Das Heil kommt von oben

Predigt über Johannes 17,1‑8 zum Sonntag Palmarum

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wir können uns nicht zu Gott empor­schwingen, aber Gott kommt zu uns herab. Weder unsere gläubigen Gedanken noch unsere gebeteten Worte noch unsere guten Taten heben zu uns zu Gott empor, auch nicht Opfer, Rituale oder geistliche Musik. Aber Gott ist zu uns herab­gekommen aus seiner ewigen Welt und hat uns seine Herrlich­keit gezeigt. Darüber hat der Gottessohn mit seinem himmlischen Vater im Gebet gesprochen. Den Anfang dieses sogenannten hohe­priester­lichen Gebets haben wir eben als Predigttext gehört.

Es lohnt sich, bereits auf die ein­leitenden Worte zu achten: „So redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel.“ Der Apostel Johannes ist bekannt dafür, dass er in seinem Evangelium das Besondere überliefert hat: Einzel­heiten, die mancher vielleicht neben­sächlich findet, die aber doch bedeutsam sind. Wir erfahren hier nicht, ob Jesus kniete oder stand, ob er die Hände zum Himmel aufhob oder ob er sie faltete, aber wir erfahren hier, dass er nach oben blickte, gen Himmel. Er sah hinauf zu dem, mit dem er redete, zu seinem himmlischen Vater. Er sah hinauf zu dem, mit dem er in Verbindung bleiben wollte, dem er vertraute und auf dessen Hilfe er hoffte. Seine Gebets­haltung drückt das aus, was der Beter des 123. Psalms folgender­maßen in Worte gekleidet hat: „Ich hebe meine Augen auf zu dir, der du im Himmel wohnst. Siehe, wie die Augen der Knechte auf die Hände ihrer Herren sehen, wie die Augen der Magd auf die Hände ihrer Frau, so sehen unsre Augen auf den Herrn, unsern Gott, bis er uns gnädig werde.“ Mit dieser Einstellung sollen auch wir beten: Nicht so, dass wir unsere Gebete als fromme Pflicht ab­solvieren, und auch nicht so, dass wir uns mit unseren Gebeten zu Gott auf­schwingen wollen, sondern so, dass wir demütig auf die Geberhände des himmlischen Vaters achten und darum bitten, dass uns aus ihnen Gutes zuteil wird.

Das große Thema im ersten Teil von Jesu hohe­priester­lichem Gebet ist Gottes Herrlich­keit. Gleich zu Anfang betet er: „Vater, die Stunde ist da: Ver­herrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich ver­herrliche.“ Und wenig später betet er noch einmal ganz ähnlich: „Ich habe dich ver­herrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. Und nun, Vater, ver­herrliche du mich bei dir mit der Herrlich­keit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“ Gottes Herrlich­keit können wir erst dann recht verstehen, wenn wir sie in den Beziehungen zwischen den Personen der Drei­einig­keit betrachten, besonders in der Beziehung zwischen Vater und Sohn. Denn da erkennen wir: Gottes Herrlich­keit ist nicht nur eine Eigenschaft oder ein Zustand, sondern sie ist vor allen Dingen ein Geschehen. Dieses Geschehen hat damit begonnen, dass der eingeborene Sohn Mensch wurde: „… und wir sahen seine Herrlich­keit, eine Herrlich­keit als des ein­geborenen Sohns vom Vater“ (Joh. 1,14). Dieses Geschehen zeigt sich darin, dass Jesus mit seinem ganzen Erdenleben den Vater ver­herrlicht hat. Er hat gänzlich zu seiner Ehre gelebt, gänzlich das Gesetz erfüllt, sich gänzlich liebevoll und wahrhaftig verhalten. Nun, am Tag vor seinem Tod, ist die Stunde heran­gekommen, wo er in seiner mensch­lichen Natur nichts mehr aktiv zur Ver­herrlichung des Vaters tun kann; er kann nur noch stillhalten und aushalten, was der Vater ihm zu leiden auferlegt. Indem der Vater es tut, ver­herrlicht er seinerseits den Sohn in ganz besonderer Weise: Er nimmt ihn an als Sühnopfer für alle Sünden der Welt. Am dritten Tage dann ver­herrlicht er seinen Sohn in der Auf­erweckung von den Toten und übergibt ihm alle Macht im Himmel und auf Erden. Ja, Gottes Herrlich­keit lebt von der Beziehung zwischen Vater und Sohn; es ist ein gegen­seitiges Ver­herrlichen, das uns Menschen alles Heil bringt. So ist Gottes Herrlich­keit und Heil von oben zu uns Menschen gekommen.

