Ab und auf

Predigt über Philipper 2,5‑11 zum Sonntag Palmarum

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Viele Menschen können nach­empfinden, was Klärchen in Goethes Trauerspiel „Egmont“ äußerte: „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.“ Ja, auf und ab geht es auf der Achterbahn der Gefühle. Aber nicht nur unsere Stimmungen sind Schwan­kungen ausgesetzt, sondern das gesamte Leben lässt sich als eine Abfolge von Hochs und Tiefs be­schreiben. Das gilt sogar für ganze Völker: Bedenkt nur, welche Achterbahn­fahrt das deutsche Volk in den letzten hundert Jahren hinter sich hat. Das Auf und Ab des Lebens ist etwas typisch Mensch­liches. Gott ist ihm nicht unter­worfen; Gott ist beständig oben, der Höchste und der Ewige. Eigentlich müsste ich sagen: Gott bräuchte dem Auf und Ab des Lebens nicht unterworfen zu sein. Denn er hat sich ja trotzdem der mensch­lichen Achterbahn­fahrt unterzogen, als er seinen ein­geborenen Sohn in die Welt sandte. Genau genommen war das kein Auf und Ab, sondern ein Ab und Auf: Erst er­niederig­te sich der Gottessohn, dann wurde er erhöht. Freiwillig hat er sich diesem menschlich-zeitlichen Schicksal unter­worfen, um uns zu erlösen.

Von diesem Ab und Auf des Herrn Jesus Christus hat der Apostel Paulus Zeugnis gegeben. Er tat es mit diesen wunderbaren Hymnus im Philipper­briefs, der als Christus-Psalm bekannt geworden ist. Da heißt es: „Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechts­gestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.“ Jesus hat es nicht so gemacht wie ein Raubtier, das seine Beute fest­klammert und um keinen Preis wieder loslässt: Er hat sein Hoch-Sein im Himmel nicht wie einen Raub fest­geklammert, sondern die Himmels­freuden willig aufgegeben, um unser Menschen­bruder zu werden. Er unterwarf sich allen Höhen und Tiefen eines Menschen­lebens – mit der einen Ausnahme, dass er der Versuchung zur Sünde niemals nachgab. Auch starke Stimmungs­schwankun­gen blieben ihm nicht fremd; er kannte beides: himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt sein. Übrigens hat Goethe den zweiten Teil dieses berühmten Ausspruchs nicht selbst erdacht, sondern er hat ihn in der Bibel gefunden. Da heißt es nämlich von keinem anderen als vom Gottessohn Jesus Christus selbst: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod“ (Matth. 26,38). Im Garten Gethsemane sprach er so, in der Nacht vor seinem Kreuzestod. Das führt uns zur tiefsten Stufe von Christi Er­niedrigung. Im Christus-Psalm heißt es: „Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.“ Der Tod wäre er ihm erspart geblieben, wenn er sich nicht auf das Menschsein eingelassen hätte. Um aber wirklich in die tiefste Tiefe zu gehen, in die ein Mensch je geraten kann, ließ er sich auf den denkbar schänd­lichsten und qual­vollsten Tod ein: die Hinrichtung am Kreuz, am Galgen der Antike. Soweit die Abwärts-Bewegung, die Er­niedri­gung des Herrn, als Sühne für unsere Sünden.

Danach folgte die große Aufwärts-Bewegung, die Erhöhung. Der Christus-Psalm beschreibt diese Wende so: „Darum hat ihn auch Gott erhöht…“ Der Vater hat ihn nicht nur auferweckt von den Toten, sondern er hat ihn auf den denkbar höchsten Platz gesetzt: auf den Thron zu seiner Rechten. Damit ist Jesus der höchste Machthaber im Himmel und auf Erden, der höchste Machthaber überhaupt. Was für ein Aufstieg, was für eine Erhöhung: vom qualvollen Verbrecher­tod am Kreuz hin zum höchsten Königs­thron! Der Christus-Psalm formuliert das so: „Gott hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist.“ Mit „Name“ ist hier ein Ehrentitel gemeint, so wie es redens­artlich heißt: „alles, was Rang und Namen hat.“ Es ist nicht der Name Jesus, sondern es ist Gottes Name Jahwe, der manchmal irrtümlich auch Jehovah genannt wird. Aus Ehrfurcht vor diesem aller­höchsten Namen haben die Gläubigen es sich angewöhnt, ihn nicht direkt aus­zusprechen, sondern ihn mit dem Begriff „der Herr“ zu um­schreiben. Darum heißt es schließlich im Christus-Psalm, dass sich in dem Namen, den Jesus bekommen hat, „beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ Ja, Jesus ist Jahwe, der eine Gott, der Ewige und Allmächtige und Höchste, eben der Herr. Er ist der Herr nicht nur aller Gläubigen und nicht nur aller Lebendigen, sondern er ist ist der Herr über alle und alles: über die Engel, die im Himmel sind, über Gläubige und Ungläubige auf Erden sowie auch über alle bereits Ver­storbenen, die „unter der Erde“ sind. Wer sich ihm nicht freiwillig und vertrauens­voll unterwirft, der wird eines Tages vor ihm ge­zwungener­maßen auf die Knie gehen müssen, nämlich wenn Christus wieder­kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten.

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – so schwankend sind wir Menschen. Wie gehen wir richtig damit um? Nur so, dass wir uns in jeder Lage auf das Ab und das Auf Christi besinnen sowie auf sein Herr-Sein. Wenn wir himmelhoch jauchzend sind, dann lasst uns dabei nicht hochmütig werden, sondern uns demütig dem Herrn unter­ordnen, wie Paulus in der Einleitung zum Christus-Psalm schreibt: „Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemein­schaft in Christus Jesus ent­spricht.“ Und wenn wir zu Tode betrübt sind, dann lasst uns darauf besinnen, dass Christus einmal für uns zu Tode betrübt war und wirklich den Tod aufs Bitterste geschmeckt hat. Er tat es, damit uns die tiefste Tiefe erspart bleibt, nämlich der ewige Tod, und damit wir mit ihm mit-erhöht werden zur ewigen Seligkeit. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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