Über den Glauben Rechenschaft geben

Predigt über Apostelgeschichte 17,22‑34 zum Sonntag Jubilate

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Da fragt dich einer: Bist du ein Christ? Du antwortest: Ja. Dieser Mensch, der selbst keine Ahnung vom christ­lichen Glauben hat, fragt weiter: Dann glaubst du also an Gott? Wieder antwortest du: Ja. Da will der Mensch wissen: Wer ist denn Gott, und was glaubst du von ihm? Jeder rechte Christ freut sich über so eine Gelegen­heit, Rechen­schaft zu geben über seinen Glauben. Wer es allerdings wirklich schon einmal versucht hat, der merkt: Es ist gar nicht so einfach, einem Ahnungs­losen die Grundzüge des Glaubens ver­ständ­lich zu machen. Der Apostel Paulus war als Missionar oft in dieser Situation gewesen. Ganz berühmt ist seine Antwort, die er den Heiden von Athen gab; wir haben sie eben als Predigtext gehört. Einige gebildete Athener hatten Paulus auf den sogenannten Areopag geführt, einen Platz für öffentliche Anhörungen. Dort sollte er ihnen Rechen­schaft geben über seinen Glauben. Von der Rede, die Paulus da hielt, können wir eine Menge darüber lernen, wie man ahnungs­losen Leuten das Wichtigste vom christ­lichen Glauben vermittelt.

Erste Beobachtung: Paulus stellt sich auf seine Zuhörer ein. Seine Devise war: den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche werden, um sie alle für Christus zu gewinnen. Auf dem Areopag wurde er also den Griechen ein Grieche. Zunächst lobte er diese Heiden, lobte sie für ihre Frömmig­keit. Er sagte: „Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt.“ Es hätte ja auch keinen Zweck, die Heiden wegen ihres Heidentums zu be­schimpfen, denn sie haben den wahren Gott überhaupt noch nicht kennen­gelernt. Ebensowenig dürfen wir den sogenannten „Neuheiden“ unserer Zeit eine Vorwurf daraus machen, dass sie keine Christen sind. Wir müssen vielmehr anerkennen, dass ja schon viel erreicht ist, wenn sie sich überhaupt für religiöse Fragen interes­sieren. Paulus knüpfte also bei der Frömmigkeit der Athener an. Und er knüpfte zugleich an etwas an, was ihnen vertraut war: der Altar für den unbekannten Gott, der damals in Athen stand. Wahr­schein­lich hatte ihn mal ein reicher Athener gestiftet als kleine Rück­versiche­rung, falls er unter den vielen griechi­schen Götzen eine Gottheit übersehen hatte, damit die ihm nicht böse sein soll. Paulus verzichtete nun aber darauf, solche aber­gläubischen Motive zu kommen­tieren, und kam gleich zur Sache. Er sagte: „Nun verkündige ich, was ihr unwissend verehrt.“ Er erzählte den Athenern von dem einen wahren Gott, dem Schöpfer aller Dinge. Dabei knüpfte er erneut an die griechische Kultur an. Vom Dichter Aratus zitierte er den Satz: „Wir sind seines Geschlechts.“ Wie fast alle Menschen hatte auch dieser heidnische Philosoph eine Ahnung davon gehabt, dass es den einen ewigen Schöpfer­gott gibt; daran konnte Paulus wunderbar anknüpfen.

