Als Heilige unterwegs

Predigt über 1. Petrus 1,13‑21 zum Sonntag Okuli

Liebe Brüder und Schwester in Christus!

Hier in der Nähe gibt es einen sogenannten Friedwald. Wer nicht auf einem Friedhof bestattet werden möchte, sondern im Wald, der kann sich dort schon zu Lebzeiten einen Baum aussuchen, an dessen Wurzel einmal seine Asche vergraben werden soll. Manche Leute verbinden damit die Vor­stellung, dass sie dann ganz in die Natur aufgehen. Was den Leib betrifft, kann man das so sehen. Gott sagte ja einst zu Adam: „Du bist Erde und sollst zu Erde werden“ (1. Mose 3,19). Aber wir sollten weiter blicken. Wir haben nicht nur einen materiellen Leib, der zu Erde zerfällt, sondern wir haben vor allem eine Seele. Die wird sich nicht in der Natur ver­flüchtigen, sondern mit einem erneuerten Leib auferstehen und sich vor Gottes Gericht ver­antworten müssen. Vor allem darauf sollten wir uns einstellen, wenn wir über unseren Tod hinaus in die Zukunft blicken. Wir können es tun mit der Zuversicht, dass Christus uns dann zur ewigen Seligkeit führen wird, zum Ziel unserer Lebens­reise. Ja, auf dieses Ziel sollten wir uns ganz und gar einstellen.

In diesem Sinne hat auch der Apostel Petrus unser Leben hier in dieser Welt als eine Reise angesehen. Er nennt das Christen­leben eine Wanderung; Luther übersetzte „Wandel“. Wer auf Reisen ist, der befindet sich nicht in seiner Heimat, sondern in der Fremde. Petrus hat die Welt „Fremde“ genannt, also ein Land, wo wir uns nur gastweise und vorüber­gehend aufhalten. Zwar beansprucht diese Reise als solche mit all ihren Freuden und Problemen große Auf­merksam­keit. Dennoch sollen wir niemals vergessen, dass wir zu einem Ziel unterwegs sind: Gottes großem Ziel, der wunderbaren Heimat bei unserem himmlischen Vater. Lassen wir uns nicht verführen: Nicht der Weg ist das Ziel, sondern der Himmel ist das Ziel.

Wer in der Fremde reist, tut gut daran sich zu in­formieren, was denn für die Reise nützlich und wichtig ist. Er möchte ja keine unliebsamen Über­raschungen erleben, er möchte sich auch nicht verirren und womöglich das Ziel verfehlen. Der Apostel Petrus gibt uns Welt-reisenden Christen in seinem Brief solche In­formatio­nen.

Da lesen wir zuerst: „Umgürtet die Lenden eures Gemüts.“ Wer damals einen Fußmarsch vor sich hatte, band sein langes Obergewand mit einem Gürtel über der Hüfte beziehungs­weise den „Lenden“ hoch, damit er nicht darüber stolperte bei seinem „Wandel“. Das gilt im über­tragenen Sinn für unser Christen­leben, für die „Lenden des Gemüts“, also gewisser­maßen für die seelische Hüfte. Das lange Obergewand sind die Gedanken, die wir uns machen. Das ist grund­sätzlich gut, denn niemand sollte sich gedankenlos durchs Leben treiben lassen. Aber unsere Gedanken können leicht ein Eigenleben entwickeln, sodass sie uns um die Füße baumeln wie ein langer Mantel, und dann stolpern wir. Manche sind mit ihren Gedanken ganz auf persön­lichen Erfolg aus­gerichtet, oder aufs Geld­verdienen. Andere flüchten sich in eine Traumwelt schöner Gedanken; die wirken dann fast wie Drogen. Andere kommen nicht los von proble­matischen Gedanken, von Ängsten und Be­fürchtungen. Wieder andere sind nachtragend und kommen nicht darüber hinweg, dass einige sie enttäuscht und verletzt haben; sie sind voller Hass und Groll. Da rät uns Petrus, da rät uns Gottes Wort: „Umgürtet die Lenden eures Gemüts.“ Lasst die Gedanken nicht zu lang herunter­hängen, lasst sie kein Eigenleben entwickeln, verliert nicht die Kontrolle über sie! Sagt vielmehr recht­zeitig: Schluss jetzt mit solchen Gedanken, die doch nur in unnütze Grübeleien ausarten! Ich bin ja nicht auf der Welt, um mir mein Gehirn zu zermartern, sondern ich will bei meiner Lebensreise gut voran­kommen. Das geht am besten, wenn unser Geist aufs Ziel aus­gerichtet ist, auf den Himmel. Alle Dinge der Welt, auch unsere weltlichen Gedanken, sind ja sowieso nur vorläufiger Natur und Stückwerk.

Bei diesem seelischen Lenden-Umgürten hilft es, sich immer wieder klar zu machen: Gott meint es gut mit mir; er ist gnädig und barmherzig. Selbst wenn er mich mal hart herannimmt im Leben, wenn er mir Krankheiten oder Schicksalsschläge zumutet, ist das kein Grund, an seiner Liebe zu zweifeln. Petrus rät daher: „Setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi.“ Was wir von Jesus wissen, das schenkt uns die Gewissheit: Gott ist und bleibt uns gnädig, unverdient gnädig. Auf ihn können und sollen wir uns verlassen.

