Die verschlossene Tür

Predigt über Lukas 13,24‑28 zum Buß‑ und Bettag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn ich bei einem Freund zu einer bestimmten Zeit eingeladen bin, und ich komme zwei Minuten später, dann macht das nichts; der Gastgeber wird mir deswegen nicht böse sein. Bei Einladungen verhält es sich ja so: Man kommt lieber ein bisschen später als zu früh, damit man den Gastgeber nicht bei seinen Vor­bereitungen stört. Etwas anderes ist es, wenn ich einen bestimmten Eisen­bahn­zug erreichen muss: Komme ich zwei Minuten nach Abfahrt des Zuges, dann bin ich vergeblich gekommen; ich erreiche ihn nicht mehr. Bei der Eisenbahn gibt es knallhart nur diese beiden Möglich­keiten: Entweder ich komme rechtzeitig und schaffe den Zug, oder ich komme zu spät und schaffe ihn nicht.

Mit seinem Gleichnis von der ver­schlossenen Tür macht Jesus deutlich, dass es beim Reich Gottes ebenso ist wie bei der Eisenbahn: Es gibt ein „Zu spät“. Eben war die Tür noch offen, nun ist sie un­widerruf­lich ver­schlossen. Genauso hat Jesus es auch im Gleichnis von den zehn Jungfrauen erzählt, der Evangeliums­geschichte des bevor­stehenden Ewigkeits­sonntags: Die fünf törichten Jungfrauen kommen zu spät zum Hochzeits­haus, weil sie erst noch Öl für ihre ver­löschen­den Lampen kaufen müssen. Als sie um Einlass bitten, antwortet ihnen der Bräutigam: „Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.“ Auch hier, im Gleichnis von der ver­schlosse­nen Tür, sagt der Hausherr, und zwar gleich zweimal: „Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her?“

Dieses Gleichnis führt uns deutlich vor Augen, worum es in unseren Erdentagen geht: Es geht darum, dass wir in Gottes Reich finden, ehe es zu spät ist. Darum hat Jesus seinem Gleichnis auch die ernste Warnung voran­gestellt: „Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hinein­geht!“ Ringt darum, solange die enge Pforte zum Himmelreich noch offen ist! Und das bedeutet nichts anderes als: Ringt darum, solange euch Gott noch Zeit und Gelegenheit zur Buße schenkt!

Daran will uns jedes Jahr auch der Buß‑ und Bettag erinnern. Wie gut, dass er noch nicht gänzlich vergessen wurde, auch wenn er in den meisten Bundes­ländern kein gesetz­licher Feiertag mehr ist. Wenn wir nicht immer wieder daran erinnert würden, dann könnte es passieren, dass wir die Buße leicht beiseite schieben und verdrängen. Wir bilden uns ja viel lieber ein, dass bei uns alles in Ordnung ist und wir so bleiben können, wie wir sind. Das ist aber ein fataler Selbst­betrug. Der Apostel Johannes hat ge­schrieben: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“ (1. Joh. 1,8). Und Martin Luther meinte in seinen 95 Thesen: „Wenn unser Herr Jesus Christus sagt: Tut Buße!, so möchte er, dass das ganze Christen­leben eine ständige Buße ist.“ Buße kostet eine gewisse Selbst­überwindung; man muss vom hohen Ross der Selbst­gerechtig­keit herab­steigen, wie der Zöllner im Tempel reumütig an die Brust schlagen und sagen: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ (Lukas 18,13). Unbequem eng ist die Pforte der Buße, man muss sich ganz klein machen – aber es ist die einzige Pforte, die ins Himmelreich führt. Wir tun gut daran, sie zu benutzen, ehe es einmal zu spät ist und sie für immer ver­schlossen bleibt.

