In Jesu Nähe, in Jesu Hand

Predigt über Offenbarung 1,9‑20 zum Letzten Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Manche Christen machen einen großen Bogen um die Offenbarung des Johannes, andere fühlen sich von diesem letzten Buch der Bibel besonders angezogen. Beides hat denselben Grund: Die Offenbarung des Johannes ist ein geheimnisvolles Buch. Die meisten ihrer Aussagen und Bilder erschließen sich nicht durch einfaches Lesen; sie erfordern Hintergrundwissen und tiefes Eindringen in ihre Worte. Die einen schreckt das ab, die anderen zieht das an. Aber egal zu welcher Gruppe du gehörst: Wenn du die Verse unseres Predigt­textes verstehst, dann verstehst du die Hauptbotschaft der ganzen Johannes-Offen­barung. Lasst uns darum diesen Text nun Stück für Stück durchgehen und dabei ergründen, was Gott uns damit sagen will.

„Ich, Johannes“, fängt der Autor an. Zwar bezweifeln es manche, aber wir gehen davon aus, dass kein anderer als der Apostel Johannes diese Schrift geschrieben hat, der Jünger Jesu, der Verfasser des Johannes-Evangeliums sowie der drei Johannes Briefe. Hier nennt er sich einfach „euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus“. Er hatte ja von Jesus gelernt, dass im Reich Gottes niemand auf seine heraus­gehobene Stellung pochen soll, sondern dass wir alle einfach Brüder und Schwestern sind. So stehen wir wie der große Apostel Johannes in der Nachfolge des Herrn und merken wie er: Es ist tatsächlich eine Nachfolge unter dem Kreuz. Unser Leben in dieser Welt, besonders unser christ­liches Leben, ist von „Be­drängnis“ geprägt, von Krank­heiten, An­feindungen, inneren Zweifeln und äußeren Problemen. Noch mehr als die Not schweißt uns aber der Glaube zusammen, diese wunderbare und gewisse Hoffnung, dass wir zu Gottes Reich gehören und ewig leben werden. Solange wir in dieser Welt sind, erfahren wir beides, sowohl die Bedrängnis als auch die Teilhabe an Gottes Reich. Diese Spannung fordert uns heraus, unter den diversen An­fechtungen geduldig an Jesus fest­zuhalten. Das ist das Dritte, was uns mit Johannes verbindet: Die Geduld. So sind wir in der Tat des Johannes „Mit­genossen an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus“.

Den Johannes hatte die „Bedräng­nis“ allerdings ganz besonders heftig erwischt. Er schreibt: „Ich war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses von Jesus.“ Feinde hatten den Apostel auf diese kleine griechische Insel verbannt, damit er nicht mehr umherreisen und das Evangelium predigen konnte. Sie hatten ihn regelrecht kalt­gestellt. Vermutlich war er der einzige Christ auf Patmos. Da schickte Jesus ihm einen großen Trost und eine Ver­gewisse­rung, dass er nicht im Stich gelassen ist: Jesus erschien dem Apostel in einer Vision. Johannes schreibt, wie es mit dieser Vision begann: „Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune.“ Schon damals nannte man den Sonntag „Tag des Herrn“. Man beging ihn bereits zu neu­testament­licher Zeit als Feiertag, weil Jesus an einem Sonntag von den Toten auf­erstanden war. An diesem heiligen Tag nahm der Heilige Geist vom Geist des Johannes Besitz und ließ ihn Dinge hören und sehen, die noch kein Mensch zuvor gesehen und gehört hatte. Alles, was in den folgenden 21 Kapiteln der Offenbarung steht, ist die voll­ständige Be­schreibung dieser Vision.

