Mose und Jesus

Predigt über 2. Mose 2,1‑10 zum 1. Sonntag nach Weihnachten

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wer in der Adventszeit unsere Krippen­ausstellung besichtigt hat, der wird sich gewiss noch an die Krippe aus Polen erinnern. Sie fiel nicht nur durch ihre Buntheit auf, sondern auch dadurch, dass sie aus besonders vielen Figuren bestand. Und wer sich diese Figuren genau angeschaut hat, der wird da einen Mann mit zwei Gesetzes­tafeln entdeckt haben: Mose. Was hat denn Mose bei einer Weihnachts­krippe zu suchen? Er war doch schon über tausend Jahre tot, als Jesus geboren wurde! Trotzdem ist es kein Fehler, Mose in die Schar der Krippen­figuren aufzu­nehmen. Die Bibel selbst vergleicht Mose öfters mit Jesus. Und wir können sogar sagen: Wie Jesus die Hauptperson des Neuen Testaments ist, so ist Mose die Hauptperson des Alten Testaments. Auch ihre jeweiligen Kindheits­geschichten lassen sich miteinander ver­gleichen.

Die Kindheits­geschichte des Mose begann damit, dass ein Ehepaar aus dem Volk Israel heiratete und einen Sohn bekam. Wir wissen, dass der Mann Amram hieß und die Frau Jochebed. Wie sie das Kind ur­sprüng­lich nannten, wissen wir allerdings nicht, denn den Namen Mose hat es erst später erhalten. Die Kindheits­geschichte von Jesus beginnt damit, dass das junge jüdische Ehepaar Josef und Maria einen Sohn bekam. Sie gaben ihrem Kind gleich den Namen, von dem sie wussten, dass er Gottes Willen entsprach: Jesus. Beider Kindheits­geschichte begann also ganz normal – so wie auch meine und deine Geschichte begann: Ein Mann und eine Frau bekommen ein Kind.

Nun wissen wir ja, dass Namen in der Bibel oft einen tieferen Sinn haben. So weise ich immer wieder darauf hin, was „Jesus“ bedeutet: „Heiland“, „Erlöser“ oder „Retter“. Was der Name Mose bedeutet, das erfahren wir im heutigen Predigttext. Als Pharaos Tochter den Säugling mit seinem Schilf­kästchen aus dem Nil zog, gab sie ihm diesen Namen und sagte dabei: „Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.“ Mose heißt also „Heraus­gezogener“; man könnte auch frei übersetzen: „Ge­retteter“. Seht, da haben wir schon eine wunderbare Parallele zwischen Mose und Jesus: Moses Name bedeutet „Ge­retteter“ und Jesu Name „Retter“. Moses re­präsen­tiert Gottes Volk, das gerettet wird, und Jesus re­präsen­tiert Gottes Sohn, der sein Volk rettet. Es wäre freilich auch nicht verkehrt, die Namen zu ver­tauschen: Mose wurde ja später zum Retter seines Volks, weil er es aus der ägyptischen Sklaverei befreite. Und Jesus ist als Säugling wie Mose das Leben gerettet worden vor den mörde­rischen Nach­stellungen des Königs Herodes.

An den Rettungs­geschichten der Säuglinge Mose und Jesus lässt sich viel von Gottes Güte ablesen – einer Güte, die auch uns durchs Leben begleitet. Bei Mose ging die Gefahr vom Pharao aus, vom König Ägyptens. Das Bevölkerungs­wachstum der Hebräer war ihm unheimlich geworden. Er empfand die zahlen­mäßige Über­legen­heit dieser Migranten als Bedrohung seiner Macht. So entschloss er sich zu einer äußerst brutalen Maßnahme der Geburten­kontrolle: Alle neu geborenen Söhne sollten getötet werden. Da gab Gott Moses Mutter die rettende Idee ein: Sie bastelte einen wasser­dichten Schilf­kasten, legte das Kind hinein und setzte es im Nil aus. Übrigens bezeichnet der hebräische Urtext diesen Kasten mit demselben Begriff, den er auch für Noahs Arche verwendet. Das Schilf­kästchen war also gewisser­maßen Gottes Rettungs­arche für Mose. Jesus dagegen wurde auf dem Landweg gerettet. Auch hier ging die Gefahr von einem König aus, nämlich vom König Herodes. Als er hörte, dass in Bethlehem ein neuer König geboren wurde, sah auch er das als Bedrohung für seine Macht an, und auch er befahl einen grausamen Kindermord: Alle männlichen Säuglinge Bethlehems bis zum Alter von zwei Jahren sollten umgebracht werden. Da gab Gott Josef mit einem Traum die rettende Idee ein: Er floh mit Maria und dem Jesuskind – interes­santer­weise nach Ägypten! Wieder werfen wir einen ver­gleichenden Blick auf unser eigenes Leben: Gottes Güte führt und bewahrt uns auf dem Weg. Wieviel haben wir zum Beispiel unseren Eltern zu verdanken, die Gott ebenfalls zu Werkzeugen seiner Hilfe und Bewahrung für uns gemacht hat. Unser ganzer Lebensweg lässt sich vergleichen mit einem Fluss (wie der Nil, in dem Moses Arche-Kästchen trieb) und mit einer Reise (sowie Jesu Flucht nach Ägypten). Bis heute hat Gott uns auf diesem Weg behütet und in diesem Strom wie mit einer schützenden Arche umgeben. Das heißt nicht, dass er uns alle Un­annehmlich­keiten erspart, es heißt aber, dass er unser Leben bewahrt – und letztlich ewiges Leben schenkt. Die Arche Noahs und auch Moses Arche-Kästchen können wir dabei als Gleichnis für unsere Taufe ansehen, die uns heraus­rettet aus den finsteren Mord­absichten des Teufels und uns für immer mit Gott leben lässt.