Diejenigen, die nicht zur Buße bereit sind, werden im Gleichnis dargestellt als Leute, die einmal verzweifelt gegen die ver­schlossene Tür schlagen werden, um doch noch ins Himmelreich hinein­zukommen. Dabei entwickelt sich ein Gespräch mit dem Hausherrn, der drinnen ist und nicht öffnen will. Als er ihnen sagt: „Ich kenne euch nicht!“, da wollen sie das nicht wahrhaben. Sie erwidern: „Wir haben vor dir gegessen und getrunken, und auf unsern Straßen hast du gelehrt.“ Du musst uns doch kennen, Jesus, sagen sie, wir haben doch mit dir am Tisch gesessen und Feste gefeiert! Und wir haben zugehört, als du in unserer Stadt gepredigt hast! Wir waren nicht auf der Seite deiner Gegner, wir waren bei deinen Fans! Es ist so, als würden Menschen aus unserer Zeit sagen: Jesus, wir waren doch im Gottes­dienst. Wir haben geduldig bei Predigten zugehört, auch wenn wir sie langweilig fanden, und haben das Abendmahl mit­gefeiert. Wir sind nicht aus der Kirche ausgetreten und haben unsern Beitrag bezahlt. Da kannst du uns doch jetzt nicht einfach draußen lassen! Aber Jesus wiederholt un­erbitt­lich: „Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter!“

„Übeltäter“ nennt er sie, also Sünder. Wer am Jüngsten Tag als Übeltäter und Sünder dasteht, dem sind seine Sünden nicht vergeben, sondern behalten. Und wer ist das? Der, der nicht Buße getan hat. Der, der nicht reumütig gebeten hat: „Gott, sei mir Sündern gnädig!“ Ein Christ sein heißt letztlich nichts anderes, als zur Buße bereit sein und dann vertrauensvoll die Vergebung des Herrn annehmen.

Dazu kann sich freilich niemand selbst bewegen. Weder die Buße noch der Glaube an Gottes Vergebung sind Leistungen des mensch­lichen Willens, sondern es sind Gnaden­geschenke Gottes. Niemand kann „aus eigener Vernunft noch Kraft“ an Jesus Christus glauben oder durch wahre Reue und Buße zu ihm kommen, so heißt es in Luthers Kleinem Katechismus treffend zum dritten Glaubens­artikel. Der Heilige Geist ist es, der uns dazu erleuchten muss. Und wie tut er es? Durch Gottes Wort tut er es, durch seine gute Nachricht, durch das Evangelium. Das Evangeliums­wort aber kommt durch die Bibel zu uns und durch die Predigt und auch durch die heiligen Sakramente Taufe und Abendmahl. Mit der Taufe fängt es an: Da wird ein Mensch durch den Heiligen Geist ein Kind Gottes. Und wenn er sich nicht dagegen wehrt und sträubt, dann bleibt er es auch und wächst unter Wort und Sakrament in diesem Glauben. Mit anderen Worten: Ein bußbereiter Christ kommt von der Taufe her. Er ist ein wieder­geborener Mensch; einer, den Gottes Güte zur Umkehr geleitet hat. Wer sich dem Heiligen Geist nicht widersetzt, der schafft das, was dem natürlichen Menschen so schwer fällt, ja, was ihm sogar unmöglich ist: vor Gott ganz klein und demütig zu werden in Anbetracht der Sünde.

Denen, die nach Ablauf der Gnadenfrist Einlass begehren in Gottes Reich, sagt Christus ganz klar: „Ich kenne euch nicht, wo seid ihr her?“ Sie kommen nicht von der Taufe her, nicht von der Wieder­geburt aus Wasser und Geist. Alle äußerliche Zu­gehörig­keit zur Kirche nützt ihnen nichts, sogar ihre Frömmigkeit und ihre guten Werke nützen nichts, wenn sie nicht zur Buße gefunden haben. Wer religiös ist, ohne Buße zu tun, der kommt nicht vom Heiligen Geist her, sondern von fremden Geistern, mit denen Jesus nichts zu tun haben will.

Aber Gott sei Lob und Dank, die Tür zum Himmelreich steht noch offen. Diese Tür heißt Jesus Christus, und durch sie hindurch­gehen heißt Buße tun. Es ist nur eine enge Pforte, und das Hindurch­gehen ist demütigend und beschwer­lich. Wenn wir aber dem Heiligen Geist nicht im Weg stehen, wird er uns da schon hindurch­kriegen. Auch heute wieder möchte er dieses Werk an uns tun, wenn er uns zur Umkehr ruft: zum Bekenntnis der Sünden, zu auf­richtiger Reue, aber auch zum Vertrauen in Jesus, der sich selbst geopfert hat zur Vergebung unserer Sünden. Lasst uns mit dieser Demut, aber auch mit dieser Zuversicht jetzt beichten und Gottes Vergebung empfangen! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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