Glauben und Handeln

Predigt über Römer 4,1‑5 zum Sonntag Septuagesimä

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Glaube ist wichtig. Sehr viele Menschen können diesen Satz unter­schreiben. Zum Beispiel ein Marathon­läufer. Der nimmt sich vor, über 42 Kilometer ein hohes Lauftempo durch­zuhalten und dann als erster die Ziellinie zu überqueren. Er weiß: Mein Vorhaben kann nur gelingen, wenn ich fest an den Sieg glaube. Dasselbe lässt sich von anderen persönlichen Zielen und Handlungen sagen: Nur wenn einer an den Erfolg glaubt, hat er das nötige Durchhalte­vermögen. Man darf dabei allerdings nicht übersehen: Es gibt unzählige Menschen, die ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreicht haben, obwohl sie daran glaubten.

So ein Erfolgs­glaube hat nun freilich mit dem christlichen Glauben wenig zu tun. Der selig­machende Glaube an Gott ist keineswegs ein Hilfsmittel für erfolg­reiches Handeln. Der Apostel Paulus hat den Zusammenhang von christlichem Glauben und Handeln in seinem Brief an die Römer ausführlich besprochen. Für „Handeln“ sagt er „Werke des Gesetzes“, denn es war ihm wie den meisten Menschen damals klar: Gutes Handeln muss sich an Gott und seinen Geboten orientieren. In den ersten Kapiteln entfaltete er ausführlich den berühmten Satz: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“ (Rö. 3,28). Also: Bei der Beziehung zu Gott kommt es letztlich nicht darauf an, wie ein Mensch handelt und wie erfolgreich er dabei ist, sondern ob er Gott vertraut. Paulus hat das als Jude für eine Gemeinde von überwiegend jüdischen Personen dargelegt, darum begründet er seinen Satz unter anderem am Beispiel ihres Stammvaters Abraham. Das geschieht in dem Abschnitt, den wir eben als Predigttext gehört haben. Dabei zitiert er aus dem Ersten Buch Mose folgenden Satz: „Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtig­keit gerechnet worden.“ Was steckt dahinter?

Abraham konnte Gottes Stimme hören. Gott sagte ihm wiederholt: Ich will dich segnen und aus deinen Nachkommen ein großes Volk machen. Eines Nachts ließ Gott ihn den Sternhimmel betrachten. Das war ein Sternhimmel! Ohne Streulicht, ohne Luft­verschmut­zung, mit vielen tausend funkelnden Sternen! Gott sagte zu Abraham: Kannst du alle Sterne zählen? Nein? Auch das Volk deiner Nachkommen wird aus unzählig vielen Menschen bestehen. Da erwiderte Abraham: Wie soll das denn gehen? Meine Frau Sara und ich, wir haben keine Kinder und können auch keine mehr bekommen. Wenn ich einmal sterbe, dann wird mein Verwalter alles erben. Da sagte Gott zu ihm: Nein, du wirst noch einen leiblichen Sohn bekommen, der wird alles erben und viele Nachkommen haben. Und dann steht da der berühmte Satz, den Paulus zitiert hat: „Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtig­keit“ (1. Mose 15,6).

Wir merken: Es ging da gar nicht um etwas, das Abraham selbst gern schaffen wollte. Es ging nicht einmal um etwas, das er für möglich hielt. Gott selbst war es, der handeln wollte: Er wollte dem alten Abraham und seiner alten Frau Sara noch ein Kind schenken. Es ist klar, dass das nicht mit Willens­anstrengung geht. Jeder, der etwas vom Kinderzeugen versteht, weiß: Der Glaube an den Erfolg führt eher nicht zum Ziel. Aber Abraham glaubte ja auch gar nicht an seinen späten Erfolg beim Kinder­kriegen, sondern er glaubte an Gott. Er dachte: Wenn Gott das so sagt, dann wird das auch eintreffen, selbst wenn alles dagegen spricht. Gott­vertrauen gegen den Augenschein – das ist der Glaube, um den es hier geht.

Dieses Gott­vertrauen wurde nicht enttäuscht. Gott schenkte Abraham und Sara einen Sohn, den nannten sie Isaak. Als der ein Teenager war, stellte Gott Abrahams Glauben auf eine harte Probe. Er trug ihm auf, seinen Sohn zu töten und als Menschen­opfer dar­zubringen. Wieder ging es um etwas, das Abraham nicht von sich aus wollte, ja, das er sicher gern verhindert hätte. Aber wieder war sein Vertrauen stärker. So schickte er sich an, das Schwere auszuführen, das Gott von ihm verlangte. Er dachte sich dabei: Selbst wenn ich Isaak töte, kann Gott ihn dann immer noch von den Toten auferwecken und die Verheißung mit dem großen Volk wahr machen. Im letzten Augenblick griff Gott ein und verhinderte Isaaks Tötung. Dabei ließ er Abraham wissen: Jetzt erkenne ich, dass du mir wirklich vertraust. Auch da ging es wieder um den rechten selig­machenden Glauben, der gegen allen Augenschein auf Gottes Wort vertraut und den Gott zur Gerechtig­keit anrechnet.

