Wie es weitergeht

Predigt über Daniel 12,1b‑2 zu einer Beerdigung

Liebe Trauergemeinde!

Wir haben eben den Lebenslauf der Ver­storbenen gehört und uns dabei an wichtige Abschnitte ihres Lebens erinnert. Auch der heutige Tag ihrer Beerdigung markiert einen Einschnitt. Oft fragt man am Ende von Lebens­abschnit­ten: Wie geht es nun weiter? So fragt man etwa junge Menschen nach dem erfolg­reichen Abschluss der Schule, oder ältere Menschen beim Eintritt in den Ruhestand. Man möchte wissen, welche Pläne und Erwartungen sie für ihren nächsten Lebens­abschnitt haben. Bei einer Beerdigung freilich werden viele die Frage „Wie geht es nun weiter?“ für merkwürdig oder abwegig halten. Materialis­ten glauben, dass es nun überhaupt nicht mehr weitergeht, sondern dass das Leben un­widerruf­lich zuende ist. Nur noch der Leib ist übrig, die sterbliche Hülle, die mit der Zeit zu Humus werden wird.

Wir sollten uns aber nicht vom Augenschein täuschen lassen. Wir wären dann nämlich ebenso naiv wie ein kleines Kind, das meint, die Mutter sei nicht mehr da, nur weil sie hinter der Tür in einen Nebenraum ver­schwunden ist. Als erwachsene Menschen sollten wir wissen, dass die Realität mehr ist als das, was wir sehen, hören, fühlen oder wissen­schaftlich nachweisen können. Und so ist es keineswegs merkwürdig oder abwegig, wenn wir uns jetzt im Blick auf die Verstorbene und überhaupt auf alle Ver­storbenen die Frage stellen: Wie geht es weiter?

Gott selbst beantwortet diese Frage. Er tut es in seinem Wort, der Bibel, und zwar an vielen Stellen. Eine wichtige davon steht im letzten Kapitel des Propheten­buchs Daniel und lautet: „Die vielen, die unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande.“ Gott offenbart uns: Die Ver­storbenen befinden sich in einer Art Schlaf; während ihre Leiber in den Gräbern liegen, ruhen ihre Seele. Es ist also nicht so, dass die Verstorbene uns jetzt wie aus einem Himmels­fenster beobachten würde; nein, auch ihre Seele ruht nun, ruht aus von den Mühen und Leiden ihres langen Erden­lebens. Und dann? Dann wird einmal der letzte Tag der Welt anbrechen. Es ist der Tag, an dem Jesus Christus sichtbar wieder­kommen wird. Er wird erscheinen in solch einer Weise, dass alle, gleich ob sie an ihn geglaubt haben oder nicht, erkennen werden: Das ist wirklich Gottes Sohn, das ist der Herr. Die einen werden das mit Freuden fest­stellen, die anderen mit Schrecken. Christen bekennen es seit vielen Jahr­hunderten, und sie tun es noch heute weltweit in den Gottes­diensten (wir werden es nachher auch am Grab tun): Jesus Christus sitzt im Himmel „zur Rechten Gottes, des all­mächtigen Vaters, von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten.“ Der Seelen­schlaf aller Toten wird dann ein Ende haben, und es wird genau das geschehen, was Daniel prophe­zeite: „Die vielen, die unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande.“ Der Richter aber wird niemand anders sein als Jesus Christus in seiner göttlichen Herrlich­keit.

