Untergetaucht oder übergossen?

Predigt über Markus 1,9‑11 zum 1. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Stellen wir uns vor, wir machen eine Umfrage unter Christen und fragen jeden: Auf welche Weise bist du getauft worden? Einige werden antworten: Ich bin mit Wasser übergossen worden. Andere werden erwidern: Ich bin im Wasser unter­getaucht worden. Wieder andere werden sagen: Ich weiß es nicht, ich war zu klein, um es bewusst zu erleben. Und wieder andere werden fragen: Ist das denn wichtig? Wichtig ist auf alle Fälle, dass Menschen so getauft werden, wie Jesus es will. Sein Wille wurde uns im sogenannten Taufbefehl über­liefert. Der Auf­erstandene sagte: „Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!“ (Matth. 28,19). Dieses Wort „taufen“ bedeutete ur­sprünglich „waschen“ – wobei offen bleibt, ob durch Unter­tauchen oder durch Übergießen. Ent­scheidend ist lediglich, dass Wasser verwendet wird und dass die Taufe aus­drücklich im Namen des dreieinigen Gottes geschieht, „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Wasser und Wort sind beide wichtig, denn sie ergeben zusammen eine gültige Taufe, wie Jesus sie gewollt hat.

Nun interes­siert es aber doch viele Christen, wie denn das Wasser eingesetzt wird beim Taufen: Wird unter­getaucht oder übergossen? Wenn schon Jesus nichts darüber gesagt hat, so kann man vielleicht durch sein Beispiel und Vorbild mehr erfahren. Schauen wir uns also Jesu eigene Taufe an! „Es begab sich zu der Zeit“, so beginnt der Bericht des Evan­gelisten Markus über Jesu Taufe. Es sind fast dieselben Worte wie am Anfang der Weihnachts­geschichte. In beiden Fällen bezeugen diese ein­leitenden Worte: Es geht hier nicht um eine erfundene Geschichte, es geht hier nicht um ein Irgendwann und auch nicht um ein Es-war-einmal, sondern es geht hier um eine ganz bestimmte geschicht­lich nachvoll­ziehbare Zeit, etwa dreißig Jahre nach Jesu Geburt. Jesus war in Bethlehem geboren worden, hatte dann die ersten Jahre seines Lebens mit seinen Eltern als Asylant in Ägypten zugebracht, kam als Kleinkind nach Nazareth, dem Heimatort seiner Eltern in Galiläa, und wurde dort Zimmermann im Betrieb seines Vaters. Bis zu seiner Taufe hatte Jesus also ein ziemlich schlichtes und un­auffälliges Leben geführt. Dann aber brachte die Taufe einen Einschnitt. Markus berichtet: „Es begab sich zu der Zeit, dass Jesus aus Nazareth in Galiläa kam und ließ sich taufen von Johannes im Jordan.“ Mehr erfahren wir nicht über die eigentliche Tauf­handlung; es steht auch hier einfach nur das Wort „taufen“. Ob Jesus im Jordan vollständig unter­tauchte oder ob Johannes der Täufer ihn mit Wasser übergoss, muss offen bleiben. Wir sehen: Auch das Vorbild Jesu kann unsere Frage nicht eindeutig be­antworten. Aber dafür bestätigt uns die Taufe Jesu, dass es beim Taufen um den dreieinigen Gott und um Gottes Wort geht. Wir brauchen uns nur genau vor­zustellen, was Markus geschildert hat: Da kommt Jesus, der Sohn Gottes, aus dem Wasser ans Ufer. Da erscheint der Heilige Geist in Gestalt einer Taube und lässt sich auf ihm nieder. Und da ertönt die Stimme des himmlischen Vaters: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohl­gefallen.“ Vater, Sohn und Heiliger Geist treten de­monstrativ in Erscheinung bei Jesu Taufe, und der Vater bekennt sich zu seinem ein­geborenen Sohn. Er tut es mit Worten, die Propheten des Alten Testaments vom Messias voraus­gesagt haben, sodass mit Jesu Taufe zugleich deutlich wird: Hier wurde gerade der Messias getauft und steht nun bereit, sein Erlösungs­werk zu beginnen.

