Jesu Taufe nach Lukas

Predigt über Lukas 3,21‑23a zum 1. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Gott will, dass unser Glaube nicht auf wackeligen Beinen steht, sondern auf einem tragfähigen Fundament: auf seinem Wort, in der Bibel offenbart. Gott hat deswegen nicht nur einen einzigen Menschen damit beauftragt, sein Wort weiterzugeben und auf­zuschrei­ben, sondern viele – eine ganze Wolke von Zeugen! Und was den wichtigsten Teil seiner Offenbarung angeht, nämlich das Evangelium von Jesus Christus, hat er gleich vier Personen Berichte vom Erdenleben des Heilands parallel auf­schreiben lassen: die Evange­listen Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Nun behaupten manche allerdings, dass diese voneinander ab­geschrieben hätten. Gewiss finden wir manches Ähnliche in den Berichten der vier Evange­listen. Wie könnte das auch anders sein, wo sie doch alle von demselben Jesus von Nazareth erzählen! Wer sich aber näher mit den vier Evangelien be­schäftigt, dem wird vor allem auffallen, was diese Berichte voneinander unter­scheidet. Matthäus, Markus, Lukas und Johannes haben nämlich jeder auf seine eigene Weise berichtet, mit je anderen Schwer­punkten. So bestätigen sich die Evange­listen nicht nur, sondern ergänzen sich auch.

Die Berichte von Jesu Taufe sind ein schönes Beispiel dafür. Die Matthäus-Version haben wir heute als Evangeliumslesung gehört, und den Bericht des Lukas habe ich eben als Predigttext vorgelesen. Auch bei Markus und Johannes kommt Jesu Taufe vor. Weil der Lukas-Bericht unser Predigttext ist, wollen wir jetzt vor allem auf das achten, was wir nur bei Lukas finden. Es sind drei Dinge: erstens die Einleitung „als alles Volk sich taufen ließ“; zweitens die Beobachtung, dass Jesus nach seiner Taufe betete; drittens die Fest­stellung, dass sich der Geist „in leiblicher Gestalt“ auf Jesus setzte.

Betrachten wir also erstens die Einleitung. Vollständig heißt es da: „Und es begab sich, als alles Volk sich taufen ließ und Jesus auch getauft worden war…“ Es müssen große Menschen­massen gewesen sein, die da zu Johannes dem Täufer an den Jordan gekommen waren. Sie hörten seine Bußpredigt, bekannten ihre Sünden und ließen sich von ihm taufen. Die Johannes-Taufe war noch nicht unser Sakrament der Taufe, sondern ein pro­phetisches Zeichen dafür, dass Gott den Bußwilligen ihre Sünden­schuld abwaschen wird. Der Evangelist Lukas stellt nun Jesus einfach in die Reihe dieser vielen Menschen, dieser vielen reuigen Sünder: Jesus wurde auch getauft.

Lukas will damit nicht sagen, dass Jesus einfach einer religiösen Mode folgte, einem Trend. Es ist niemals gut, etwas nur deswegen zu tun, weil alle es machen. Manchmal kann das sogar verheerende Folgen haben. Wenn wir dem heutigen religiösen Trend folgen würden, der sich bei „allem Volk“ beziehungs­weise bei der Mehrheit zeigt, dann müssten wir uns mehr und mehr von unserem Bekenntnis zu Christus distan­zieren sowie auch die aktive Mitglied­schaft in der Kirche und den Gottes­dienst­besuch ein­schränken. Wir würden dann nur noch für uns privat einen allgemeinen Gottes­glauben pflegen, wenn überhaupt. Das wäre nicht gut; das würde Gott nicht gefallen.

Lukas will mit seiner Formu­lierung auch nicht zum Ausdruck bringen, dass Jesus ein reumütiger Sünder war wie all die anderen Leute, die da zur Johannes-Taufe strömten. Die Bibel bezeugt ja aus­drücklich, dass Jesus als einziger Mensch frei von Sünde war; anders hätte er uns gar nicht erlösen können. Wenn wir damals gelebt hätten, dann hätten wir es nötig gehabt, uns da in die Schlange der Wartenden einzureihen und dann im Jordan­wasser unserer Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass Gott unsere Schuld vergeben wird. Aber der Gottessohn hatte das nicht nötig; er als Einziger! Von daher ist es ziemlich ver­wunderlich, dass Lukas ihn mit seinem Bericht mitten in die Volksmassen hinein­stellt.

Im Hebräer­brief lesen wir von Jesus: „Wir haben nicht einen Hohen­priester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwach­heit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde“ (Hebr. 4,15). Da finden wir des Rätsels Lösung: Jesus, der göttliche Hohe­priester, hat sich freiwillig der mensch­lichen Natur und allen mensch­lichen Ver­suchungen ausgesetzt. Er hat sich ganz auf unsere Stufe gestellt und mit uns mitgelitten – mit dem einzigen Unter­schied, dass er dabei stets seinem himmlischen Vater gehorsam geblieben ist. Mit anderen Worten: Jesus ist mit uns Sündern solidarisch geworden. Er stand am Jordan mit Sündern an, um sich wie sie taufen zu lassen. Er lebte mit Sündern und litt mit Sündern. Und schließlich nahm er die Strafe auf sich, die Sünder verdient haben: den Tod. Wir haben keinen abgehobenen Heiland, der sich nicht die Finger schmutzig machen will. Wir haben vielmehr einen Heiland, der unser Bruder geworden ist. Ganz egal wie es dir geht und worunter du leidest: Du kannst sicher sein, dass Jesus genau weiß, wie dir zumute ist, denn er stand und steht mitten unter „allem Volk“.

Zweitens: Jesus betete, nachdem er getauft worden war. Auch damit stellte er sich bewusst mitten unter „alles Volk“, das Gemein­schaft mit Gott sucht. Es ist das Natür­lichste von der Welt, dass ein Mensch nach seiner Taufe betet. Er dankt dem himmlischen Vater für die Taufe, für alle Gnade und Barmherzig­keit. Und er bittet ihn um den Beistand des Heiligen Geistes, um künftig so zu leben, wie es Gott gefällt. Wenn heute ein Erwachsener getauft wird und es ernst damit meint, dann wird er selbst­verständ­lich so beten; und wenn ein Kind getauft wird, dann werden Eltern, Paten und Gemeinde ent­sprechend Fürbitte tun. Ja, unser ganzes Gebetsleben wurzelt darin, dass wir mit der heiligen Taufe Gottes Kinder geworden sind. Dass Jesus betete, zeigt uns also ebenfalls seine Solidarität mit uns.

Aber es zeigt uns noch mehr: Dass Jesus nach seiner Taufe betete, zeigt uns das Geheimnis des dreieinigen Gottes. Denn Gott der Sohn redet hier ja mit Gott dem Vater. Sie sind zwei göttliche Personen, und doch gibt es nur einen Gott. Sie sind ein göttliches Wesen, und doch handelt es sich hier nicht um ein Selbst­gespräch. Der himmlische Vater und sein ein­geborener Sohn stehen in einer liebevollen und völlig harmo­nischen Gemein­schaft; das zeigt sich an Jesu Beten. Der Dritte im Bunde dieser göttlichen Gemein­schaft aber ist der Heilige Geist, der bei diesem Beten in Gestalt einer Taube erscheint. Vater, Sohn und Heiliger Geist bilden eine vollkommene und herzliche Gemein­schaft der Liebe; zusammen aber bilden sie untrennbar den einen wahren Gott. Es ist der Gott, der aus herzlicher Liebe vom Himmel herab­gekommen ist und sich unter uns Menschen gemischt hat – mit dem einen aus­drücklichen Ziel, uns zu erlösen.

Drittens: „Der heilige Geist fuhr hernieder auf ihn in leiblicher Gestalt wie eine Taube“, so berichtet Lukas. Dass der Geist nach Jesu Taufe wie eine Taube auf ihn herabkam, das berichten auch die anderen Evange­listen. Aber nur Lukas betont, dass er es „in leiblicher Gestalt“ tat. Damit wehrt Lukas ein Miss­verständnis ab, das bei den anderen Berichten von Jesu Taufe entstehen könnte: Da könnte jemand behaupten, dass es sich eigentlich um einen unsicht­baren geistigen Vorgang handelte und dass von der Taube nur im Sinne eines Bildworts die Rede ist. Lukas aber sagt: Nein, die Taube ist nicht gleichnis­haft gemeint, sondern der Heilige Geist hat bei dieser Gelegenheit wirklich die leibliche Gestalt einer Taube angenommen. Das braucht niemand zu bezweifeln, denn es steht ja in der Macht Gottes des Heiligen Geistes, jede beliebige Gestalt anzunehmen, die er will, oder auch – wie normaler­weise – gänzlich unsichtbar zu bleiben.

Aber muss das denn überhaupt betont werden? Ist es nicht allein wichtig zu wissen, dass Jesus sein Amt in der Kraft des Heiligen Geistes antrat – egal, ob dieser Geist sichtbar wurde, und egal, in welcher Gestalt er sichtbar wurde? Natürlich ist dies das Ent­scheidende: Auf Jesus ruhte der Heilige Geist mit der Fülle aller seiner Gaben, so wie es schon Jesaja geweissagt hatte: „Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn“ (Jesaja 11,2). Und doch ist die leibhafte Gestalt nicht unwichtig; wir können dem Evange­listen Lukas dankbar sein, dass er das un­missver­ständlich bezeugt hat. Denn daran zeigt sich grund­sätzlich: Gott möchte, dass wir ihn in unserer materiellen Welt erfahren können. Darum ging es ihm auch schon zu Weih­nachten: Er wollte sich als neu geborener Mensch begreifbar machen. „Das Wort ward Fleisch…“ (Joh. 1,14). Nun wird hier der Geist als Taube begreifbar, die vom Himmel herabkommt und sich auf Jesus nieder­lässt. In ähnlicher Weise ließ er sich dann zu Pfingsten auf den Jüngern nieder, dann in der Gestalt von Feuer­flammen. Gott hätte das alles auch unsichtbar tun können, aber um uns Menschen willen machte er zu diesen besonderen Anlässen sichtbar, war normaler­weise im Verborgenen bleibt.

Solche Ver­anschau­lichungen sind eine große Hilfe für unseren Glauben. Ich wage sogar zu behaupten: Wer an Gott ganz abstrakt und ohne jede Ver­anschau­lichung denkt, der hat eine schlechtere Vorstellung von ihm, als wer ihn sich in leiblicher Gestalt denkt. Gott lässt sich darauf ein, dass wir Menschen besser Konkretes begreifen können als Abstraktes. Darum dürfen wir ihn Vater nennen, ihn als König verehren und ihn uns als guten Hirten vorstellen. Darum hat er in Jesus Menschen­gestalt angenommen. Darum hat sich auch der Heilige Geist als Taube anschaulich gemacht. Und darum hat Gott sein Evangelium bis heute mit bestimmten äußeren Zeichen verknüpft: Da ist das Wasser der Taufe, da nehmen wir Brot und Wein für das Heilige Abendmahl, da spüren wir die Hand­auflegung bei der Sünden­vergebung, da sehen wir das Kreuzes­zeichen beim Segen. Auf diese Weise kommt Gottes Geist auch heute noch „in leiblicher Gestalt“ zu uns, nämlich in den Zeichen und Dingen, die uns Gottes Wort und Gottes Liebe anschaulich machen.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wir haben gesehen, wie uns der Evangelist Lukas bei seinem Bericht über Jesu Taufe mit drei Besonder­heiten hilft, Gottes Wesen und Wirken besser zu erkennen und sein liebevolles Handeln an uns besser zu begreifen. Dafür können wir ebenso dankbar sein wie für die Tatsache, dass er gemeinsam im Chor mit den anderen Evange­listen uns diese Station auf Christi Heilsweg bestätigt und gewiss macht. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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