Wie wird Christi Urteil über die Verstorbene dann ausfallen? Kein Mensch darf sich anmaßen, dem Spruch des Weltenrichters vor­zugreifen und bestimmte Menschen entweder in den Himmel zu loben oder in die Hölle zu verdammen. Aber doch tragen wir heute den Leib unserer Schwester zu Grabe mit der fröhlichen Zuversicht, dass sie unter denen sein wird, die zum ewigen Leben auferstehen werden. Diese Zuversicht hat einen klaren Grund; den finden wir beim Propheten Daniel einen Satz vorher. Dort heißt es in direkter Anrede an Gott: „Zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen.“ Mit diesem Buch meint Daniel nicht die Bibel. Er meint auch nicht das Buch aller mensch­lichen Taten, der guten und der bösen, nach denen Gott richtet. Daniel meint ein ganz besonderes Buch, das an anderer Stelle das „Buch des Lebens“ genannt wird. Es ist das Bürger­register von Gottes Reich; es ist das Namens­verzeichnis all derer, die, durch Jesus Christus erlöst, Gottes­kinder und Erben des ewigen Lebens sind. Ihre Sünden sind vergeben; alles Böse ist für sie ausgetilgt aus dem Buch der Taten. Mit anderen Worten: All die Menschen stehen im Lebensbuch, die getauft sind und diese göttliche Gabe im Glauben annehmen. Da erkennen wir, dass wir die Verstorbene nicht grundlos mit der fröhlichen Auf­erstehungs­hoffnung zu Grabe tragen: Sie ist ja getauft worden, sie hat in der Kon­firmation ihren Glauben bekannt, sie hat auch in schweren Zeiten daran fest­gehalten. Ich selbst bin Zeuge, wie sie auch noch wenige Wochen vor ihrem Tod beim Haus­gottes­dienst mitgesungen und mitgebetet hat, soweit das ihre Kräfte erlaubten. Sie hat es fröhlich getan, denn sie wusste und glaubte: Im Heiligen Abendmahl kommt der Heiland zu ihr mit seinem Leib und Blut, schenkt ihr seine Erlösung und führt sie zum herrlichen Ziel, der ewigen Seligkeit im Himmel. Ja, unsere Schwester hat fröhlich Gottes­dienst gefeiert, fröhlich gesungen und fröhlich geglaubt. So bin ich zu­versicht­lich, dass sie nach dem Schlaf des Todes auch fröhlich aufwachen und mit ihrem Herrn und Heiland Jesus Christus dort einziehen wird, wo für immer fröhlich gesungen und das Festmahl der Erlösten gefeiert wird.

Unsere Schwester verstarb in ihrem hundertsten Lebensjahr. Als sie geboren wurde, begann der Erste Weltkrieg. In diesen hundert Jahren ihres Lebens hat sich in Deutschland und in der Welt ungeheuer viel verändert; es war die Zeit eines großen Umbruchs. Dieser Umbruch hat einen großen Einfluss auf das Wissen, Denken und Glauben der Menschen ausgeübt. Als die Verstorbene jung war, da wusste noch jedes Schulkind, wie es mit den Toten weitergeht, wenn sie beerdigt werden; es stand auf dem Lehrplan für den obliga­torischen Religions­unterricht. Die große Mehrheit war auch überzeugt davon, dass die Worte der Bibel wahr und vertrauens­würdig sind. Man glaubte an die Auf­erstehung der Toten, das Jüngste Gericht, die ewige Seligkeit und vor allem an den, dem wir sie zu verdanken haben: Jesus Christus. Heute wissen viele Menschen nicht einmal, was die Bibel darüber sagt, oder sie wollen es nicht wissen, oder sie glauben es nicht. Ich versichere aber allen: Was die Bibel sagt, wird nicht falsch dadurch, dass viele es nicht mehr glauben. Die Bibel ist und bleibt Gottes Wort. Sie gibt uns verläss­liche Auskunft über Dinge, die der Mensch mit seinem Forschen und Denken niemals heraus­finden kann – besonders auch darüber, wie es nach dem Tod weitergeht.

Im Jahre 1944 verab­schiedete sich der erste Mann der Ver­storbenen von ihr und seinem Sohn. Er musste nach einem Heimat­urlaub wieder als Soldat an die Front. Der achtjährige Sohn meinte damals zu seiner Mutter: Ich glaube nicht, dass wir den Vater noch einmal wieder­sehen. Die Verstorbene bestritt das damals. Frau und Sohn haben ihn dann tatsächlich nicht wieder­gesehen – jedenfalls nicht in dieser Welt. Trotzdem meine ich, dass die Verstorbene recht behält: Sie wird ihren Mann wiedersehen bei der Auf­erstehung zum ewigen Leben – sie und alle, die im Buch des Lebens stehen, weil sie getauft wurden und geglaubt haben. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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