Liebe Brüder und Schwester in Christus!
Heute habe ich mir wieder mal ein Hilfsmittel zum Predigen mitgebracht, einen blauen Pfeil. Mit Gottes Hauptbotschaft aus unserem Predigttext kann ich euch zeigen, wie er funktioniert. Die Hauptbotschaft lautet: „Ebnet den Weg des Herrn!“ Mit dem Pfeil kann ich auf euch zeigen: Ihr seid gemeint! Und ich kann nach oben zeigen: Gott dem Herrn sollt ihr den Weg ebnen! Oder, präziser, auf das Kreuz und auf Christus: Dem kommenden Gottessohn sollt ihr den Weg ebnen! Dieser blaue Pfeil kann uns aber noch mehr lehren; das werden wir gleich sehen.
Zunächst will ich etwas weiter ausholen. Es ist allgemein bekannt, dass es beim Flughafen-Neubau in Schönefeld Probleme mit der Entrauchungsanlage gibt und dass sich der Eröffnungstermin deswegen auf Jahre verschoben hat. Was ist die Ursache? Der Ingenieur, der diese Anlage ursprünglich entwarf, ist gar kein Ingenieur. Er ist nur ein technischer Zeichner, der den Anschein erweckte, als sei er ein Ingenieur. Niemand hatte damals nachgefragt, niemand wollte sein Diplom sehen. Das war ein großer Fehler. Man hätte prüfen müssen, ob dieser Mann für solche Arbeit überhaupt qualifiziert ist und ob er eine entsprechende Lizenz hat.
Die Schriftgelehrten und Pharisäer, die vor 2000 Jahren in Jerusalem die Verantwortung für das geistliche Leben des jüdischen Volkes trugen, waren da gewissenhafter. Als sie erfuhren, dass ein gewisser Johannes, Sohn des Zacharias, in der Wüste Judäas predigte und am Fluss Jordan taufte, sahen sie Handlungsbedarf. Die Sache war ihnen nicht zuletzt deshalb wichtig, weil Johannes massenhaft Zuhörer anzog und diese begeisterte. So bildete der hohepriesterliche Rat in Jerusalem eilig eine Untersuchungskommission, die sich auf den Weg zu Johannes machte. Was dann geschah, haben wir eben in unserem Predigttext gehört.
Eigentlich hatte die Kommission nur zwei Fragen an Johannes; erstens: Wer bist du?, und zweitens: Warum taufst du? Die Delegierten sollten herausfinden, mit was für einer Bevollmächtigung beziehungsweise Lizenz Johannes sein geistliches Amt ausübte. Falls er nichts dergleichen vorzuweisen hätte, würde man ihm sein öffentliches Auftreten untersagen.
Man fragt Johannes also: „Wer bist du?“ Um sofort das größtmögliche Missverständnis auszuschließen, antwortet er: „Ich bin nicht der Christus.“ Auf keinen Fall will dieser demütige Mann mit dem Messias verwechselt werden – mit dem Erlöser, dessen Kommen Gott durch viele Propheten schon seit Jahrhunderten ankündigen ließ. Die Delegierten der Kommission haken nach und fragen weiter: „Bist du dann vielleicht der vom Himmel zurückgekehrte Prophet Elia?“ Aus dem Alten Testament ist bekannt, dass Elia lebendig in den Himmel entrückt wurde; darum rechneten viele Juden damit, dass er noch einmal wieder auf die Erde zurückkommt. Wenn Johannes diese Frage bejaht hätte, dann hätte er keineswegs gelogen, Jesus selbst hat nämlich später von ihm bezeugt: „Wenn ihr‘s annehmen wollt: Er ist Elia, der da kommen soll“ (Matth. 