Damit sind wir schon bei der zweiten Beobachtung: Paulus bezeugte Gott als Schöpfer. Das ist immer ein gutes Fundament für das christliche Zeugnis. Dieses Wissen ist ja auch in anderen Religionen vorhanden sowie auch bei vielen Menschen, die sich gar keiner besonderen Religion zugehörig fühlen: dass nämlich unsere wunderbare Welt nicht von allein entstanden sein kann, sondern dass ein genialer Geist sie gestaltet haben muss. Sei es die Statik eines Getreide­halms, sei es das biologische Navigations­system von Zugvögeln, sei es die optimale Kon­struktion des mensch­lichen Auges, sei es das fein austarierte Gleich­gewicht von Öko­systemen: All das zeugt von einem großen Kon­strukteur, ja, von einem all­mächtigen Schöpfer. Er hat die unbelebte Schöpfung gemacht, dazu alle Pflanzen, dazu alle Tiere und schließlich auch die Menschen – ausgehend von einem einzigen, dem Adam. Lange haben Wissen­schaftler diese biblische Anschauung als naiv abgetan, aber heute sind die Genforscher davon überzeugt, dass tatsächlich alle Menschen auf einen einzigen Stammvater zurück­gehen, dem sogenannten „ge­netischen Adam“.

Dritte Beobachtung: Der Schöpfer­gott kümmert sich auch jetzt noch um seine Schöpfung; er ist ständig aktiv und lenkt die Welt­geschichte. Der Schöpfer ist kein Handwerker, der sein Werkstück, sobald es fertig­gestellt ist, an andere abgibt und sich dann nicht mehr darum kümmert. Paulus bezeugte: „Er hat aus einem Menschen das ganze Menschen­geschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat fest­gesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen.“ Das ist heute freilich schwer zu vermitteln. Die meisten Leute sind heute der Über­zeugung, dass der Mensch selbst sein Geschick in der Hand hält und seine Zukunft gestalten kann – sei es zum Besseren oder zum Schlech­teren. Und er tut es ja auch – leider oft zum Schlech­teren. Davon unbeschadet ist aber die Tatsache, dass Gott alles in seiner Hand hält und kein Mensch einen größeren Macht­spielraum hat, als Gott ihm zubilligt. Bei Nebu­kad­nezar war es so gewesen, bei Cäser, bei Nero und bei Hitler: Sie haben ein Zeit lang große Macht ausgeübt; aber zu einer bestimmten Zeit hat Gott ihnen ihre Grenzen gezeigt. Wenn Gott Grenzen setzt, dann gelten die. Das können wir freilich einem Ungläubigen nicht beweisen, wir können es nur mit der Bibel bezeugen. Auch der kluge Paulus konnte den klugen Athenern den einen wahren und lebendigen Gott letztlich nur bezeugen und ver­kündigen. Mehr erwartet Gott auch von uns nicht. Wir sind einfach aufgerufen, seine Zeugen zu sein, nicht seine Anwälte oder Erklärer.

Vierte Beobachtung: Glaube ist mehr als Wissen von Gott. Das muss man dem modernen Menschen deutlich sagen, wenn man mit ihm über den Glauben spricht. Das bloße Für-wahr-Halten, dass es da einen Gott gibt, hilft keinem Menschen etwas, und auch Gott nützt es nichts. Sogar der Teufel weiß, dass es Gott gibt und wie mächtig er ist, aber dieses Wissen ist etwas ganz anderes als der christliche Glaube. Da hatten die alten Heiden doch mehr Erkenntnis: Sie verehrten die Götter, von denen sie annahmen, dass es sie gibt. Sie beteten zu ihnen und brachten ihnen Opfer dar. Sie versuchten, so zu leben, dass es den Göttern gefällt. Wir merken: Paulus lag nicht falsch, als er ihre Frömmigkeit lobte. Und doch war auch diese Frömmigkeit etwas ganz anderes als der christliche Glaube. Noch heute ist jede Art solcher Religiosi­tät etwas ganz anderes als der christliche Glaube. Wer meint, Gott hätte etwas davon, dass man ihm dient, und man könne sich so seinen Segen erkaufen, der ist auf einem falschen Weg. Paulus bezeugte den Athenern: „Gott wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. Auch lässt er sich nicht von Menschen­händen dienen wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt.“ Gott will nicht Opfer und Dienst­leistung von uns Menschen, sondern er möchte eine liebevolle Beziehung zu uns haben. Er möchte, dass wir seine Nähe suchen, ihn kennen­lernen, ihm vertrauen und im Einklang mit seinem Willen leben. Paulus bezeugte, dass die Menschen „Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten, und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jedem unter uns.“ Schon die Propheten des Alten Testaments riefen dazu auf, Gott zu suchen, und verhießen, dass er sich dann auch finden lässt. Das ist die wichtigste Voraus­setzung und Grund­haltung aller Christen: Dass sie Gott suchen, dass sie sich nach seiner Nähe sehnen, und nach Gemein­schaft mit ihm.