Freilich dürfen wir die Gnade Gottes nicht miss­verstehen als einen Freibrief zum Sündigen. Immer wieder machen Menschen diesen Fehler und sagen: Wenn mir Gott durch Jesus die Sünden vergibt, dann kann Sünde ja nichts Schlimmes mehr sein. Doch, sie ist und bleibt immer noch etwas Schlimmes: Wir machen mit ihr nicht nur Gott traurig, sondern wir schaden uns auch selbst damit sowie unsern Mit­menschen. Wer bei seiner Lebensreise nicht sorgsam die Sünde zu meiden versucht, der gerät auf lästige Um- und Abwege. Dabei kann es dann passieren, dass er das wunderbare Ziel aus dem Blick verliert. Petrus warnt: „Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, denen ihr früher in der Zeit eurer Un­wissen­heit dientet; sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel.“ Und dann zitiert Petrus aus dem Alten Testament, aus dem sogenannten Heiligkeits­gesetz, wo Gott zu seinem Volk sagt: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.“

Nun ist es ja so: Als Volk des neuen Bundes wissen wir, dass unsere Heiligkeit nicht von unserm eigenen Verhalten abhängt, sondern von Gottes Handeln in Jesus Christus. So wie ein barm­herziger reicher Mann in der Antike einen Sklaven freikaufen konnte aus der Gewalt eines Leute­schinders, so hat Jesus uns aus der Gewalt des Teufels frei­gekauft. Freilich musste er damit viel teurer bezahlen als der barmherzige Reiche. Petrus erinnert uns daran: „Ihr wisst, dass ihr nicht mit ver­gänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines un­schuldigen und un­befleckten Lammes.“ Wer an Jesus glaubt und getauft ist, der ist damit heilig geworden; Jesus hat ihn zu einem Heiligen gemacht. „Heilig“ bedeutet nichts anderes als zu Gott gehörig. Gott ist heilig, und darum ist sein Volk auch heilig. Nun sollen wir aber auch ent­sprechend leben. Gott selbst ist heilig und hat uns heilig gemacht; nun sollen wir uns wie Heilige benehmen; alles andere passt nicht mehr zu uns. Hört noch einmal Gottes Kernsatz aus dem Alten Testament: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.“ Auf diesen Satz folgen dann eine ganze Menge Gebote, die mit den Zehn Geboten eng verwandt sind. Wenn wir auf die Zehn Gebote hören, wenn wir sie sorgfältig bedenken und unser Leben danach ausrichten, dann werden wir so leben, wie wir eigentlich sind und wie Gott ist: heilig. Mit allem Ernst und aller Gottes­furcht wollen wir uns darum bemühen. Dabei hilft die Vor­stellung, dass am Ende unserer Lebensreise Gott nicht nur als liebevoller Vater auf uns wartet, sondern auch als Richter, vor dem wir Rechen­schaft geben müssen über unser Leben. Ver­antwort­lich leben heißt ja letztlich: So leben, dass wir Gott Antwort geben können, wenn er uns nach unserm Leben fragt. Petrus hat daher ge­schrieben: „Da ihr den Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben, solange ihr hier in der Fremde weilt, in Gottes­furcht.“

Das Wort „Fremde“ sagt dabei noch mehr als die Tatsache, dass wir uns nur befristet auf diesem Globus aufhalten. Es bedeutet auch, dass unser Heilig-Sein all diejenigen befremdet, die Gott nicht kennen oder die ihn nicht kennen wollen. Die Zeiten des christ­lichen Abend­landes, in denen ein christ­licher Lebens­wandel das Übliche war, sind mittler­weile vorbei – wenn es sie denn je wirklich gegeben haben sollte. Wir befinden uns heute in derselben Situation wie einst Petrus: Wenn wir heilig leben, befremdet das die anderen; und was den anderen wichtig ist, das befremdet oftmals uns. Dass Christen sich jede Woche treffen und gemeinsam Loblieder singen, finden viele be­fremd­lich. Oder dass bei uns nicht die Devise gilt: Jeder ist sich selbst der Nächste, sondern vielmehr: Der Nächste ist der Nächste. Oder dass wir in Fragen von Partner­schaft und Familie Gottes Wort höher achten als den Zeitgeist und überzeugt sind: Eine Ehe besteht aus Mann und Frau, die in guten wie in schlechten Zeiten zusammen­halten bis an ihr Lebensende; die Frau achtet den Mann als Haupt, und der Mann liebt die Frau mit so großer Opfer­bereit­schaft, wie Jesus es vorgelebt hat. Ja, das wirkt in der heutigen Zeit alles recht fremd – und doch entspricht es Gottes zeitlos gültigem Willen, es ist heilig und gut.

So finden wir also hier und in der ganzen Heiligen Schrift guten Rat für unsere Lebens­reise, damit wir sie ohne zu stolpern, ohne Um- und Abwege in der Fremde dieser Welt fortführen können. Wenn wir Gott treu bleiben und seinen Rat höher schätzen als jede Menschen­meinung, dann können wir unsern Weg selbst­bewusst und froh fortsetzen. Dabei wissen wir, dass wir nicht auf uns allein gestellt sind, sondern dass wir in Wahrheit geführt und getragen werden durch Gottes Gnade, die uns in Christus erschienen ist. Wir wissen: Unsere Lebensreise ist ja nur ein kleiner Abschnitt auf dem langen Weg von Gottes Geschichte mit dieser Welt, angefangen von der Schöpfung bis hin zum Jüngsten Tag. Anfang, Mitte und Ziel dieses Weges aber ist unser Herr Jesus Christus, der uns erlöst und dafür teuer bezahlt hat. Dies niemals zu vergessen ist der wichtigste Rat für unsere Lebens­reise. Darum hat Petrus am Ende des Abschnitts ge­schrieben: „Er ist zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt wurde, aber offenbart am Ende der Zeiten um euret­willen, die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn auferweckt hat von den Toten und ihm die Herrlich­keit gegeben, damit ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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