11,14). Aber Jesus meinte damit nicht, dass Johannes und Elia ein und dieselbe Person sind, sondern er meinte damit, dass Johannes mit derselben göttlichen Kraft und Vollmacht ausgestattet war wie Elia. So hatte es ein Engel bereits dem Zacharias verheißen, noch ehe Johannes überhaupt geboren war (Lukas 1,17). Darum antwortet Johannes ganz ehrlich und bescheiden: „Ich bin‘s nicht.“ Die Kommission bohrt weiter: „Bist du der Prophet?“ Sie meinen damit den einen besonderen Propheten, dessen Kommen bereits Mose dem Volk Israel vorhergesagt hatte mit den Worten: „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen“ (5. Mose 18,15). Johannes versichert, dass er auch nicht dieser Prophet ist, denn er weiß: Diese Verheißung meint den Messias. Noch einmal fragen die Deligierten aus Jerusalem den Johannes ganz direkt: „Wer bist du dann? Dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst?“
Da antwortet Johannes mit einem Wort des Propheten Jesaja. Es ist aber keine Ankündigung des Messias, sondern nur die Ankündigung seines Vorboten. Johannes sagt: „Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!“ Nichts anderes als ein Bote ist er, ein Wegbereiter – mehr will er auch gar nicht sein. Wir können auch sagen: Johannes will nichts anderes sein als ein Hinweispfeil auf Gott, auf Gottes kommenden Erlöser sowie auch auf die Menschen, dass sie in sich gehen und sich ernsthaft auf ihn vorbereiten sollen. Alles, was krumm läuft in ihrem Leben wegen der Sünde, soll eben werden; von allem Bösen sollen sie sich lossagen; dann kann der Herr zu ihnen kommen. Wir merken: Johannes verkündigt nichts Neues und nichts Eigenes; er weist nur auf das hin, was bereits alle Propheten vor ihm gepredigt haben. Er gleicht nicht einem Religions-Ingenieur, der gekonnt eine Entrauchungsanlage bzw. eine Weltanschauung konstruieren soll, sondern er gleicht einem Hinweispfeil, der zeigt, wo der Notausgang bzw. der Weg zum ewigen Leben ist. „Ich bin nur eine Stimme“, sagt Johannes – ein Prediger, ein Bote, ein Wegbereiter, ein Wegweiser. Fragt nicht nach dem, was ich sage, sondern konzentriert euch auf das, was Gottes Wort sagt – ich weise euch nur darauf hin.
Die Untersuchungskommission trägt nun ihre zweite Frage vor: „Warum taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist noch Elia noch der Prophet?“ Zwischen den Zeilen hören wir den Vorwurf: Du bist doch gar nicht befugt zum Taufen, du hast doch gar keine Lizenz dafür! So etwas kennt man auch heute: Da erklärt ein Christ etwas aus der Bibel, und einige fragen misstrauisch: Kann der das denn und darf der das denn; hat der denn Theologie studiert? Oder da segnet ein Christ einen Mitmenschen, und einige fragen misstrauisch: Ist das denn gültig und darf der das denn; ist er denn dazu geweiht worden? Und da wissen einige nicht, dass grundsätzlich jeder Christ taufen kann, auch wenn er kein Pastor ist, und dass er das im Notfall auch tun sollte.