Der Segen, den Gott Abraham verheißen hat, wurde mit ganzer Herrlichkeit offenbar in dem Abrahamssohn Jesus Christus. In ihm ist auch die ganze Herrlichkeit der Glaubens­gerechtig­keit offenbar geworden. Und wieder war es Gottes Wort und Gottes Handeln, das dem Glauben vorausging. Seht, das ist der Unterschied zwischen den Religionen und dem christlichen Glauben: Bei allen Religionen muss der Mensch mit Glaubens­anstrengung handeln, um mit Gott ins Reine zu kommen; beim christlichen Glauben dagegen handelt Gott selbst in seinem eingeborenen Sohn und bringt unsere gestörte Beziehung zu ihm in Ordnung. Auch hier tut Gott es wieder gegen den Augenschein: Er lässt zu, dass sein Sohn fest­genommen, gefoltert, verurteilt und hingerichtet wird. Aus menschlicher Sicht ist das eine große Tragödie und Niederlage, aber bei Gott ist das der größte Sieg, den diese Welt je gesehen hat. Dieser Sieg ist dann mit Christi Auferstehung offenbar geworden. Das Evangelium ist die frohe Botschaft von diesem Sieg, bezeugt in der Bibel und gepredigt in der ganzen Welt. Wer nach Abrahams Vorbild dieses Gotteswort hört und ihm gegen alle menschliche Skepsis Vertrauen schenkt, der ist ist bei Gott gerecht, der wird selig. Wie heißt es doch bei Paulus? „Dem, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtig­keit.“

„Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtig­keit“ – dieser Satz aus dem Alten Testament ist nicht nur hier im Römerbrief zitiert worden, sondern auch im Jakobusbrief – allerdings in einem Zusammen­hang, der uns stutzig machen kann. Der Apostel Jakobus schrieb: „Ist nicht Abraham, unser Vater, durch Werke gerecht geworden, als er seinen Sohn Isaak auf dem Altar opferte? … So ist die Schrift erfüllt worden, die da spricht: Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtig­keit gerechnet worden… So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein.“ (Jak. 2,21‑24) Geht es also doch nicht ohne Werke, nicht ohne eigene Anstrengung? Jakobus hat an Leute geschrieben, die ebenso wie viele unserer Zeitgenossen eine falsche Auffassung vom Glauben hatten. Sie meinten, man brauche einfach nur für wahr zu halten, dass es den einen Gott gibt, und könne ansonsten so leben, wie es einem gefällt, dann werde man schon selig. Jakobus hat in seinem Brief gezeigt, dass solcher Glaube nicht der selig­machende Glaube ist, nicht der Abrahams­glaube, nicht das grenzenlose Vertrauen auf Gottes Zusage gegen allen menschlichen Augenschein. Niemand soll sich einbilden, dass so ein bloßes Fürwahr­halten der Existenz Gottes ihn selig macht. Das grenzenlose Vertrauen in Gott äußert sich vielmehr darin, dass dieser Glaube Frucht bringt. Denn wer Gottes Verheißungen vertraut, der vertraut auch darauf, dass Gottes Gesetz gut ist, und wird darum versuchen, ihm zu gehorchen. Nicht anders ist Abrahams Gehorsam zu verstehen, als er zur Opferung Isaaks bereit war. Das gute Handeln nach Gottes Geboten ist also eine Folge des selig­machenden Glaubens – auch wenn es in dieser Welt nicht vollkommen ist, sondern immer wieder von Sünde durchmischt.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, falsch ist ein Glaube, der nur ein Hilfsmittel für erfolg­reiches Handeln sein soll, ein Mittel zum Zweck zum Erreichen der eigenen Ziele. Recht ist der Glaube an den barmherzigen Gott, der sich in Christus offenbart hat. Dieser Glaube vertraut auf Gottes Zusagen und Gottes Handeln. Und dieser Glaube äußert sich dann auch in einem guten Handeln. Noch einmal: Rechter Glaube ist kein Hilfsmittel für erfolg­reiches Handeln, sondern die Voraus­setzung für gott­gefälliges Handeln. Dieser Glaube, und nur dieser, macht den Sünder vor Gott gerecht. So war es schon bei Abraham, den Stammvater nicht nur aller Juden, sondern auch aller Glaubenden. Denn „Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtig­keit.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2013.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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