Johannes, ein Vorbild an Mut und Demut

Predigt über Lukas 3,15‑20 zum 3. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Man bräuchte schon Mut, um dem Bundes­präsidenten zu sagen: Herr Gauck, es ist nicht recht, dass Sie Ihre Frau verlassen haben und mit einer Frau zusammen­leben, mit der Sie nicht verheiratet sind. Wenn der Bundes­präsident ein König wäre und vor zweitausend Jahren gelebt hätte, dann hätte man allerdings noch viel mehr Mut gebraucht, um so etwas zu sagen; es hätte nämlich das das Leben kosten können.

Solchen Mut hat Johannes der Täufer bewiesen: Er kritisierte den Landes­fürsten Herodes Antipas dafür, dass er seine erste Frau verstoßen und dann seinem Bruder die Frau ausgespannt hatte. Johannes der Täufer verlor wegen dieses mutigen Wortes tatsächlich zunächst seine Freiheit und schließlich sein Leben. Um diesen Johannes geht es heute, am dritten Advents­sonntag. Johannes gehört zum Advent, weil Gott ihn zum unmittel­baren Vorboten von Jesus gemacht hat.

Warum war Johannes so mutig, warum ist er dieses Risiko ein­gegangen? Er wollte Herodes mit seinen Worten keineswegs provozieren oder ärgern, im Gegenteil: Er wollte ihn vor dem Schlimmsten warnen, das ihm zustoßen konnte: vor Gottes Straf­gericht nämlich. Johannes wusste ja Bescheid über den kommenden Richter. Er sagte von ihm: „In seiner Hand ist die Worf­schaufel, und er wird seine Tenne fegen und wird den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit un­auslösch­lichem Feuer ver­brennen.“

Nun kennen wir uns ja heute mit Tennen und Worf­schaufeln nicht so gut aus, darum muss ich das erklären. Stell dir vor, du nimmst ein Gemisch von Kies und Konfetti auf eine Schaufel, und dann wirfst du es bei Wind in die Luft. Was passiert? Der Kies fällt wieder auf die Schaufel zurück, während die Konfetti weggepustet werden. Auf diese Weise kann man mithilfe einer Schaufel Konfetti von Kies trennen – oder eben auch Weizen­körner von zer­stückelten Ähren­hülsen, der sogenannten Spreu. Das hat man in biblischen Zeiten auf der Tenne tatsächlich so gemacht. Eine Tenne war ein Dreschplatz mit hartem Boden, wo Rinder die geernteten Kornähren zer­trampelten und wo dann geworfelt wurde.

Johannes der Täufer wollte mit dem Bild von der Worf­schaufel sagen: Der Richter wird kommen und das bunte Menschen­gemisch unserer Welt fein säuberlich sortieren, so wie ein Bauer die Spreu vom Weizen trennt, oder auch so wie ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet. Deshalb rief Johannes die Menschen seiner Zeit mit allem Nachdruck zur Umkehr auf, zur Buße. Er tat es ohne Ansehen der Person und ließ dabei auch die „hohen Tiere“ nicht aus, sogar seinen König Herodes nicht.

Ja, Johannes hatte Mut. Aber er hatte auch Demut. Dass die Leute ihn für seinen Mut bewunderten und als Bußprediger wie einen Popstar verehrten, stieg im nicht zu Kopf. Darum widersprach er heftig, als das Gerücht aufkam, er sei möglicherweise der lang ersehnte Messias. Nein, das bin ich nicht!, wehrte er ab. Ich bin ja nicht mal würdig genug, dem Messias beim Sandalen-Ausziehen zu helfen. Und wenn ich taufe, dann ist das gar keine richtige Gottes­taufe, sondern nur eine Ver­anschau­lichung für meine Predigt: So, wie das Wasser den äußeren Schmutz abwäscht, so wäscht Gott den Sünden­schmutz ab von allen, die Buße tun. Johannes sagte: „Ich taufe euch mit Wasser“, und es hört sich so an, als sagte er: Ich koche doch auch bloß mit Wasser. Und dann fuhr er fort: „Es kommt aber einer, der ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse; der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.“

Demütig wies Johannes allen Ruhm zurück und wies stattdessen auf den kommenden Messias hin: auf Jesus von Nazareth, der schon drauf und dran war, öffentlich in Erscheinung zu treten. Das war, wie gesagt, die Haupt­aufgabe von Johannes: als unmittel­barer Vorbote darauf hinweisen, dass Jesus von Nazareth der von Gott vesprochene Erlöser ist.