Nun müssen wir allerdings beachten, dass die Johannes-Taufe etwas anderes ist als die Christus-Taufe. Die Johannes-Taufe war kein Sakrament, also kein wirkmächtiges göttliches Handeln. Johannes selbst war sich dessen bewusst und hat das der Prüfungskommission gegenüber gleich klargestellt. Er sagte: „Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. Der wird nach mir kommen, und ich bin nicht wert, dass ich seine Schuhriemen löse.“ Johannes spendete mit seinem Taufen noch nicht das Sakrament der Taufe, das aus der Kraft von Christi Tod und Auferstehung lebt und durch das der Heilige Geist über einen Menschen ausgegossen wird. Die Taufe des Johannes war schlichtes Wasser, das von dem Täufer nur als Hilfsmittel eingesetzt wurde. Johannes benutzte die Taufe sozusagen als blauen Pfeil, um deutlich zu machen: Wenn ihr euer unebenes Leben reumütig vor Gott bringt, dann wird Gott die Schuld von euch nehmen und euch so reinigen, wie Wasser den Leib reinigt. Die Kraft dazu kommt aber weder von Johannes noch vom Wasser des Jordan, sondern sie wird von Gottes Erlöser kommen, der damals schon mitten unter den Juden lebte. Johannes nennt ihn hier noch demütig „den, der nach mir kommt“, aber bald darauf macht er ihn bekannt mit den Worten: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ (Joh.1,29)
Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wir kehren zurück von unserem Ausflug in die Wüste Judäas und stellen fest: Die Lizenz Johannes des Täufers besteht nicht aus erwiesener Fachkompetenz oder aus irgendwelchen Weihezeremonien, sondern sie besteht aus dem Inhalt seiner Botschaft. Mit anderen Worten: Es kommt nicht auf den „Hinweispfeil“ des Boten an, sondern auf seine Botschaft – also auf das, worauf er hinweist. Das gilt auch heute. Die Botschaft ist dabei dieselbe geblieben: „Ebnet den Weg des Herrn!“ Also: Überlegt euch reumütig, was uneben ist in eurem Leben, sagt euch davon los und lasst den Herrn das in Ordnung bringen. Dabei haben wir heute den großen Vorteil, dass wir den Herrn Jesus Christus bereits richtig kennengelernt haben mit seiner aufopfernden Liebe am Kreuz und mit seinem strahlenden Ostersieg über die Macht des Todes. Um Christi Liebe und Christi Sieg zu bezeugen, braucht man keine Lizenz, auch kein Theologiestudium und keine Weihe zum Predigtamt. Jeder Christ darf und soll ein Hinweispfeil auf Christus sein, wie Johannes es war.
Grundsätzlich gilt das für mich als Pastor nicht anders als für euch Gemeindeglieder. Auch ich bin nicht mehr und nicht weniger als ein Hinweispfeil auf Gottes Botschaft: „Ebnet den Weg des Herrn!“ Dass ich ein Studium der evangelischen Theologie abgeschlossen habe und dass ich zum Hirtenamt der Kirche ordiniert wurde, berechtigt mich nicht dazu, irgend etwas anderes zu bezeugen, als was jeder Christ bezeugen kann, und es berechtigt mich erst recht nicht dazu, irgendwelche eigenen religiösen Gedankengebäude zu konstruieren. Der einzige Unterschied besteht darin, dass ich dieses Zeugnis öffentlich im Namen des Herrn Jesus Christus beziehungsweise seiner ganzen Kirche gebe und den Auftrag habe, auf diese Weise die Herde Gottes zu leiten. Zum Zeichen dafür stehe ich auf der Kanzel und trage ein Gewand, das mich als Diener der Kirche ausweist. Aber glauben sollt ihr meinen Worten nicht wegen der Kanzel und des Gewands, auch nicht wegen des Theologiestudiums oder der Ordination, und auch nicht abhängig davon, wie überzeugend oder sympatisch ihr mich persönlich findet. Glauben sollt ihr meinen Worten nur deswegen, weil es Gottes Worte sind und weil sie dem Zeugnis der Apostel und Propheten entsprechen. Falls ihr mal daran Zweifel habt, könnt ihr gern zu mir kommen und mich bitten, aus der Heiligen Schrift zu belegen, was ich gesagt habe. Wenn ich das nicht kann, braucht ihr mir auch nicht zu glauben. Aber wenn meine Worte der Heiligen Schrift entsprechen, dann müsst ihr ihnen glauben – so, als würde Gott persönlich sie euch sagen. Denn auch ich bin nichts anderes als ein Hinweispfeil auf Gottes Wort, der euch in seinem Namen auffordert: „Ebnet den Weg des Herrn.“ Amen.
PREDIGTKASTEN |