Johannes hat es nicht aus eigenem Antrieb auf­geschrieben, sondern deshalb, weil Christus selbst ihm den Auftrag dazu gab. Die Stimme, die so laut war wie eine Posaune, sagte nämlich zu ihm: „Was du siehst, das schreibe in ein Buch.“ Wie alle Bücher der Bibel ist auch die Offenbarung des Johannes keine Nieder­schrift irgend­welcher religiöser Emp­findungen, die Menschen in sich verspürten, sondern es ist das Zeugnis von dem, was Gott selbst gesagt, getan und seinen aus­erwählten Boten gezeigt hat. Durch ihr Zeugnis in Predigt und Schrift sollen andere erfahren, was Gott allen Menschen offenbart. Die ur­sprüngliche Schrift­rolle der Offenbarung sollte zunächst an sieben Gemeinden in Kleinasien gehen. Wir finden in den folgenden Kapiteln sieben sogenannte Send­schreiben mit speziellen Botschaften an diese sieben Gemeinden. Die Siebenzahl, die Zahl der Vollständig­keit, weist aber über die sieben klein­asiatischen Gemeinden hinaus. Sie weist darauf hin, dass diese göttliche Botschaft an alle Gemeinden gerichtet ist, an die ganze Christen­heit, also auch an unsere Gemeinde, also auch an dich und an mich.

Und nun beginnt erst richtig, was der Heilige Geist dem Johannes zeigt. Johannes dreht sich nach der lauten Stimme um. Was er sieht, beschreibt er so: „Ich sah sieben goldene Leuchter, und mitten unter den Leuchtern einen, der war einem Menschen­sohn gleich.“ Johannes weiß sofort, wer es ist, sonst hätte er nicht „Menschen­sohn“ ge­schrieben: Es ist der Mensch gewordene Gott, der eingeborene Sohn des himmlischen Vaters, der liebe Herr Jesus Christus, mit dem er über Jahre zusammen­gewesen war. Jesus hatte sich selbst immer „Menschen­sohn“ genannt, und der Prophet Daniel hatte sein Kommen unter diesem Namen geweissagt, darum nennt auch Johannes ihn hier einfach nur „Menschen­sohn“. Der steht also mitten zwischen sieben Leuchtern. Die sieben Leuchter bezeichnen die sieben Gemeinden. Weil aber die sieben Gemeinden stell­vertretend für alle Gemeinden stehen, so stehen auch die sieben Leuchter stell­vertretend für alle Gemeinden. Was Johannes sieht, das bedeutet also: Jesus ist ganz nah bei seinen Gemeinden, er ist mitten unter ihnen. Er steht zu dem, was er zuvor versprochen hat: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matth. 18,20). Das ist wichtig zu wissen, vor allem in Zeiten der Bedrängnis und des Abfalls: Jesus ist und bleibt bei seiner Christen­heit, auch bei den kleinsten und kümmer­lichsten Gemeinden. Das tröstet uns auch heute, liebe Brüder und Schwestern. Es kommt nicht darauf an, dass wir unsere Kirche vollkriegen und hier stimmungs­mäßig ordentlich was abgeht, sondern das Wichtigste und allein Ent­scheidende ist, dass Jesus mitten unter uns ist. Die Botschaft dieses ersten Bildes der Offenbarung gibt das Thema für die ganze Schrift an: Die leidende Kirche darf gewiss sein, dass Jesus sie nicht verlässt, sondern bei ihr bleibt.