Damit sind wir an einem ent­scheidenden Punkt unserer Betrach­tungen angelangt. Das, was mit Mose und mit Jesus geschehen ist, das hat für uns eine Bedeutung im Blick auf das ewige Leben. Um das zu ver­deutlichen, muss ich noch einen Schritt weitergehen und den erwachsenen Mose mit dem erwachsenen Jesus ver­gleichen. Den ent­scheiden­den Schlüssel dazu liefert der Evangelist Johannes. Im sogenannten Prolog seines Evangeliums schreibt er davon, wie mit Jesus Gottes Wort Fleisch wurde und auf diese Weise Gottes Licht in der Finsternis unserer Welt leuchtet. Gegen Ende dieses Prologs vergleicht er dann Jesus mit Mose und bezeugt: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden“ (Joh. 1,17).

Die polnische Krippe hat Mose mit den beiden Gebots­tafeln dargestellt – Mose steht vor allem für Gottes Gesetz. Durch Mose hat Gott seine Gebote gegeben. Jede menschliche Gemein­schaft, die sich daran hält, wird merken, wie dieses Gesetz ihr gut tut, wie es sie schützt und gedeih­liches Leben fördert. Das gilt bis zum heutigen Tage. Wenn eine Familie, ein Volk oder eine Staaten­gemeinschaft die Zehn Gebote und die davon ableitbaren Menschen­rechte befolgt, dann wird sie davon Segen haben. Wo aber eine Verfassung beispiels­weise auf das un­barmherzige Gesetz der islamischen Scharia gegründet ist oder auf irgend­welche anderen Werte, da wird Leid und Tod die Folge sein. Moses Gesetz führt aus der Knecht­schaft falscher mensch­licher Grundwerte heraus, wie sie zum Beispiel Geld oder Nationalis­mus oder religiöser Fanatismus darstellen. Soviel zum Segen des Mose und seines Gesetzes, bezeugt im Alten Testament.

Von Jesus aber heißt es: „Die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ Da finden wir den noch größeren Segen des Neuen Testaments und des Evan­geliums. Da haben wir nicht nur einen Menschen wie Mose, sondern den Mensch gewordenen Gott Jesus Christus. Denn so sehr sich auch ein Mensch mit Gottes Gesetz abmühen mag und so ernst man es auch in einer Gemein­schaft nehmen mag, ewiges Leben kann es nicht bringen. Das Gesetz macht uns nicht gerecht vor Gott, sondern klagt uns letztlich an und verurteilt uns zum Tode. Da gibt es dann nur eine Rettung, nur einen Retter: Jesus, den Heiland, den Erlöser. In ihm finden wir Gottes Gnade und Wahrheit, Gottes letzt­gültiges Wort – ein befreiendes Wort, ein vergebendes Wort, ein lebens­spendes Wort. Mit Jesus geschieht es, dass das rettende Arche-Kästchen im Strom des irdischen Lebens nicht irgendwann einmal doch untergeht, sondern dass es von Gottes Engeln heraus­gezogen wird und das Leben für immer erhalten bleibt. Mit Jesus geschieht es, dass der Lebensweg sich nicht irgendwann in der Wüste des Todes verliert, sondern dass wir in dem Land ankommen werden, wo wir endgültig vor dem bösen Feind sicher sind und vor allem, womit er uns das Leben schwer macht. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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