Was wir uns von Jesus wünschen

Predigt über Johannes 4,15 zum Pfingstsonntag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Am ersten christ­lichen Pfingstfest wurden etwa 3.000 Menschen getauft. Am Evan­gelischen Kirchentag in Hamburg nahmen vor ein paar Wochen etwa 150.000 Menschen teil. Auf der ganzen Welt gibt es etwa eine Milliarde Christen. Offen­sichtlich ist das Christentum eine Massen­bewegung. Und doch interes­siert sich Jesus nicht für große Zahlen, sondern für den einzelnen Menschen. Du kannst sicher sein, dass er sich für dich ganz persönlich interes­siert. Jesus kümmert sich um jeden Einzelnen. Das zeigt auch das Gespräch, das Jesus einst mit einer Frau am Dorfbrunnen von Sychar führte. Er unterhielt sich da allein mit einer fremden Frau. Für damalige Verhält­nisse war das in mehrfacher Hinsicht skandalös. Erstens war es skandalös, dass er als Rabbi, als Theologe, mit einer Frau sprach. Theo­logische Lehr­gespräche waren damals Männer­sache; Frauen und Kindern traute man nicht den dafür nötigen Verstand zu. Zweitens war es skandalös, weil diese Frau einen anstößigen Lebens­wandel führte. Sie hatte schon ein paar Scheidungen hinter sich und lebte gerade un­verheiratet mit einem Mann zusammen. Drittens war es skandalös, dass diese Frau den falschen Glauben hatte. Sie betete Gott nicht im Jerusalemer Tempel an, wie es alle frommen Juden machten, denn sie gehörte zum Volk der Sama­ritaner, die eine andere Glaubens­richtung vertraten. Aber wir wissen: Jesus lässt sich nicht von Vorurteilen leiten, sondern geht auf den Einzelnen (oder in diesem Fall die Einzelne) zu, um zu helfen.

Wie hat er der Frau am Brunnen geholfen? Zunächst sah es so aus, als ober er selbst Hilfe nötig hätte. Er war mit seinen Jüngern auf der Durchreise von Judäa nach Galiläa. Um die Mittagszeit kamen sie zu dem Brunnen beim Ort Sychar. Jesus war sehr erschöpft; er war eben auch ganz Mensch. Seine Jünger gingen in die Stadt, um Lebens­mittel zu kaufen. Da geschah es, dass die Samariterin auftauchte. Sie hatte einen Tonkrug zum Wasserholen dabei. Jesus bat sie: „Gib mir zu trinken!“ Die Frau wunderte sich, dass Jesus sie ansprach, und so kamen sie miteinander ins Gespräch. Wie gesagt, erst brauchte der durstige Jesus ihre Hilfe, aber dann bot er selbst Hilfe an. Er sagte: „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn und er gäbe dir lebendiges Wasser.“ Als sie verständnis­los nachfragte, wo er denn lebendiges Wasser hernehmen wolle, da setzte er noch eins drauf und verkündete ihr: „Wer von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.“ Da bekam die Frau so großes Verlangen nach diesem wunderbaren Wasser, dass sie Jesus bat: „Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen!“

Können wir das verstehen? Können wir uns vorstellen, dass wir an der Stelle der Frau ebenso geantwortet hätten: „Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen“? Ist es das, was wir uns von Jesus wünschen? Sind wir uns überhaupt darüber im Klaren, was wir uns von Jesus wünschen?

Die Samariterin hat sich erstens Entlastung gewünscht. Der tägliche Gang zum Brunnen machte ihr Mühe. Immer wenn sie Durst bekam und der Krug leer war, musste sie mit am Gaumen klebender Zunge den Weg zum Ort hinaus nehmen, viele Stufen in die Zisterne hinab­steigen, schöpfen und dann den vollen Krug wieder herauf­tragen. Wenn sie nun Wasser bekäme, das den Durst für immer stillt, dann könnte sie sich diese Mühe künftig sparen. „Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen!“ Das kennen wir auch: Alltags­mühen, die uns jahraus, jahrein begleiten – an der Arbeits­stelle oder zuhause, in der Familie oder im Kreis anderer Menschen: Überall gibt es Be­lastungen, die wir nicht abschütteln können und die uns mit der Zeit mürbe machen. Wie schön wäre es da, wenn Jesus ein Wunder­mittel bereit hielte, um uns ein für alle Mal zu entlasten!

Jesus könnte das ohne Weiteres, aber er tut es nicht. Die Alltags­mühen sind uns Menschen nun einmal von Gott bestimmt; wir müssen sie ertragen, solange wir auf dieser Erde leben. Denn solange die Erde steht, gilt Gottes Urteilsspruch über Adam und seine Söhne: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“ (1. Mose 3,19). Dieser Urteils­spruch hängt mit der Sünde zusammen. Unsere Sünde, unser gestörtes Verhältnis zu Gott, ist die eigentliche Ursache, warum wir unter den Mühen des Lebens leiden. Aber wenn wir uns das klar machen, dann merken wir auch: Eigentlich bleibt unser Wunsch nach Entlastung nicht unerfüllt. Zwar mutet uns Gott immer noch äußere Mühen zu, aber die Sündenlast nimmt er uns ab und bringt das gestörte Verhältnis zu ihm in Ordnung. Das hat Jesus für uns getan, uns das schenkt er uns, jedem Einzelnen! Mit der Taufe hat er dir gesagt: Du gehörst zu mir! Wenn du deine Schuld bekennst, spricht er dir zu: Dir sind deine Sünden vergeben! Im Heiligen Abendmahl zeigt er dir: Ich komme zu dir und wohne in dir! Wir können aufatmen; Jesus entlastet uns. Er tut es durch seinen Geist. Denn niemand anders als der Heilige Geist ist es, der Christi Heil zu uns bringt. Niemand anders als der Heilige Geist ist es, den Jesus mit dem lebendigen Wasser meinte, das er geben will. Niemand anders als der Heilige Geist ist es, den Gott reichlich ausgegossen hat über sein Jünger beim ersten christ­lichen Pfingstfest – ausgegossen wie lebendiges frisches Wasser vom Himmel, das belebt und Wachstum bringt.

Die Samariterin hat sich zweitens ein Lebens­mittel gewünscht. Trinkwasser ist das wichtigste Lebens­mittel überhaupt. Wenn ein Mensch kein Wasser hat, dann ist er in wenigen Tagen tot. Und wenn sein Trinkwasser ver­unreinigt ist (zum Beispiel durch Krankheits­keime), dann hat das schlimme Folgen. Sicher hatte die Frau schon manche Dürre­periode erlebt und durch­litten, wo es am Boden der Zisterne nur noch eine schlammige Pfütze gab. Wie alle Menschen damals wusste sie, was es bedeutet, wenn man seinen Durst nicht richtig stillen kann und wenn sich infolge­dessen Kopf­schmerzen, Schwindel­gefühle und Mattigkeit einstellen. Mangel an sauberem Trinkwasser macht krank – auch darum bat sie Jesus: „Herr, gib mir solches Wasser!“ Nun leben wir ja glücklicher­weise in einer Zeit und in einem Land, wo kein Wasser­mangel herrscht und wo auch alle anderen nötigen Lebens­mittel vorhanden sind, sogar im Überfluss. Was Hunger, Durst und verseuchtes Trinkwasser bewirken können, das erfahren wir nur aus anderen Gebieten der Welt, und wir erschrecken darüber. Wie gut, wenn wir dabei nicht abstumpfen, sondern aus solchen Nachrichten Gebete machen, Wünsche an Jesus: Herr, gib den Menschen sauberes Wasser! Gibt ihnen zu essen; gib ihnen Medizin; gib ihnen alles, was sie nötig haben!

Viele Menschen sind irritiert oder auch enttäuscht, dass Jesus solche Bitten nicht immer gleich erfüllt. Wir sollten uns aber klar machen, dass unsere Erde genug Trinkwasser und genug Lebens­mittel besitzt, um allen das Nötige zu geben. Wenn Menschen Mangel leiden, dann ist nicht Jesus dafür ver­antwort­lich, sondern wir Menschen sind es, die wir nicht ent­schlossen genug für eine gerechte Verteilung sorgen. Dasselbe gilt für das lebendige Wasser des Heiligen Geistes. Jesus hat am Kreuz die Sünden der ganzen Welt getragen; es reicht für alle; alle können selig werden. Dieser Heilige Geist kommt durch Gottes frohe Botschaft zu uns. Jeder kann vom Evangelium trinken und dabei die gewisse Hoffnung haben, dass seine Seele nie mehr Durst leiden muss. Dieses Wasser und das Lebensbrot Jesus Christus übertreffen deshalb alle Lebens­mittel der Welt; sie sind die Mittel, durch die wir ewige leben können. Bedienen wir uns und reichen wir sie auch an andere weiter, die danach verlangen!

Die Samariterin hat sich drittens etwas gewünscht, was Jesus scheinbar nicht geben konnte. Wie sollte der matte Reisende, dem selbst die Zunge am Gaumen klebte, ihr lebendiges Wasser geben können? Das ging ganz gegen den Verstand. Aber mit ihrem Herzen hatte die Frau erkannt, dass dieser Mann sie nicht belügt. Sie verstand ihn zwar nicht, aber sie vertraute ihm. Und so fand sie den Mut, ihn um das zu bitten, was er ihr zwar anbot, was er aber scheinbar nicht geben konnte: „Herr, gib mir solches Wasser!“ Damit steht diese Frau für alle Christen, die mit ihrem Verstand zweifeln, aber in ihrem Herzen glauben. Jesus kommt uns oft so schwach und müde vor; auch seine Kirche kommt uns schwach und müde vor; sie scheint gerade in dieser Zeit viel von ihrer Kraft eingebüßt zu haben. Und doch dürfen wir in unseren Herzen die Gewissheit haben: Hier sprudelt noch die Quelle lebendigen Wassers! Hier wird noch das lebens­spendende Evangelium ausgeteilt! Hier wird noch der Heilige Geist aus­gegossen, durch den wir das Beste kriegen, was wir uns nur wünschen können: Vergebung der Sünden, Frieden mit Gott und ewiges Leben. Der Verstand zweifelt daran, dass Jesus uns das geben kann, aber das vom Heiligen Geist angerührte Herz lernt zu vertrauen: Ja, Jesus, bei dir ist die Quelle des Lebens! Bei dir können wir uns satt trinken mit dem lebendigen Wasser des Heiligen Geist, sodass wir nie mehr Durst leiden müssen – jeder einzelne von uns! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum