Vertrauen auf den Herrn Jesus Christus; betet in seinem Namen! Greift dabei auch immer wieder auf sein Mustergebet zurück, auf das Vaterunser! Und lasst euch nicht entmutigen, wenn das Erbetene nicht sogleich oder nicht in erwünschter Weise eintrifft! Beten ist Beziehungs­sache, und unsere Beziehung zu Jesus und zum himmlischen Vater soll von Vertrauen geprägt sein. Vertrauen bedeutet: Ich sehe noch nicht ganz, wie Gott alles zum guten Ziel und Ende führen wird, aber ich weiß, dass er‘s tun wird – zu seiner Zeit auf seine Weise. Denn ich gehöre ja durch Jesus zu ihm. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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