Gottes Wort hören und weitersagen

Predigt über Hesekiel 2,1 - 3,3 zum Sonntag Sonntag Sexagesimä

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wir haben einen wunderbaren Gott. Er hat uns nicht nur geschaffen, sondern er redet auch mit uns. Er bleibt uns nicht fremd, sondern er spricht uns an und macht sich bekannt. Er redet mit uns, und wir tun gut daran, auf ihn zu hören. Darum heißt es im heutigen Wochen­spruch: „Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht“ (Hebr. 3,15). Gott redet aber nicht nur mit uns, sondern er redet auch durch uns. Gott möchte, das wir seine Stimme weiter­tragen zu unsern Mit­menschen. Das geht nicht nur mit Worten, sondern das geht auch mit Taten und mit unserm ganzen Verhalten. Darum heißt es an einer anderen Stelle in der Bibel: „Ihr seid ein Brief Christi…, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes“ (2. Kor. 3,3). Gott redet mit uns, und Gott redet durch uns. Wir hören seine Botschaft, und wir sollen sie auch weiter­geben. Das kann bei ver­schiedenen Menschen zu ver­schiedenen Zeiten sehr verschieden aussehen. Wir wollen jetzt betrachten, wie es damals beim Propheten Hesekiel war.

Hesekiel gehörte zu den Juden, die in die Babylo­nische Gefangen­schaft verschleppt worden waren. Dort in der Fremde geschah es, dass Gott sich dem Propheten in ganz besonderer Weise zeigte. So be­eindruckend war diese Gottes­erschei­nung, dass Hesekiel erschrocken zu Boden fiel. Da begann Gott mit ihm zu reden. Er sagte: „Du Menschen­kind, tritt auf deine Füße, so will ich mit dir reden.“

Es folgte Gottes Botschaft. Diese Botschaft war ein Auftrag: Hesekiel sollte seinen Landsleuten erklären, warum Gott es zugelassen hat, dass sie jetzt so sehr gedemütigt werden. Er sollte ihnen klarmachen, dass es an ihrer Sünde liegt. Weil sie alle Warnungen früherer Propheten in den Wind geschlagen hatten, musste ihnen Gott jetzt drastisch zeigen, wohin ihre Gott­losig­keit führt. Wir sehen: Gott redete mit dem Propheten, um dann durch ihn zum Volk Israel zu reden. Hesekiel sollte hören, um Gottes Botschaft dann weiter­zugeben. Diese Botschaft war nun nicht gerade angenehm und schmeichel­haft für ihre Adressaten. Es ist so, wie wenn ich als Seelsorger Menschen nachgehe, die sich von der Kirche und vom Glauben entfremdet haben. Und es ist überhaupt so mit Gottes Wort, das wir für uns selbst hören und dann auch an andere weitergeben sollen. Gott schmeichelt uns nicht und sagt: Bleibt wie ihr seid, so gefallt ihr mir! Er sagt vielmehr: Ändert euch und werdet so, dass ich an eurem Verhalten Gefallen finden kann und euch nicht mehr mit harten Maßnahmen erziehen muss!

Hesekiel hätte gegen seinen göttlichen Auftrag nun einen Einwand vorbringen können, und vielleicht hat er es auch wirklich getan. Dieser Einwand lautet: Wahr­scheinlich werden sie nicht auf mich hören, sondern weiter­machen wie bisher; wahr­scheinlich wird Gottes Botschaft an ihnen abperlen wie Wasser an der Ente. Auch ich als Seelsorger muss leider häufig diese Erfahrung machen: Die meisten wollen nur ungern Gottes Meinung über ihren Lebens­wandel hören, und wenn sie sie dann doch gehört haben, will sich kaum einer ändern. Die meisten sind dick­schädelig und verstockt; sie finden tausend Ausreden, warum sie sich nicht ändern können oder müssen.