Und so ist es nahe­liegend, dass Jesus in diesem Gebet nicht nur über seine Beziehung zum himmlischen Vater spricht, sondern auch von seiner Beziehung zu den Menschen – besonders zu denen, die einmal das Ziel der ewigen Seligkeit erreichen werden. Darum heißt es im hohen­priester­lichen Gebet: „Du hast dem Sohn Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast. Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.“ Das Heil kommt von oben, vom himmlischen Vater, und es kommt durch einen einzigen Kanal zu uns: durch Jesus Christus, den Gott uns gesandt hat. An ihm allein entscheiden sich Leben und Tod, Seligkeit und Verdammnis. Der Vater hat dem Sohn alle Macht gegeben: die Macht, die Menschen am Kreuz zu erlösen; die Macht, sie durch den Heiligen Geist zum Glauben zu erwecken; und schließlich die Macht, sie am Jüngsten Tag zu richten. Jesus selbst hat das immer wieder betont. Er hat zum Beispiel gesagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh. 14,6). Und er hat nach seiner Auf­erstehung gesagt: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden“ (Matth. 28,18). Und der Apostel Petrus hat von ihm bezeugt: „In keinem anderen ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden“ (Apostel­gesch. 4,12). Es gibt nur einen Weg zum ewigen Leben, und das ist der Glaube – nicht einfach der Glaube an Gott den Vater, den Schöpfer Himmels und der Erden, sondern damit verbunden der Glaube an den Sohn, den der Vater gesandt hat, um durch ihn die Welt zu erlösen.

Solchen Glauben wirkt der Heilige Geist, der vom Vater und vom Sohn ausgeht. Da tritt nun in dieser Heils­bewegung von oben nach unten die dritte Person des dreieinigen Gottes auf den Plan. Der Geist kommt aber nicht einfach so als göttliche Eingebung zu uns, sondern er kommt durch Gottes Wort, gepredigt von seinen be­vollmächtig­ten Boten. Auch dies erfahren wir durch Jesu hohe­priester­liches Gebet, denn Jesus sagt zum himmlischen Vater: „Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt. Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt. Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.“ Ganz klar: Jesus redet hier von seinen Aposteln – wenigstens von den elf Aposteln, die ihm treu geblieben sind. Sie haben die Worte gehört, die Jesus gepredigt hat. Sie haben die Wunder­zeichen miterlebt, die ihnen offen­barten: Jesus ist das Fleisch gewordene Wort, mit dem Gottes Herrlich­keit in die Welt gekommen ist. Sie werden auch Augen- und Ohrenzeugen seines Kreuzes­todes und seiner Auf­erstehung, wodurch Gott allen Menschen das Heil erworben hat. Zu Pfingsten empfangen sie den Heiligen Geist, den Jesus verheißen hat. Als Apostel tragen sie die frohe Botschaft und das Heil Christi in die Welt. Der Heilige Geist befähigt sie, es genau auf die Weise zu tun, die Jesus ihnen aufgetragen hat: durch Taufen und durch Predigen. Dabei wirkt das Wort auch im Zuspruch der Sünden­vergebung, für die sie be­vollmäch­tigt sind, und in der Feier des Heiligen Abendmahls, das Christus eingesetzt hat. Wie gesagt, der Heilige Geist kommt durchs Wort – sowohl in Form der aposto­lischen Ver­kündigung als auch in Form der heiligen Sakramente. Diese Mittel des Heiligen Geistes werden darum Gnaden­mittel genannt. Sie sind gewisser­maßen das Verbindungs­stück, wo Gottes Herrlich­keit direkt in unser heutiges Leben mündet. Ja, das Heil kommt von oben: vom himmlischen Vater über seinen Sohn über den Heiligen Geist über die Apostel über Wort und Sakrament bis hinein in jede christliche Gemeinde, wo Wort und Sakrament nach Christi Einsetzung und aposto­lischem Vorbild gebraucht werden.

Niemand sollte meinen, er könne sich selbst zu Gott empor­schwingen; er kann sich das Heil nur erbitten und von oben schenken lassen. Niemand sollte meinen, er könne das Heil auf anderem Weg erlangen als durch Jesus Christus; allein der Gottessohn hat uns erlöst und hat die Macht, uns selig zu machen. Niemand sollte meinen, er können Jesus woanders finden als im Evangelium der Apostel und in den Sakramenten der Kirche; nur auf diesem Weg wirkt der Heilige Geist den seligmachen Glauben. Das alles lehrt und Jesu hohe­priester­liches Gebet. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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