Was es bedeutet, Jesus nachzufolgen

Predigt über Lukas 14,25‑33 zum 5. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Simon ruft: Kommt mit! Andreas bekräftigt: Ja, zieht mit Jesus mit! Und Thomas ergänzt: Reiht euch ein und folgt Jesus nach! Mit ihm könnt ihr was erleben! Hier werden Kranke gesund, hier gibt es guten Rat! Hier wird der Teufel verjagt, hier spürt man Gottes Geist! Hier werden Sünden vergeben, hier werden Tote lebendig! Viele folgen der Einladung und reihen sich ein in die Schar derer, die hinter Jesus her durchs Land ziehen. Da bleibt Jesus plötzlich stehen, dreht sich um und sagt ihnen mit ernstem Gesicht: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.“ Die Leute fragen sich betroffen: Was hat das zu bedeuten? Ist es wirklich so schwer, ein Jünger Jesu zu sein?

Seit zweitausend Jahren lädt man zur Jesus-Nachfolge ein. Erst taten es die Apostel und danach unzählige Pastoren, Missionare und andere Christen. Auch ich bin einer von denen, die immer wieder einladen: Kommt, folgt Jesus nach! Mit ihm könnt ihr was erleben! Hier findet ihr Heilung, Vergebung der Sünden, Gottes Geist und ewiges Leben! Zu allen Zeiten sind Menschen diesem Ruf gefolgt – manchmal in großen Scharen, manchmal auch nur vereinzelt, so wie heute in unserem Land. Menschlich gesprochen können wir heute froh sein für jeden, der sich ein wenig für Jesus interessiert, und wir wollen ihn nur nicht wieder vergraulen. Aber da ertönt auch heute noch die Stimme des Herrn mit dem ernsten Wort von damals; es ertönt aus der Bibel und gilt heute ebenso wie damals: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.“ Da fragen wir uns: Was hat das zu bedeuten? Ist es wirklich so schwer, ein Jünger Jesu zu sein?

Es hört sich fast so an, als sei Jesus familien­feindlich. Nicht nur einmal, sondern wiederholt hat er sich ent­sprechend geäußert. Als seine Mutter und seine Ge­schwistern einmal mit ihm reden wollten, da fragte er in die Menge: „Wer ist meine Mutter und meine Brüder?“, und gab dann selbst die Antwort: „Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter“ (Markus 4,33.35). Ein anderes Mal sprach er davon, dass der Glaube an das Evangelium unter nächsten Verwandten Zwietracht schafft, und sagte: „Ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwieger­tochter mit ihrer Schwieger­mutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Haus­genossen sein.“ (Matth. 10,35‑36) Wieder ein anderes Mal verbot er einem Jünger, seinen Vater zu beerdigen, und mutete einem anderen zu, ihm ohne Abschied von seinen Angehörigen nach­zufolgen (Lukas 9,59‑62). Hier in unserem Predigttext heißt es nun: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.“

„Und dazu sich selbst…“ – diese Worte sind bedeutsam. Sie zeigen, dass Jesus nicht familien­feindlich ist, sondern dass es ihm hier ganz grund­sätzlich um den Ernst der Nachfolge geht. Jesus hat durchaus das vierte Gebot hoch­gehalten, das fordert: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“, und er hat sich für dessen Befolgung eingesetzt. Darüber hinaus gab er dem Gebot „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ den höchsten Rang (Markus 12,31). Nein, Jesus ist nicht familien­feindlich, sondern er möchte, dass wir die nächsten Verwandten und Haus­genossen lieben, und zwar ebenso wie uns selbst. Wie passt das aber zu dem ernsten Wort, das er seinen Nachfolgern zumutet: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein“? Erinnern wir uns daran, dass Jesus dem Gebot der Nächsten­liebe ein anderes Gebot voran­gestellt hat; von beiden Geboten hat er gesagt, dass sie die größten sind, weil sie alle anderen göttlichen Gebote zusammen­fassen. Das Gebot vor der Nächsten­liebe ist das Gebot der Gottesliebe und lautet: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften“ (Markus 12,30). Da erkennen wir einen wesent­lichen Unter­schied: Den Nächsten sollen wir wie uns selbst lieben, aber Gott sollen wir mehr als uns selbst lieben und mehr als alles andere, nämlich „von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen Kräften“. Dieses Gebot der Gottesliebe sagt im Grunde nichts anderes aus als das erste und oberste der Zehn Gebote: „Ich bin der Herr, dein Gott; du sollst nicht andere Götter haben neben mir.“ Martin Luther erklärte: „Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.“ „Über alle Dinge“ – alles andere soll also hinter Gott zurück­stehen: der Besitz, die Mit­menschen, auch die nächsten Verwandten und sogar wir selbst mit unseren eigenen Wünschen und Bedürf­nissen. Dieses Zurück­stehen hat Jesus sehr drastisch mit dem Wort „hassen“ aus­gedrückt: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.“ „Hassen“ meint hier also nicht „eine Wut haben“, sondern „zurück­stellen hinter Gott“. Der himmlische Vater und sein ein­geborener Sohn sollen für uns immer am größten und wichtigsten sein.

Sehr viele Menschen zogen damals hinter Jesus her und nannten sich seine Jünger. Unzählige Menschen haben sich in den Jahr­hunderten danach zu Jesus gehalten und Christen genannt; so ist es bis heute, und wir selbst gehören zu ihnen. Wir alle müssen uns Jesu Anfrage gefallen lassen. Wissen wir wirklich, was Nachfolge ist? Sind wir ernsthaft bereit, uns ganz auf ihn ein­zulassen? Nachfolgen kann man nur, wenn man sich innerlich von allem anderen frei macht und Gott allein Gott sein lässt. Jesus lehrte: „Jeder unter euch, der sich nicht lossagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein.“ Dieses Lossagen, dieser Verzicht wird mitunter ein schmerz­licher Verzicht sein und menschlich gesehen Nachteile mit sich bringen. Darum lehrte Jesus auch: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.“

Jesus möchte, dass wir uns völlig darüber im Klaren sind, was Christsein und Nachfolge bedeutet. Er möchte, dass wir es ganz bewusst bejahen – oder andernfalls darauf verzichten, seine Jünger zu zu sein. Diese Lehre vertiefte er mit zwei Gleich­nissen.

Das erste Gleichnis handelt vom Bau eines Wachturms; man könnte auch jedes andere Bauprojekt nehmen. Jesus sagte: Wenn sich jemand ein Bauprojekt vornimmt, dann muss er zunächst einen Finan­zierungs­plan aufstellen. Sollte er fest­stellen, dass er sein Projekt nicht finanzieren kann, dann ist es besser, davon Abstand zu nehmen; andernfalls kann es passieren, dass die Baustelle zu einer Bauruine wird und der Bauherr zum Gespött seiner Mit­menschen. Mit diesem Gleichnis fragt uns Jesus: Willst du mir treu bleiben bis ans Ende? Auch dann noch, wenn ich dir Krankheit und anderes Leid zumute? Auch dann noch, wenn die bittere Stunde des Todes kommt? Mit anderen Worten: Bist du bereit, das „Bau­projekt“ der Jesus­nachfolge bis zum Ende durch­zuziehen? Wenn es dir nicht ernst damit ist, dann wird es zu einer Bauruine werden.

Das zweite Gleichnis handelt von einem Krieg. Wenn damals ein Volk von Feinden angegriffen wurde, dann musste sich der König dieses Volkes genau überlegen, ob er mit seinem Heer zur Ver­teidigung ausrückt oder ob er sich den Feinden kampflos ergibt. Kann er mit zehntausend eigenen Soldaten die zwanzig­tausend feindlichen Soldaten abwehren, oder kann er es nicht? Wer Jesus nachfolgt, zieht in den Kampf des Glaubens. Er muss wissen, dass das dem Teufel nicht gefällt und dass der ihn deswegen angreifen wird. Jesus fragt uns mit diesem Gleichnis: Willst du auch dann noch auf meiner Seite bleiben, wenn der Teufel dich ver­führerisch lockt oder mit Zweifeln anficht? Auch dann noch, wenn andere Menschen sich in Scharen von mir abwenden, weil ihnen der Kampf des Glaubens zu unbequem ist? Wenn du das nicht wirklich willst, dann ergib dich lieber gleich kampflos dem Teufel.

Jesu Worte vom Ernst der Nachfolge können uns Angst und Bange machen. Mancher wird sich fragen: Lohnt es sich denn dann überhaupt, ein Christ zu sein? Was hat es für einen Sinn, sich von allen Bindungen dieser Welt loszusagen, sich sogar selbst zu verleugnen und das Kreuz der Nachfolge auf­zunehmen? Gottes Antwort lautet: Ja, es lohnt sich. Denn du gewinnst damit Gott zum Vater. Er hat dich grenzenlos lieb und missgönnt dir nichts. Im Gegenteil, er schenkt dir alles zurück, wovon du dich um seinet­willen losgesagt hast: Besitz und Freunde und Verwandte und sogar dein eigenes Leben für die Ewigkeit. Da merken wir: Jesus mutet uns diese harten Worte nicht deshalb zu, um uns das Leben schwer zu machen, sondern deshalb, um uns zur Fülle des Lebens zu führen. Er will, dass wir uns von allem lossagen, damit wir frei werden, richtig zu glauben – also aus­schließlich auf ihn zu vertrauen. Nur darum geht es: Dass unser Vertrauen wächst und unsere Bindung an den Herrn immer fester wird. Wenn wir uns das klarmachen, können wir uns leichten Herzens von allem lossagen und mit dem Apostel Paulus sprechen: „Ich habe gelernt mir genügen zu lassen, wie's mir auch geht. Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides satt sein und hungern, beides, Überfluss haben und Mangel leiden; ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht“ (Phil. 4,12‑13). Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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