Geprüfte Qualität

Predigt über 2. Korinther 13,3‑6 zum Sonntag Reminiszere

Liebe Brüder Schwestern in Christus!

Kann man das Wasser, das aus einem verrosteten Rohr rinnt, bedenkenlos trinken? Ist es reines Quell­wasser, oder ist es mit Keimen und Chemikalien verseucht? Gewissheit bringt da nur eine Prüfung. Ein Labor kann das Wasser prüfen und ein Gutachten ausstellen: Ja, es ist gutes, sauberes Trink­wasser. Der Labortest führt zum Gütesiegel „geprüfte Qualität“. Natürlich bedeutet das nicht, dass Wasser aus dieser Quelle immer rein bleibt; es kann später durch allerlei Einflüsse wieder ver­unreinigt werden. Grund­sätzlich aber zeigt der Labortest: Die Quelle ist gut, sonst könnte nicht solches Wasser aus ihr fließen.

Kann man der gedruckten Nachricht vertrauen, auch wenn sie auf billigem Zeitungs­papier steht? Oder hat sich der Verfasser geirrt, oder will er uns gar bewusst in die Irre führen? Auch in diesem Fall bringt eine Prüfung Gewissheit. In der journa­listischen Fachsprache nennt man solches Nachprüfen, ob eine Meldung stimmt, recher­chieren. Wenn ein gewissen­hafter Zeitungs­redakteur nicht sicher ist, ob er sich auf eine Nachrichten-Quelle verlassen kann, dann recher­chiert er in anderen Quellen über denselben Sach­verhalt. Erst wenn er die Gewissheit hat, dass die Sache stimmt, wird er sie ver­öffent­lichen. Freilich kann er damit nicht verhindern, dass sein Text von einigen Lesern dann doch wieder miss­verstanden wird oder dass andere ihn mit bewussten Ver­fälschungen weiter­verbreiten. Aber die sorgfältige Recherche bestätigt grund­sätzlich die Zu­verlässig­keit einer Nachricht und ihrer Quelle.

Kann man der Bibel vertrauen? Enthält sie wirklich Gottes Wort, rein und ver­lässlich? Sind die Apostel, deren Zeugnis wir im Neuen Testament finden, zu­verlässige Quellen für Gottes Evangelium? Waren nicht auch sie irrtums­fähige und fehlerhafte Menschen? Solche Fragen braucht man nicht herunter­zu­schlucken, wenn man sie hat, auch in der Kirche nicht. Im Gegenteil: Es ist ganz wichtig, sie zu klären. An diesen Fragen hängt ja nicht bloß unsere Gesundheit, so wie am sauberen Wasser, und nicht bloß unsere Allgemein­bildung, so wie an zu­verlässigen gedruckten Nach­richten. Nein, an dieser Frage hängt unsere Seligkeit. Darum geht es im Evangelium und letztlich in der ganzen Bibel: wie wir vor Gott und der Welt selig leben und selig sterben können. Aber wie finden wir Antworten? Wenn wir die Sache ebenso ansehen wie mit der Wasser­quelle und mit der Zeitungs­nachricht, dann müssen wir sagen: Gewissheit kann nur eine Prüfung bringen. Aber kann man die Bibel überhaupt prüfen? Und darf man sie prüfen? Und das Evangelium? Und die Apostel?

Die Antwort lautet schlicht: Ja, man kann und darf. Die Bibel selbst fordert uns sogar dazu auf. So schrieb der Apostel Paulus: „Prüft alles, und das Gute behaltet“ (1. Thess. 5,21). Und der Apostel Johannes schrieb: „Prüft die Geister, ob sie von Gott sind“ (1. Joh. 4,1). Aber wie kann so eine Prüfung aussehen?

Die Verse aus dem zweiten Korinther­brief, die wir hier bedenken, leiten uns zu dieser Prüfung an. Sie tun es anhand eines echten praktischen Beispiels. Damit wir es gut verstehen, müssen wir uns zunächst die Situation vor Augen führen, in der Paulus diesen Brief abgefasst hat. Paulus hatte die Gemeinde in Korinth einige Jahre zuvor selbst gegründet. Er hatte in dieser großen Stadt das Evangelium gepredigt, und daraufhin waren viele zum Glauben gekommen. Nicht, dass Paulus ein besonders großartiger Prediger gewesen wäre. Die Korinther jedenfalls fanden, dass Apollos rhetorisch viel besser ist. Paulus war auch sonst keine besonders re­präsen­tative Persönlich­keit. Er hatte in Korinth als Handwerker gelebt, als einfacher Zeltmacher, um sich einen kärglichen Lebens­unterhalt zu verdienen. Bei diesem Broterwerb sowie auch bei seiner missio­narischen Tätigkeit hinderte ihn immer wieder seine Krankheit, von der wir freilich nicht viel mehr wissen, als dass sie chronisch war. In seinen Briefen hat Paulus freimütig zugegeben, dass er seinen Dienst nur in großer Schwachheit versehen kann. Daran haben einige Gemeinde­glieder in Korinth Anstoß genommen. Sie werden gesagt haben: Sollte ein so kranker und schwacher Mann wirklich Gottes Bote sein? Müsste Gott ihn nicht heilen und für seinen Auftrag stärken, wenn er wirklich hinter ihm stünde? Auch wird man daran Anstoß genommen haben, dass er vor seiner Bekehrung ein Christen­verfolger war, der sogar über Leichen gegangen ist. Hat sich so ein fanatischer Gottes­krieger nicht ein für allemal dis­quali­fiziert für den Auftrag, das Evangelium von Gottes Liebe zu predigen? Kann aus so einem verrosteten Rohr reines Wasser quellen? Kann auf so schäbigem Papier eine wahre Nachricht stehen?

Gewissheit bringt eine Prüfung. Eben dazu fordert Paulus die Korinther auf. Er schreibt: „Ihr verlangt eine Beweis dafür, dass Christus in mir redet“ – eine Prüfungs­ergebnis, ein Gütesiegel. Gut, sagt Paulus, dann macht den Test, dann prüft es nach! „Erforscht euch selbst, ob ihr im Glauben steht; prüft euch selbst!“ Jawohl, an sich selbst können die Korinther merken, dass die Lehre des Paulus nichts anderes als Christi Wort ist. Denn durch die Ver­kündigung des Paulus ist die christliche Gemeinde in Korinth ja erst entstanden. Es ist eine geistlich starke Gemeinde – dessen sind sich die Korinther sehr wohl bewusst. Natürlich gibt es da auch Probleme, natürlich wird da auch noch gesündigt, natürlich sind da auch Heuchler und Trittbrett­fahrer unter den Gläubigen. Aber alles in allem: Wenn es denn auch nur einige Christen mit rechtem Glauben und rechter christ­licher Liebe gibt, dann beweist ihre Existenz, dass die Ver­kündigung des Paulus gute Frucht gebracht hat – so wie Jesus selbst lehrte: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ (Matth. 7,20). Offen­sichtlich sind das nicht Früchte des schwachen Paulus, sondern Früchte des starken Christus, der durch seinen schwachen Boten Paulus in Korinth gewirkt hat mit seinem Wort. Wie es ja überhaupt Christi Art ist, sich durch Schwachheit stark zu erweisen und in Schwachheit gute Früchte des Evangeliums hervor­zubringen. „Christus“, schreibt Paulus, „ist mächtig unter euch. Denn wenn er auch gekreuzigt worden ist in Schwach­heit, so lebt er doch in der Kraft Gottes. Und wenn wir auch schwach sind in ihm, so werden wir uns doch mit ihm lebendig erweisen an euch in der Kraft Gottes.“ Wenn auch nur einige Samenkörner auf gutes Land fallen und dort hundert­fältig Frucht bringen, dann ist der Beweis erbracht: Es ist guter Same. Zu eben solcher Prüfung fordert Paulus die Korinther auf: Sie können an sich selbst erkennen, dass sie an Christus glauben und dass der Heilige Geist unter ihnen mächtig ist. Damit ist bewiesen, dass die Ver­kündigung des Paulus kein schwaches oder leeres Gerede war, sondern Christi kraftvolles Evangelium. Paulus ist also zweifellos ein Gottesbote von geprüfter Qualität; die Korinther sind sein lebendiges Gütesiegel.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, dasselbe gilt auch für die anderen Apostel, deren Zeugnis wir in der Bibel finden; es gilt letztlich für das ganze Evangelium und die gesamte Bibel. Denn die Korinther sind sich nicht nur selbst ein Beweis, sondern auch uns. Und über die Korinther hinaus ist es die ganze Urkirche. Die Botschaft vom gekreuzigten und auf­erstandenen Gottessohn hat einen Siegeszug über die gesamte antike Welt angetreten. Nicht nur in Korinth, sondern überall sind christliche Gemeinden entstanden. Die Apostel waren weder besonders reich noch besonders gebildet noch besonders begabt noch besonders gesund, dennoch hat Christus durch sie seine Kirche gebaut – und das unter widrigsten Umständen, nämlich unter anhaltender Christen­verfolgung. Fast dreihundert Jahre lang ist die christliche Kirche brutal verfolgt worden, aber sie ist trotzdem erhalten geblieben und gewachsen. Heute gibt es Christen in der ganzen Welt. Seht euch diese starken Früchte des Evangeliums an! Und bedenkt, dass trotz aller konfessio­nellen Ver­schieden­heit all diese Christen sich auf dieselbe Bibel berufen und sie als Gottes Wort ansehen. Natürlich gibt es auch vieles Unrühmliche in jeder Gemeinde, in jeder Kirche, in jeder Konfession und in der Kirchen­geschichte. Da ist vieles geschehen, für das man sich schämen muss. Und es gibt innerhalb der Kirchen auch jede Menge Heuchler und böse Leute, wie das Augsburger Bekenntnis klar bezeugt. Und es gibt Zeiten und Orte, wo die Kirche Jesus Christi recht kümmerlich und schwach erscheint. Aber das kann nicht darüber hinweg­täuschen, dass die Christen­heit ingesamt von Glaube und Liebe geprägt ist, von der Kraft der Vergebung und von der Hoffnung auf ewiges Leben. Das ist Gottes Gütesiegel dafür, dass das Evangelium wahr und die Bibel Gottes Wort ist. Mag das reine Wasser des lebendigen Gottes­wortes auch aus verrosteten Rohren kommen – besser reines Wasser aus verrosteten Rohren als verseuchtes Wasser aus einem goldenen Rohr! Mag die gute Nachricht von Gottes Gnade auch auf dem schmutzigen Papier sündhafter Menschen geschrieben sein – besser die ver­lässliche Nachricht „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden“ auf minder­wertigem Papier als Lügen, auf Hochglanz gedruckt.

Ja, wir können das Evangelium auf die Probe stellen, und wir dürfen es auch. Wir haben es eben getan und herausgefunden, dass es den Test besteht. Was Paulus, Johannes, Petrus und die anderen Apostel von Jesus bezeugt haben und was in der Bibel steht, hat das Gütesiegel von zweitausend Jahren Christen­heit. Dieses Wort ist Gottes Wort von geprüfter Qualität, darauf kannst du dich verlassen – im Leben und im Sterben. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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