Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Was ist die richtige Religion? Welchen Gott soll man anbeten? Seit Jahrtausenden beschäftigt diese Frage die Menschheit. Es hat unzählige Streitgespräche und sogar entsetzliche Kriege um sie gegeben. Aus diesem Grund sind heute viele Menschen geneigt, diese Frage zu den Akten der Geschichte zu legen und zu sagen: Es gibt nur einen Gott, aber es letztlich egal, unter welchem Namen und wie man ihn anbetet. So gibt es Bestrebungen einer Ökumene der Religionen, die besonders Muslime, Juden und Christen miteinander versöhnen und zu gemeinsamer Anbetung bringen will. Solche religiöse Toleranz liegt in Deutschland seit Friedrich dem Großen voll im Trend. Sie hat den Vorteil, dass damit viele Konflikte entschärft werden können. Toleranz macht jedoch nicht die Frage überflüssig: Wie will denn Gott selbst angebetet werden? Beim Gottesdienst ist ja letztlich nicht entscheidend, was wir gut finden, sondern was Gott uns sagt. Darum sollten wir verbindliche Antworten auf die Frage nach der richtigen Religion nicht beim Zeitgeist suchen, sondern bei Gottes Geist. Der aber begegnet uns in der Bibel und in dem, was Jesus gesagt hat.
Besonders der Abschnitt aus dem Johannesevangelium, den wir eben gehört haben, enthält Jesu Antwort auf die Frage: Was ist die richtige Religion? Freilich kann uns Jesu Antwort verblüffen, denn er sagte: „Das Heil kommt von den Juden.“ So könnte man auf die Idee kommen, dass Jesus unter den drei Weltreligionen Islam, Christentum und Judentum dem Judentum den Vorzug gibt. Aber wir dürfen nicht übersehen: Als Jesus das gesagt hatte, gab es noch keinen Islam und auch noch kein Christentum. Die christliche Kirche ist erst Jahre später beim Pfingstfest entstanden mit der Ausgießung des Heiligen Geistes, und der Islam noch viel später. Deshalb müssen wir diesen Bibelabschnitt schon genauer betrachten, um Gottes Antwort zu verstehen auf die Frage: Was ist die richtige Religion; wie will er angebetet werden?
Als Jesus einmal auf der Durchreise von Judäa nach Galiläa war, rastete er am Brunnen des samaritischen Ortes Sychar und begann dort ein Gespräch mit einer Frau, die gerade Wasser holte. Erst bat er die Frau um Wasser, dann bot er ihr selbst „lebendiges Wasser“ an, dann sagte er ihr auf den Kopf zu, mit wieviel Männern sie schon zusammen gewesen war. Die Frau war tief beeindruckt und merkte, dass der Fremde ein richtiger Prophet ist. Außerdem war sie sich bewusst: Er ist ein Jude, sie selbst aber eine Samaritanerin. Von Juden und Samaritanern wurde damals die Frage nach der richtigen Religion unterschiedlich beantwortet. So nutzte die Frau diese Gelegenheit, um den begnadeten Gottesmann nach seiner Meinung zu fragen. Höflich kleidete sie ihre Frage in eine allgemeine Bemerkung: „Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll.“ Sychar lag am Fuß des Berges Garizim; Jesus und die Samariterin werden seinen fast 900 Meter hohen Gipfel bei dem Gespräch vor Augen gehabt haben. Der Garizim galt den Samaritern als heiliger Berg; dort stand einst ihr Tempel, und dort feierten ihre Opferfeste für den einen Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat – den Gott ihrer Vorväter Abraham, Isaak und Jakob. Auch die Juden beteten diesen einen wahren Gott an und opferten ihm, aber nicht am Berg Garizim, sondern in Jerusalem beim Tempel.
Jesus antwortete der Frau mit einer kurzen Predigt, die es allerdings in sich hat. In dieser Predigt sagte er den bemerkenswerten Satz: „Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden.“ Jesus machte der Frau damit deutlich: Ihr Samariter kennt den Gott, den ihr anbetet, nicht genau. Die Samariter hatten zwar die Mosebücher als heilige Schrift, aber nicht die Prophetenbücher des Alten Testaments. Gerade die Prophetenbücher aber kündigen das kommenden Heil an, den kommenden Messias, den Gott für Israel und alle Völker schicken wollte. Die Juden zählten auch die Prophetenbücher zu ihren heiligen Schriften; sie hörten auf Gottes Wort aus dem gesamten Alten Testament. Darum sagte Jesus: „Wir Juden wissen, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden.“ Nur wer Gottes Wort ganz annimmt, ohne Abstriche und ohne menschliche Zusätze, erkennt Gott, wie er in Wahrheit ist, und kann ihn dann so anbeten, wie er angebetet sein will. Hier wird deutlich: Jesus lehrt nicht eine religiöse Toleranz, bei der offen gelassen wird, wie man Gott richtig anbetet. Jesus verweist vielmehr auf Gottes Willen, wie er durch die Propheten offenbart ist. Danach haben wir uns zu richten; das ist der eine verbindliche Maßstab, an dem sich entscheidet, was die richtige Religion ist.
Aber nun hat Jesus in dieser Predigt noch mehr gesagt. Er hat dabei eine Perspektive eröffnet, die jede Religion im herkömmlichen Sinn übertrifft, auch die rechte Gottesanbetung der Juden in Jerusalem. Er sagte: „Es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit.“ Mit Jesus bricht eine neue Zeit an; da ist es nicht mehr wichtig, wo und in welchem Tempel der himmlische Vater angebetet wird. Nun will er überall angebetet sein, auf allen Kontinenten, in Wohnzimmern und in Kathedralen, in Dorfkirchen und im Wüstensand. Wichtig ist nur, dass er im Geist und in der Wahrheit angebetet wird. Jesus bekräftigt das mit dem Satz: „Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in Wahrheit anbeten.“ Es ist der Geist, der durch die Propheten geredet hat. Ihre Botschaft finden wir in den heiligen Schriften der Juden, im Alten Testament; insofern kommt das Heil von den Juden. Aber das Alte Testament ist dabei keineswegs ein Schlusspunkt der Gottesoffenbarung, sondern vielmehr ein Doppelpunkt: Es weist über sich selbst hinaus auf eine kommende Zeit, auf Gottes neuen Bund, auf die „letzten Tage“, wie diese Zeit auch genannt wird. Für diese Zeit ist verheißen, dass Gott seinen Geist ausgießen wird. Es ist die Heilszeit des Herrn Jesus Christus, die Zeit, die unter dem Segen seines Opfertodes und seiner Auferstehung steht. Es ist die Zeit, die Gott dann offiziell unter wunderbaren Erscheinungen mit dem Pfingstfest eröffnet hat. Es ist die Zeit, in der die Wahrheit des Evangeliums in die Welt getragen wird: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh. 3,16). Diese Wahrheit ist unlöslich mit dem Mensch gewordenen Gottessohn verbunden, der von sich gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh. 14,6). Wenn er hier verkündigt: „Die wahren Anbeter werden den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten“, dann können wir für „Wahrheit“ ihn selbst einsetzen, Jesus Christus, den eingeborenen Sohn des Vaters. So bekommen wir eine gute und vor allem verbindliche Antwort auf die Frage, wie denn Gott jetzt, in der Zeit des neuen Bundes, angebetet werden will: „Die wahren Anbeter werden den Vater im Geist und in seinem Sohn anbeten – in seinem Sohn, der die Wahrheit in Person ist.“ Wir sehen: Gott will seit Pfingsten als der Dreieinige angebetet werden, als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Dabei kommt es, wie gesagt, nicht auf den Ort an, nicht auf das Gebäude, nicht auf bestimmte Formulierungen oder Rituale. Denn nicht wir Anbeter sind es, die sich durch religöse Aktivitäten einen Weg zum Himmel bauen müssen, sondern der himmlische Vater ist es, der durch seinen Sohn zu uns herabgekommen ist und uns erlöst hat; das verkündigt uns der Heilige Geist durch das Evangelium. Sich so von Gott beschenken zu lassen und ihm dafür zu danken, das ist die eine wahre Gottesanbetung, die Gottes Willen entspricht.
Das Heil kommt von den Juden. Das Heil findet seine Erfüllung in dem Messias der Juden, also in dem Erlöser, den Gott Juden und Heiden versprochen hat und der in der Person von Jesus Christus gekommen ist. Die samaritische Frau hat das erkannt; Jesu Predigt hat ihre Wirkung bei ihr nicht verfehlt. Sie antwortete: „Ich weiß, dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen.“ Da bestätigte ihr Jesus: „Ich bin's, der mit dir redet.“ Dieses „Ich bin's“ ist ganz entscheidend. In diesem „Ich bin's“ stecken die Titel „Herr“ und „Gott“ drin. Mit diesem „Ich bin's“ bezeugt Jesus: Wer Gott finden will, kommt um mich nicht herum – „niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh. 14,6). Das gilt für alle Menschen, egal mit welcher Religion sie groß geworden sind. Das gilt für Samaritanerinnen ebenso wie für Juden, Christen und Muslime. Wenn ein Jude nicht in Jesus den gottgesandten Messias erkennt, dann betet er nicht im Geist und in der Wahrheit an. Wenn ein Christ in Jesus nur einen genialen Religionsstifter und menschenliebendes Vorbild sieht, dann hat er nicht den richtigen Glauben. Wenn ein Muslim einerseits vom Propheten Jesus Christus redet, andererseits aber nicht auf das hören will, wass dieser Prophet Jesus von sich selbst verkündigt hat, dann befindet er sich auf einem Irrweg.
Möge uns Gottes Geist vor allen Irrwegen bewahren und zur rechten Anbetung führen – zur Anbetung nach Gottes Willen, die uns selig macht. Denn „die wahren Anbeter werden den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Amen.
PREDIGTKASTEN |