Wir wissen, wie es weiterging: Bald war Jesus bekannter als Johannes. Er predigte gewaltig. Er heilte Kranke und tat andere Wunder. Er litt und starb am Kreuz. Er kam zurück und von Toten und beauftragte seine Jünger, Menschen aus allen Völkern zu seinen Jüngern zu machen. Dann fuhr er gen Himmel. Ja, und dann erfüllte sich das, was Johannes der Täufer von ihm angekündigt hatte: Er taufte mit dem Heiligen Geist und mit Feuer. Das ist zu Pfingsten geschehen. Da erschien der Heilige Geist in Form von Feuer­flammen über den Köpfen der ersten Jünger, und sie begannen zu predigen. Tausende hörten zu, verstanden, sagten sich von ihren Sünden los, ließen sich taufen und empfingen ebenfalls den Heiligen Geist. Damit begann eine Ketten­reaktion, die sich über die ganze Welt ausbreitete und bis heute nicht aufgehört hat. Auch wir gehören dazu; auch wir sind getauft und haben den Heiligen Geist empfangen.

Denn anders als bei der Johannes-Taufe wird bei der Christus-Taufe nicht nur mit Wasser gekocht. Zwar gehört das Wasser un­verzicht­bar dazu, aber in Verbindung mit Gottes Wort bleibt es nicht schlichtes Wasser, sondern wird zu einem wirk­mächtigen Wasser des Lebens, zu einem Bad, das sterbliche Sünder zu neu geborenen Gottes­kindern macht und sie ewig leben lässt. Ja, es ist so, wie Johannes es prophezeit hat: Der Messias tauft nicht einfach nur mit Wasser, sondern mit dem Heiligen Geist und mit Feuer. Mit anderen Worten: Das Wasser unserer christ­lichen Taufe ist vom Feuer des Heiligen Geistes durch­drungen.

Was bedeutet das für uns? Es bedeutet so ungeheuer viel, dass man das gar nicht in einer einzigen Predigt erklären kann. Es bedeutet so ungeheuer viel, dass man Sonntag für Sonntag Gottes Wort hören muss, um eine ungefähre Ahnung davon zu bekommen. Darum möchte ich mich jetzt auf zwei Dinge be­schränken: Mut und Demut. Es sind eben die beiden Dinge, die wir von Johannes dem Täufer aus diesem Bibelwort lernen können.

Haben wir also den Mut, Gottes Wahrheit weiter­zusagen. Haben wir den Mut, es auch dann zu tun, wenn keiner diese Wahrheit hören will. Oder wenn man uns deswegen auslacht und verachtet. Oder wenn es uns Nachteile bringt. Oder wenn es uns sogar in Gefahr bringen sollte, so wie den Johannes damals. Gottes Geist ist ein Geist der offenbaren Wahrheit, und mit diesem Geist sind wir getauft. Die Welt muss erfahren, wo sie sich auf dem Holzweg befindet, und wer sollte es ihr sagen wenn nicht wir Christen? Die Welt muss zur Umkehr gerufen werden, und wer sollte das tun wenn nicht wir Christen? Vor allem aber soll die Welt erfahren, wer sie erlöst hat und wer ewiges Leben schenken kann: Jesus Christus, der gott­gesandte Erlöser.

Haben wir aber auch Demut: Bilden wir uns nichts darauf ein, dass wir Christen sind. Wir sind anderen Menschen deswegen nicht überlegen. Es wäre falsch, wenn wir uns auf unser Christsein etwas einbildeten und gering­schätzig auf andere herabsähen, die keine Christen sind. Nehmen wir uns Johannes zum Vorbild, oder besser noch Jesus selbst, der, obwohl er doch der Herr aller Herren ist, demütig auf Erden lebte und auch den größten Sündern mit Liebe und Wert­schätzung begegnete. Mit Liebe und Wert­schätzung – freilich auch mit dem Zeugnis von Gottes Wahrheit und mit dem Ruf zur Umkehr.

Mutig und demütig, so sollen wir leben. Sagen wir aber nicht leicht­fertig: Klar doch, das kann ich, das ist kein Problem! Wir wären dann nämlich so hochmütig anzunehmen, das wir in uns selbst die Kraft dazu finden. Sagen wir aber auch nicht resigniert: Das kann ich nicht, das ist viel zu schwierig! Wir würden dann nämlich Gott in unserm Leben nichts zutrauen. Denken wir lieber daran, dass wir mit Wasser und dem Feuer des Heiligen Geistes getauft sind, und beten wir darum, dass dieser Geist sich immer wieder neu bei uns auswirkt. Von uns aus können wir nichts, aber mit Christus können wir alles. Lernen wir so zu denken wie Paulus, der sagte: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht“ (Phil. 4,13). Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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