Nun beschreibt Johannes, wie Jesus aussieht. Er sieht nicht wie ein normaler Mensch aus. Er sieht nicht so aus, wie Johannes sich an ihn aus früheren Tagen erinnert – ausgenommen das eine Mal, wo er zusammen mit Simon Petrus und Jakobus die Verklärung Jesu miterlebt hatte auf einem Berg (wir haben heute in der Evangeliums­lesung davon gehört). Johannes beschreibt den Jesus, der ihm auf Patmos erschien, so: „Er war angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme und seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie großes Wasser­rauschen; und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Mund ging ein scharfes, zwei­schneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht.“ Es ist der erhöhte Christus in seiner göttlichen Herrlich­keit. Er ist ganz rein, und er ist das Licht der Welt. Alles an ihm glänzt und strahlt. Ja, so herrlich steht Jesus inmitten der sieben Gemeinden und inmitten der ganzen Christen­heit, auch wenn unsere leiblichen Augen ihn nicht sehen können. Diese Herrlich­keit Christi strahlt über das ganze Buch der Offenbarung bis hin zum letzten Vers, wo es heißt: „Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!“ Diese Herrlich­keit Christi überstrahlt auch alle An­fechtungen und alles ent­setzliche Leid, wovon das Buch der Offenbarung in seinen mittleren Kapiteln berichtet. Diese Herrlich­keit Christi strahlt bis in unsere Gegenwart hinein über allen Kriegen und Leiden und Ungerechtig­keiten in der Welt und in unserm eigenen Leben. Dabei steht der Herr nicht nur einfach so mitten unter den Seinen, sondern er hält sie fest in der Hand; niemand kann sie ihm entreißen. Die sieben Sterne in seiner Hand nämlich, so erklärt Johannes am Ende des Kapitels, sind „Engel“ der sieben Gemeinden; damit sind die Gemeinde­leiter gemeint, die in ihnen das Hirtenamt ausüben. Besonders müssen wir noch auf Jesu Zunge achten: Sie ist ein zwei­schneidiges Schwert. Das bedeutet, dass Jesu Wort zwei Seiten hat: Gesetz und Evangelium. Wer ihm nicht nachfolgen will, sondern lau und gleich­gültig ist, den wird der Zorn seines Gesetzes treffen, und er wird ihn von sich stoßen. Wer aber seine Sünde bereut und bei ihm Zuflucht sucht, dem sagt er Vergebung und Seligkeit zu durch das Evangelium.

Als Johannes Christus im Licht seiner Herrlich­keit sieht, fällt er wie ein Toter zu Boden. Es geht ihm so wie allen sündhaften Menschen, die un­vermittelt Gottes Licht erblicken. So war es bei den Hirten von Bethlehem in der Heiligen Nacht, und so war es auch bei Paulus vor den Toren von Damaskus gewesen. Es wird uns ebenso gehen, wenn wir die Herrlich­keit unseres Herrn zu Gesicht bekommen. Aber Christus will uns nicht zu Boden stoßen, sondern er hat uns lieb und will uns retten. So legt er dem Johannes die Hand auf und sagt: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“ Durch seine Erlösungs­tat am Kreuz hat Jesus den Tod und die Hölle für all diejenigen zu­geschlos­sen, die durch Taufe und Glaube zu ihm gehören. Sie alle haben Teil an seiner Auf­erstehung und werden mit ihm in Ewigkeit leben. Die Bedrängnis, die uns jetzt noch hart drücken mag in dieser Welt, ist vergänglich und unbedeutend im Vergleich zu der Herrlich­keit des Gottes­reiches, die Jesus uns auf­geschlossen hat. Ja, dies ist die Haupt­botschaft der Offenbarung des Johannes, dies zieht sich wie ein roter Faden durch all ihre Worte und Visionen hindurch.

„Schreibe“, sagt Jesus noch einmal. „Schreibe, was du gesehen hast und was ist und was geschehen soll danach.“ Johannes hat diese Anweisung treu befolgt und alles auf­geschrie­ben, was der Heilige Geist ihm gezeigt und Christus ihm offenbart hat. Höre, sagt Jesus nun zu uns. Höre, was Johannes geschaut hat, und lies, was der Geist ihm offenbart hat. Ja, höre auf das Wort, lies und glaube und lass dich von Christi Wort leiten. Vor allen Dingen aber vergiss nicht: Christus ist mitten unter uns und hält uns in seiner Hand. Seine Herrlich­keit begleitete die sieben Gemeinden und alle christ­lichen Gemeinden. Sein Licht strahlt auch noch heute in der Christen­heit und in unserer Gemeinde und in unseren Herzen. Dafür sei unserm Herrn Lob, Preis, Ehre und Dank in Ewigkeit. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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