Gott kennt dieses Problem, und er ist darauf eingangen in seinem Wort an Hesekiel. Er sagte zu ihm: „Die Söhne, zu denen ich dich sende, haben harte Köpfe und verstockte Herzen. Zu denen sollst du sagen: ‚So spricht der Herr!‘ Sie gehorchen oder lassen es – denn sie sind ein Haus des Wider­spruchs – ‚ dennoch sollen sie wissen, dass ein Prophet unter ihnen ist.“ Mit anderen Worten: Es spielt keine Rolle, ob Hesekiels dick­schädelige Zeit­genossen sich Gottes Botschaft zu Herzen nehmen oder nicht, Hauptsache, die Botschaft wird ihnen gesagt! Wenn sie sie annehmen und Buße tun, dann ist es gut, dann wird ihre Seele gesund. Wenn sie es aber nicht annehmen, dann können sie wenigstens nicht behaupten, niemand hätte sie gewarnt und sie wüssten gar nicht, warum Gott ihnen das alles zumutet. Diese Erkenntnis hilft uns, Gottes Wort unbefangen weiter­zugeben, ohne dass wir uns um den Erfolg Sorgen machen müssen. Wir sind Gottes Brief, und wir sollen dafür sorgen, dass dieser Brief seine Empfänger erreicht. Was ein Empfänger dann mit der Botschaft des Briefes macht, darauf haben wir keinen Einfluss.

Hesekiel hätte nun noch einen weiteren Einwand vorbringen können, und vielleicht hat er es auch wirklich getan. Er hätte sagen können: Aber ich traue mich nicht; ich mache mich nur unbeliebt; und vielleicht werden die andern so böse auf mich werden, dass sie mir etwas antun. Das ist ein Problem, das wir zum Glück kaum haben, jedenfalls nicht in unserm Land. Keiner wird mich zusammen­schlagen, wenn ich ihm Gottes Wort vorhalte, und ich habe auch sonst keine Nachteile zu befürchten. Aber die Angst kenne ich auch – die Scheu davor, anderen Gottes Botschaft auch dann vor­zuhalten, wenn ich befürchten muss: Das wird nicht gut ankommen bei ihnen; es wird mich vielleicht sogar von ihnen entfremden; sie werden mich deswegen für weltfremd halten, und hinter meinem Rücken werden sie abfällige Bemerkungen machen.

Gott kennt auch dieses Problem, und er ist darauf eingegangen in seinem Wort an Hesekiel. Er sagte zu ihm: „Und du, Menschen­kind, sollst dich vor ihnen nicht fürchten noch vor ihren Worten fürchten. Es sind wohl wider­spenstige und stachlige Dornen um dich, und du wohnst unter Skorpionen; aber du sollst dich nicht fürchten vor ihren Worten und dich vor ihrem Angesicht nicht entsetzen – denn sie sind ein Haus des Wider­spruchs –, sondern du sollst ihnen meine Worte sagen, sie gehorchen oder lassen es; denn sie sind ein Haus des Wider­spruchs.“ Gott be­schwichtigt hier nicht und leugnet auch nicht das Risiko, das einer eingeht, der seine Botschaft weitersagt. Auch Jesus hat das am eigenen Leib erfahren und aus­drücklich bestätigt, auch die Apostel und alle treuen Gottes­boten: Wer Gottes Wort weitersagt, muss mit Widerspruch und teilweise sogar mit Widerstand rechnen. Aber das darf kein Grund sein, den Mund zu halten. Gottes Anweisung ist klar: „Du sollst ihnen meine Worte sagen!“ Überwinde deine Angst, schluck deine Bedenken hinunter und tu einfach, was ich dir auftrage! Das ist übrigens ein guter Rat für alle Lebens­lagen: Wenn wir vor etwas Angst haben, was gut und wichtig ist, dann sollten wir uns einen Ruck geben und erst recht das tun, wovor wir zurück­scheuen. Meistens werden wir hinterher merken, dass es gar nicht so schlimm ist, wie wir anfangs befürchtet haben.

Ja, Gott nahm Hesekiels Bedenken den Wind aus den Segeln, und mit unsern Bedenken macht er es ebenso. Weder die mögliche Erfolg­losigkeit noch unsere Angst sollten uns daran hindern, ein „Brief Christi“ zu sein und Gottes Botschaft mit Wort und Tat weiter­zusagen.

Danach geschah etwas Merk­würdiges in dieser Begegnung zwischen Gott und Hesekiel, die wir uns wahr­scheinlich als Vision vorstellen müssen, als eine Art Traum. Gott sagte dem Propheten: „Aber du, Menschen­kind, höre, was ich dir sage, und widersprich nicht wie das Haus des Wider­spruchs. Tu deinen Mund auf und iss, was ich dir geben werde.“ Mit diesen Worten überreichte Gott ihm eine Schrift­rolle. Der Prophet rollte den Papyrus-Streifen auseinander und stellte fest, dass er auf beiden Seiten beschriftet war. Er begann zu lesen und musste zu seiner Bestürzung fest­stellen, dass darin lauter göttliche Gerichts­worte standen. Er selbst hat es so ge­schildert: „Darin stand geschrieben Klage, Ach und Weh.“ Das also sollte er seinen Landsleuten weiter­sagen; er sollte ihnen Gottes endgültiges Straf­gericht ankündigen für den Fall, dass sie sich nicht bekehren. Gott wiederholte seinen Auftrag: „Du Menschen­kind, iss, was du vor dir hast! Iss diese Schrift­rolle und geh hin und rede zum Hause Israel!“ Hesekiel sollte diese Botschaft für sich selbst verinnerlichen und dann weiter­sagen. Diese Schrift­rolle war das Zeichen dafür, dass Gott mit ihm und durch ihn reden wollte; er sollte selbst hören und es andern weiter­sagen. Es ist so wie bei uns Christen, die wir selbst ein lebendiger Brief Christi sind: Wir sollen Gottes Wort ver­innerlichen und dann Zeugen für andere sein.

Hesekiel war ein guter Prophet: Er gehorchte. Tatsächlich begann er in dieser Vision, die Schrift­rolle Stück für Stück zu verzehren. Gott redete dabei weiter auf ihn ein: „Du Menschen­kind, du musst diese Schrift­rolle, die ich dir gebe, in dich hineinessen und deinen Leib damit füllen.“ Hesekiel aß weiter. Ich weiß nicht, ob ihr schon mal Papier oder Papyrus gegessen habt; ich habe es noch nicht probiert. Ich stelle mir aber vor, dass es nicht besonders gut schmeckt und dann schwer im Magen liegt. Erstaun­licher­weise machte Hesekiel mit der göttlichen Schrift­rolle eine andere Erfahrung. Er berichtet: „Da aß ich sie, und sie war in meinem Munde so süß wie Honig.“ Das Papyrus schmeckte herrlich! Aber eigentlich geht es ja gar nicht um das Papyrus, sondern um die Botschaft, die darauf geschrieben war, um Gottes Wort. Und eigentlich ist uns das Ganze als Gleichnis über­liefert. Es zeigt uns: Wir meinen oft, Gottes Wort sei unangenehm, un­bekömmlich und äußerst schwere Kost. Aber wenn wir es bereit­willig verzehren, wenn wir es „gerne hören und lernen“, wie Luther es im Kleinen Katechismus formu­lierte, dann stellen wir erstaunt fest, wie wohl es uns tut. Gottes Wort schmeckt einfach köstlich, so wie es auch der Beter des 119. Psalm bestätigt hat: „Mehr als Honig dem Gaumen schmei­chelt, schmeckt mir, Herr, deine Rede“ (Psalm 119,103).

Woran liegt das? Es liegt daran, dass Gottes Wort eigentlich ein Liebesbrief an uns Menschen ist. Auch wenn da viel Schweres und Schreck­liches drin steht, auch wenn Gott da mahnt und droht, tut er es doch letztlich nur deshalb, damit wir von unsern Irrwegen zu ihm zurück­finden in seine liebevollen väterlichen Arme. Gottes letztes Wort ist das Evangelium, eine frohe Botschaft: Die Botschaft, dass er uns durch Jesus unsere Abwege gern verzeiht und uns zurecht­hilft auf einen guten neuen Weg. Allen, die dieser guten göttlichen Nachricht Vertrauen schenken, schmeckt sie süßer als Honig. Und wenn sie uns selbst gut schmeckt, dann können wir sie auch getrost andern anbieten. Denn wir sind Christi Brief; wir sollen sein Evangelium nicht nur selbst hören, sondern auch andern weiter­sagen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum