Liebe Festgemeinde!
„Friede auf Erden“, heißt es zu Weihnachten. Das ist kein Zauberspruch. Wäre es ein Zauberspruch, dann müssten wir feststellen, dass er nicht funktioniert. Wer von Sorgen geplagt ist und sich innerlich zerrissen fühlt, den erfüllt dieses Wort nicht automatisch mit innerem Frieden. Wo Spannungen und Streit herrschen zwischen Mann und Frau oder zwischen Alt und Jung, da bringt das weihnachtliche Beisammensein nicht automatisch alles in Ordnung. Und wo in der Welt Gewalt, Krieg und Hass regieren, da schafft die Weihnachtsbotschaft nicht automatisch Frieden – seit zweitausend Jahren nicht, und gerade heute auch nicht im Land von Bethlehem. Die Mächtigen der Welt scheitern bis heute daran, Frieden auf Erden dauerhaft durchzusetzen. Sie können es einfach nicht, und vielleicht wollen es manche auch gar nicht – jedenfalls nicht um den Preis, dass sie etwas von ihrer Macht abgeben müssten. Der Herrscher Augustus Octavian, dessen Steuerpolitik Maria und Josef nach Bethlehem verschlug, wurde zwar ein „Friedenskaiser“ genannt, aber er bewerkstelligte diesen Frieden nur durch grausame Unterdrückung anderer Völker und seiner politischen Konkurrenten. Geschichte und Gegenwart lehren: Die da oben bringen keinen nachhaltigen Frieden zustande. „Friede auf Erden“ – ist das also nur eine Illusion?
Keineswegs. Aber die Bibel macht deutlich, in welchen Zusammenhang wir die weihnachtliche Friedensbotschaft stellen müssen: Friede auf Erden kann nur der finden und stiften, der Frieden mit dem Himmel hat. Das gilt für jeden einzelnen im Hinblick auf seinen inneren Frieden, das gilt ebenso für den Frieden unter Verwandten und Nachbarn, das gilt schließlich auch für die da oben und für den Frieden unter den Völkern: In dem Maß, wie Menschen Frieden mit dem da ganz oben haben, finden sie auch auf den mehr oder weniger niedrigeren Etagen Frieden. Genau darum geht es zu Weihnachten: dass wir Frieden mit dem da ganz oben finden und in diesem Frieden immer wieder neu bestärkt werden. Weihnachten ist Gottes Einladung an alle Menschen, seinen Frieden zu finden. Wo diese Einladung angenommen wird, da wird dann auch Frieden auf Erden.
Was ist das aber für ein Frieden – der Friede im Himmel, der Friede mit dem da ganz oben? Und wie lädt die Weihnachtsbotschaft zu diesem Frieden ein? Wir sehen eine Krippe in einem Stall, darin ein neu geborenes Kind. Aber wir sollen nicht nur sehen, wir sollen auch hören. Wir müssen bei der Weihnachtsbotschaft genau hinhören, sonst rauscht das Wesentliche an uns vorbei. Da heißt es nämlich nicht nur: „Friede auf Erden!“, sondern da heißt es auch: „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr“ (Lukas 2,11). Auf dieses Wörtchen „Herr“ kommt es besonders an, das dürfen wir nicht überhören! Es bedeutet: Dieses neu geborene Kind ist niemand anderes als der da ganz oben, der oberste Herr. So hat es Jesus später ja auch von sich selbst gesagt: „Der von oben her kommt, ist über allen.“ Und indem er von ganz oben her zu uns kam und dann nach ganz unten ging, ist er unser Heiland geworden, unser Retter, unser Erlöser, unser Friedensstifter.
Das ist das Besondere an diesem Herrn: Er bringt Frieden nicht so wie Kaiser Augustus, also nicht durch das Ausspielen seiner Macht, nicht durch Gewalt und Unterdrückung. Nein, er bringt Frieden durch das glatte Gegenteil: Indem er herabkommt von seinem höchsten Thron, indem er sich klein, niedrig und hilflos macht. Ja, der von ganz oben kommt nach ganz unten. Der aus dem Himmel kommt auf die Erde. Der, dem die ganze Welt gehört, wird bitterarm. Der Allmächtige wird hilflos als Baby. Der Herr der Herrlichkeit nimmt menschliches Leid und Elend auf sich.
Aber der Gottessohn kommt nicht nur zu uns herab, sondern er bringt uns auch etwas von oben herab: Die Liebe des himmlischen Vaters nämlich. Wieder kommt es darauf an, dass wir genau hinhören und dass uns kein Wort entgeht. Jesus hat von sich gesagt: „Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm alles in seine Hand gegeben.“ Der da ganz oben schickt seinen eingeborenen Sohn zu uns, den er unbeschreiblich lieb hat. Und er gibt ihm einen großen Sack voll Liebe mit – genug, dass alle Menschen Frieden mit Gott finden können. „Stille Nach, heilige Nacht: / Gottes Sohn, o wie lacht / Lieb aus seinem göttlichen Mund, / da uns schlägt die rettende Stund, / Christ, in deiner Geburt.“
Nun gilt es, Gottes Liebe bei Jesus zu suchen und zu finden. Wie gesagt: Ihm hat der Vater alles in seine Hand gegeben, ihm und keinem anderen. Es bringt nicht viel, darüber zu philosophieren, ob die Anhänger anderer Religionen zu demselben Gott beten wie wir Christen. Es kommt aber darauf an zu erkennen, dass Weihnachten Gottes einmaliges und einzigartiges Rettungsangebot für die Welt ist. Die Juden warten auf den Messias, den das Alte Testament verheißt. Sie sollen wissen: Er ist schon da – der Davidssohn, dessen Kommen aus Bethlehem Efrata angekündigt wurde. Die Muslime glauben, dass Jesus ein großer Prophet war, auf den alle Menschen hören sollten. Die Muslime sollten daher genau auf das achten, was Jesus gesagt hat, und es dann auch glauben: „Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm alles in seine Hand gegeben.“ Und alle Menschen sollten auf Jesu Wort achten: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh. 14,6).
Der von ganz oben ist zu uns nach unten gekommen und bringt uns Gottes Liebe. Wer ihm vertraut und sich von ihm beschenken lässt, der findet Frieden mit dem Himmel und lernt zugleich, auch auf Erden nach Frieden zu trachten. Wer ihm vertraut und sich von ihm beschenken lässt, der findet aber noch mehr. Jesus sagt: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben.“ Und er meint es genauso, wie er es sagt. In dem großen Sack voller Liebesgaben, den der Heiland vom Himmel herabgebracht hat, befindet sich eine Medizin, die jede Krankheit heilt und sogar dem Tod die Macht nimmt. Diese Medizin ist nicht teuer, aber sie ist auch nicht billig: Dem Gottessohn hat sie das Leben gekostet, uns aber kostet sie nichts. Jeder, der Jesus vertraut nimmt diese Medizin, erfährt Heilung für sein friedloses Herz und lebt ewig. Und wenn unser Erdenleib einmal stirbt, dann wird der Tod in einen Schlaf umgewandelt bis hin zum Morgen der Auferstehung in Herrlichkeit. Dann wird der da ganz ob, der herabgekommen ist, uns zu sich nach oben ziehen, zur Herrlichkeit seines himmlischen Vaters – ganz nahe an sein großes, liebendes Herz. Amen.
PREDIGTKASTEN |