Welche Art und Weise des Taufens würde denn passender für ihn sein: das Unter­tauchen oder das Übergießen? Das Unter­tauchen weist darauf hin, dass die Taufe ein Reinigungs­bad ist. Johannes der Täufer hat normaler­weise Sünder getauft, die ihre Sünden bekannten und sich davon reinigen wollten. Die Taufe des Johannes zeigte an, dass Gott ihnen diese Reinigung beziehungs­weise Vergebung schenkt. Nun wissen wir aber, dass Jesus kein Sünder war und deswegen auch keine Vergebung nötig hatte – er als einziger. Dass er sich dennoch in die Warte­schlange der Sünder einreihte, um von Johannes getauft zu werden, zeigt seine Solidarität mit uns sündigen Menschen. Es ist, als wollte er damit sagen: Ich mache mich zu einem von euch, ich ziehe mir eure Sünde an und lasse mich deshalb wie ein Sünder taufen. Später, am Kreuz, wurde dann ganz deutlich, was ds bedeutet, dass er sich unsere Sünden anzog. Das Übergießen hingegen weist darauf hin, dass Jesu Taufe zugleich ein Salbung ist, und zwar eine Salbung im alt­testament­lichen Sinn: Da wurden Menschen für heilige Ämter geweiht; besonders Könige wurden gesalbt. Bei so einer Salbung goss ein Gottesmann Olivenöl über den Kopf aus zum Zeichen dafür, dass der Heilige Geist über diesen Menschen kommt und ihn für seinen Dienst zurüstet. Von Jesu Taufe hat der Apostel Petrus später bezeugt: „Gott hat ihn gesalbt mit Heiligem Geist und Kraft“ (Apostel­gesch. 10,38). So wurde Jesus der Christus, der Messias, zu deutsch: der Gesalbte. Mit der Taufe begann sein Dienst, seine eigentliche Mission, für die Gott ihn in die Welt gesandt hatte. Wir sehen: Beides wäre für Jesus passend, beides hat seinen guten Sinn, sowohl das Unter­tauchen als auch das Übergießen.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, für uns ist die Taufe ebenfalls beides: Reinigungs­bad und Salbung. In der Taufe hat Gott alle unsere Sünden ab­gewaschen. Zugleich hat er uns gesalbt, damit wir Könige und Priester werden. Auch wenn euch das vielleicht überrascht, aber der Apostel Petrus hat für alle Getauften bezeugt: „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priester­schaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums.“ Mit der Taufe hat der himmlische Vater uns zu Gottes­kindern gemacht, hat gewisser­maßen auch über uns ausgerufen: „Du bist mein lieber Sohn, du bist meine liebe Tochter, an dir habe ich Wohl­gefallen.“ Als solche sollen wir seine Liebe weiter­tragen und sein Evangelium weiter­verkündi­gen. Das ist nicht allein die Aufgabe der Pastoren, sondern jeder Christ ist gesalbt und aufgerufen, nach seinen Gaben und Möglich­keiten dabei mit­zuhelfen. Der Apostel Petrus schrieb weiter: „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priester­schaft…, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“ (1. Petrus 2,9). So gilt für unsere Taufe wie für Jesu Taufe: Beides wäre passend, beides hat seinen guten Sinn – das Unter­tauchen als Reinigungs­bad und das Übergießen als Salbung mit dem Heiligen Geist.

Dieser doppelte Sinn der Taufe kann uns nun die Augen für noch mehr öffnen.

Wenn Jesus im Jordan unter­getaucht ist, dann zeigt das seine Niedrig­keit. Johannes wollte den Herrn erst gar nicht taufen, denn er meinte, er sei als sterblicher Sünder dafür nicht würdig. Jesus aber wollte es aus­drücklich so; er wollte sich damit unter die Sünder mischen, er wollte sich damit allen göttlichen Glanzes entäußern. Und wenn Jesus im Jordan übergossen wurde wie bei einer Salbung, dann zeigt das seine Hoheit. Es hebt ihn als König heraus aus dem Volk. Jesus ist und bleibt ja König aller Könige und Herr aller Herren, auch wenn diese Hoheit während seines Erdenlebens verhüllt blieb.

