Die Speisung der Viertausend

Predigt über Markus 8,1‑9 zum 7. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Fast alle Christen kennen die Geschichte, wie Jesus fünftausend Leute satt bekommen hat mit nur fünf Broten und zwei Fischen; auch fehlt sie in keiner Kinder­bibel. Ganz im Schatten dieser Geschichte steht ein ähnliches Ereignis aus dem Leben Jesu: die Speisung der Vier­tausend. Nur wenige wissen, dass Jesus bei einer weiteren Gelegenheit noch einmal Tausende satt bekam, mit nur sieben Broten und ein paar Fischen. Wir haben den Bericht des Evan­gelisten Markus eben als Predigttext gehört.

Wieder einmal ist eine große Menschen­menge bei Jesus versammelt. Drei Tage lang sind viertausend Leute bei ihm, hören ihm zu und erleben staunend, was so alles passiert. Das Ganze hat weniger den Charakter eines Gottes­dienstes als vielmehr den eines Kirchentags oder Festivals. Trotz aller Be­geisterung meldet sich am dritten Tag der Hunger. Da gibt es keinen Würstchen­verkäufer und keine Dönerbude in dieser verlassenen Gegend; man muss von dem kärglichen Proviant zehren, den einige mitgebracht haben, und der ist nun fast alle. Jesus ruft seine Jünger zu einer Krisen­sitzung zusammen und sagt: „Mir tun die Leute leid. Sie sind nun schon drei Tage hier und haben nichts zu essen. Wenn ich sie hungrig gehen lasse, werden sie es nicht bis nach Hause schaffen.“ Jesus könnte natürlich gleich ein Wunder tun, aber er will die Sache erst einmal mit den Jüngern besprechen. Es ist ihm wichtig, dass sie das Problem gemeinsam angehen.

Liebe Gemeinde, wir sehen: Notlagen kann es auch dann geben, wenn Jesus anwesend ist. Und Notlagen kann es auch im Zusammen­hang mit christ­lichen Versamm­lungen geben. Ich erinnere mich an eine Notlage, in die ich vor einigen Jahren selbst einmal gekommen bin. Es war in Afrika. Da nahm ich einige Gemeinde­glieder mit zu einem Gottes­dienst weit weg in einem abgelegenen Dorf in der Kalaharisteppe. Unterwegs platzte mir ein Reifen. Ich tauschte ihn gegen das Ersatzrad aus. Nach einer Weile merkte ich, dass auch ein anderer Reifen allmählich Luft verlor. Nun war guter Rat teuer, denn einen zweiten Reserve­reifen hatte ich nicht dabei.

Auch geistlich geraten wir in Notlagen. Das passiert zum Beispiel immer dann, wenn die Sorgen größer werden als das Gott­vertrauen. Es passiert auch immer dann, wenn uns der Teufel reitet und zur Sünde verführt, zu Un­wahrhaftig­keit und Lieb­losig­keit. So ähnlich wie bei der Notlage damals sagt Jesus bei solchen geistlichen Notlagen: Mir tun die Leute leid; wenn ich sie in diesem Zustand lasse, werden sie es nicht in den Himmel schaffen.

Zurück zur Geschichte! Die Jünger sind angesichts der Notlage ratlos. Sie sagen: „Woher kann jemand die Leute hier satt machen, an diesem verlassenen Ort?“ Jesus fragt, wieviel Proviant denn noch übrig ist. Sie antworten: „Sieben Fladenbrote.“ Das ist wenig, das ist praktisch nichts für viertausend Leute. Ob die Jünger sich darüber freuen, dass Jesus sie als Berater heran­gezogen hat? Wohl eher nicht, denn nach diesem Gespräch bleibt unter ihnen nur das Gefühl der Ohnmacht. Die Jünger merken: Wir können den Leuten nicht geben, was sie brauchen. Aber genau das sollen sie auch merken.

Liebe Gemeinde, wir sehen: Jesus macht uns in Notlagen unsere Ohnmacht bewusst. Täte er es nicht, dann würden die meisten von uns überheblich werden und sich einbilden, sie hätten alles selbst im Griff. So musste ich bei meinem Reifenproblem in Afrika auch meine Hilf­losig­keit eingestehen und darauf hoffen, dass mir Gott einen Ausweg schenkt. Ein einziger Ersatz­reifen war in dieser Situation ebensowenig hilfreich wie sieben Brote bei viertausend hungrigen Menschen.

Auch geistlich müssen wir uns unsere Ohnmacht eingestehen – und vor allem auf diesem Gebiet sollten wir es tun. Niemand kann sich selbst von der Sünde erlösen. Niemand kann sich durch Opfer, Bußübungen oder andere Sühne­leistungen bei Gott freikaufen. Niemand kann durch eigene Willens­kraft den guten Vorsatz ver­wirklichen, künftig nur noch ganz zu Gottes Ehre zu leben. Ja, vor allem geistlich stehen wir ohnmächtig und hilflos wie Bettler vor Gott.

Wieder zurück zur Geschichte! Des Menschen Ver­legen­heiten sind Gottes Ge­legen­heiten. Wo die Jünger nicht weiter­wissen, schlägt die Stunde des Herrn. Er sagt den viertausend Leuten, sie sollen es sich noch einmal im Gras gemütlich machen. Dann nimmt er die sieben Brote und - ganz wichtig! - spricht ein Dankgebet. Danach bricht er Stücke von den Fladen ab und lässt seine Jünger sie austeilen. Auch ein paar getrocknete Fische finden sich noch, die lässt Jesus unter Dankgebet ebenfalls verteilen. Und nun geschieht das un­glaub­liche Wunder: Alle bekommen etwas ab, alle werden satt, es bleiben sogar noch sieben Körbe mit Resten übrig.

Liebe Gemeinde, wir sehen: Wo Menschen in einer Notlage nur ihre eigene Ohnmacht feststellen können, da erweist sich der Gottessohn mächtig und hilft. Auch mir hat er damals geholfen in der Kalahari­steppe. Er half mir durch einen Dorf­bewohner, der eine Luftpumpe besaß und sie mir verkaufte. So konnte ich den schlappen Reifen auf der Rückfahrt immer wieder aufpumpen und auf diese Weise noch am selben Tag meinen Heimatort erreichen. Die blaue Luftpumpe habe ich aufgehoben, und sie hat mir noch manches Jahr gute Dienste geleistet.

Auch geistlich ist es Jesus, der sich unserer Notlagen annimmt und hilft. Er hat dazu das größte Wunder vollbracht, das je auf Erden geschehen ist: Der Herr hat sein Leben in den Tod gegeben als Sühnopfer für unsere Sünden. Am dritten Tag hat ihn der himmlische Vater auferweckt und damit das Erlösungs­werk seines ein­geborenen Sohnes besiegelt. Er lebt und hilft allen, die ihm vertrauen. Wer in Notlagen gerät und nicht weiter weiß, darf ihn getrost um Hilfe bitten, und er soll das sogar tun. Wer an seinen Sünden verzweifelt und dabei die eigene Ohnmacht erkennt, darf bei Jesus immer wieder neu Vergebung suchen, und er findet sie auch. Und wer sich in der letzten und größten Not befindet an der Schwelle vom Leben zum Tod, der kann und soll darauf vertrauen, dass Jesus ihm hindurch­hilft zum ewigen Leben. Jesus kann das, Jesus will das, Jesus wird es auch tun - der Herr, der mit sieben Broten und ein paar Fischen viertausend Menschen satt bekommen hat. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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