Nun kommt als fünfte Beobachtung das Ent­scheidende, das Einzig­artige: Nicht die Menschen sollen Gott etwas geben, sondern Gott gibt den Menschen etwas – etwas ganz Besonderes, nämlich sich selbst! Er gibt sich in seinem Mensch gewordenen Sohn Jesus Christus. Jesus hat selbst gesagt: „Der Menschen­sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele“ (Markus 9,45). Und: Gott ist nicht fern von jedem von uns, sondern kommt denen, die ihn suchen, ganz nah in seinem Sohn. Alle, die Gott suchen, können ihn in Jesus finden. Der christliche Glaube ist kein geistiger Kraftakt, sich einzureden, dass es Gott gibt, und auch kein religiöser Kraftakt, dass man ihn mit allerhand frommen Gaben und Taten bei Laune hält. Christ­licher Glaube heißt nichts anderes, als Gott da zu suchen und zu finden, wo er gesucht und gefunden sein will: nämlich in Jesus Christus, der für die Sünden der Welt am Kreuz gestorben und am dritten Tage wieder auf­erstanden ist von den Toten. So mündet denn das Glaubens­zeugnis des Paulus auch folge­richtig in einem Christus-Zeugnis: „Gott gebietet den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun. Denn er hat einen Tag fest­gesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtig­keit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.“ Buße tun heißt nichts anderes, als seine eigen­mächtigen Wege zu verlassen und Gottes Wege zu suchen – und diese Wege dann auch zu finden im auf­erstandenen Jesus Christus, der am Ende der Zeit wieder­kommen wird zum Gericht. Ja, auch das darf bei einem grund­legenden Glaubens­zeugnis nicht fehlen: die Erwartung der Auf­erstehung aller Toten und das Gericht, selbst wenn das viele Zeit­genossen befremdet. Aber nur so, nur im Horizont von Gottes Gericht, ist es überhaupt sinnvoll, von Ver­antwortung zu reden: Alle Menschen müssen dem Herrn einmal Rede und Antwort stehen für ihr Verhalten – wenn Christus wiederkommt zu Gericht. Diejenigen aber, die seiner Liebe und seinem Opfer vertrauen, haben schon jetzt die Gewissheit, dass sie dann frei­gesprochen werden, denn der Richter ist zugleich derjenige, der ihre Strafe stell­vertretend für sie abgebüßt hat.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, dies sind die ent­scheidenden Punkte beim Glaubens­zeugnis gegenüber Außen­stehenden, wie wir sie von der Arepoag-Rede des Paulus lernen können: das Eingehen auf die Gesprächs­partner, das Bezeugen von Gott als Schöpfer und Herrn der Welt, der Aufruf zum Gott-Suchen sowie das Zeugnis von Christus als demjenigen, mit dem wir Gott finden und ein gnädiges Urteil im letzten Gerich erhoffen können. Auch wenn vielen modernen Menschen das unglaublich und weltfremd klingt, sollten wir uns nicht beirren lassen. Noch einmal: Wir sind Gottes Zeugen, nicht Gottes Anwälte! Auch Paulus hatte damals auf dem Areopag recht wenig Erfolg, denn den klugen Athenern war die Vorstellung lächerlich, dass Tote wieder auf­erstehen. Immerhin fanden ein paar von ihnen zum Glauben – und deretwegen hat sich das Zeugnis des Paulus gelohnt. Gebe Gott, dass wir den Mut haben, auch so ein Zeugnis vom christ­lichen Glauben abzulegen, und gebe Gott, dass es sich auch lohnt – wenigstens bei einigen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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