Wenn ein Mensch bei der Taufe unter­taucht, dann zeigt das seine Unwürdig­keit. Kein Sünder hat verdient, von Gott als Kind angenommen zu werden. Das Abwaschen der Sünden­schuld ist reine unverdiente Gnade. Und wenn ein Mensch bei der Taufe übergossen wird wie bei einer Salbung, dann wird er damit zu großer Ehre erhoben. Er ist nun ein Königskind. Er ist eingeladen, jederzeit vor Gottes Thron zu treten und ihm alles zu sagen, was er auf dem Herzen hat. Nicht zuletzt wartet das wertvollste Erbe auf ihn, das man sich denken kann: ewiges Leben in Gottes himmlischem Reich.

Wenn Jesus im Jordan unter­getaucht ist, dann wird damit an­schaulich, dass seine un­auffällige Kindheit und Jugend nun vorbei ist. Vorbei ist die Lebens­phase, in der er vorwiegend passiv war und einfach nur das getan hat, was seine Eltern und seine Mitmenschen von ihm erwarteten. Und wenn Jesus im Jordan übergossen wurde, dann wird damit an­schaulich, dass nun seine aktive Lebensphase beginnt, so wie beim Regierungs­antritt eines Königs. Nun beginnt er zu predigen, zu heilen und das große Erlösungs­werk in Angriff zu nehmen, für das er in die Welt gekommen ist.

Wenn ein Mensch bei der Taufe unter­taucht, dann wird damit an­schaulich, dass Gott an ihm handelt. Gott reinigt ihn von seiner Sünden­schuld, Gott macht ihn heilig, Gott schenkt ihm ein neues Herz. Der Getaufte lässt einfach an sich geschehen, was Gott tut. Und wenn ein Mensch bei der Taufe übergossen wird, dann wird damit an­schaulich, dass er mit dem Heiligen Geist neue und ungeahnte Kraft bekommt. Es ist die Kraft der Liebe, mit der er nun tätig wird; sie prägt sein Denken, Wollen, Reden und Handeln.

Wenn Jesus im Jordan unter­getaucht ist, dann sym­bolisiert das auch sein Sterben. Sein Erlösungs­werk geschah nicht mit großen Helden­taten, sondern mit dem stillen Dulden und Vergehen am Kreuz. Es hat Gott gefallen, die Menschheit durch scheinbare Schwachheit zu erretten, durch Leiden und Sterben. Und wenn Jesus im Jordan übergossen wurde, dann symboli­siert das seine Auf­erstehung und Himmel­fahrt, seinen königlichen Triumph, sein Sitzen zur Rechten des Vaters.

Wenn ein Mensch bei der Taufe unter­taucht, dann sym­bolisiert das den Tod des sünden­verseuchten Menschen in ihm, des sogenannten alten Adams, wie Luther es formu­lierte. Paulus hat bezeugt, dass der alte Mensch mit seinen Sünden und bösen Lüsten mit Christus stirbt und begraben wird. Und wenn ein Mensch bei der Taufe übergossen wird, dann sym­bolisiert das die Auf­erstehung des neuen Menschen, der mit Christus ewig lebt. Die Taufe salbt und weiht ihn zu einem Dienst und Leben in Heiligkeit.

Ist es egal, wie ein Mensch getauft wird? Ist es egal, ob er untertaucht oder übergossen wird? Was den eigent­lichen Taufvorgang angeht, ist es in der Tat egal; Hauptsache, es wird mit Wasser und Wort getauft im Namen des dreieinigen Gottes. Was aber den Sinn der Taufe angeht, können wir sagen: Beide Weisen zu taufen sind bedeutsam, beide haben ihren guten Sinn. Wichtig ist letztlich, dass wir an beides denken, wenn wir an unsere Taufe denken: an das Reinigungs­bad von Sünden­schuld und auch an die Salbung zu einem neuen Leben als Könige und Priester. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2014.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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