Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Manchmal sieht man auf einem Baugrundstück Leute mit Messstangen und Stativen, an denen optische Geräte befestigt sind. Es sind Landvermesser. Wenn irgendwo ein Neubau errichtet werden soll, sind sie die ersten, die tätig werden. Dann ist noch nichts zu sehen von dem neuen Gebäude; aber sein Aussehen und seine Maße stehen schon fest. Die Landvermesser machen sich ans Werk, um die geplanten Maße in die Wirklichkeit umzusetzen.
So ähnlich ist das mit dem Himmel, mit Gottes zukünftiger Welt. In dem Bild, das Johannes geschaut und im Buch der Offenbarung aufgeschrieben hat, dient die Vermessung ebenfalls als Schnittstelle zwischen Plan und Wirklichkeit. Johannes sieht einen antiken Landvermesser mit einer goldenen Messstange. Der Mann ist ihm bekannt: Es ist der Deute-Engel, der ihm bereits viele der göttlichen Visionen erklärt hat. Der Maßstab ist nach einem menschlichen Längenmaß geeicht, nämlich nach Ellen. Dass der Engel in der Vision Gottes zukünftige Stadt mit einem menschlichen Maß ausmisst, das bedeutet: Diese Vision zeigt uns Gottes neue Welt in einer Art und Weise, die für uns Menschen fassbar ist. Wie sie dann einmal wirklich aussehen wird nach dem Jüngsten Tag, das kann sich kein Mensch vorstellen – ebensowenig wie sich ein kleines Kind vorstellen kann, dass auf dem Baugrundstück, wo die Landvermesser arbeiten, bald ein Hochhaus stehen wird. Eine realistische Vorstellung vom Himmel können wir in dieser Welt nicht haben, wohl aber Vorfreude. Und das ist auch der Sinn dieser Vision und der Grund, warum sie in der Bibel steht: dass die Vorfreude auf Gottes neue Welt in uns wächst und dass wir in dieser Vorfreude Gott loben und ihm danken.
Johannes schaut Gottes neue Welt in Gestalt einer Stadt. Wir erfahren in unserem Abschnitt eine ganze Menge über die Form dieser Stadt, über ihre Größe und über die Materialien, aus denen sie gebaut ist. Zusammenfassend können wir sagen: Die Gottesstadt ist überaus hoch, überaus groß und überaus kostbar.
Die Höhe der Stadt ist ebenso groß wie ihre Länge und ihre Breite: zwölftausend Stadien. Wir müssen sie uns also auf dem Gipfel eines über die Maßen hohen Berges denken. Ein Stadion ist ein griechisches Längenmaß; und zwar war das die übliche Strecke für den Kurzstreckenlauf bei sportlichen Wettkämpfen (von daher wird auch die gesamte Wettkampfstätte als Stadion bezeichnet): 192 Meter. Zwölftausend Stadien sind demnach 2.304.000 Meter oder über 2000 Kilometer! Der höchste Berg der Welt hat kein halbes Prozent dieser Höhe. Wir merken, was Gott uns mit dieser Vision sagen will: Seine zukünftige Stadt liegt ganz, ganz hoch oben – also ganz, ganz dicht bei ihm! Das ist die Hauptsache vom Himmel: dass wir ganz dicht bei Gott sein werden und dass uns da nichts von ihm trennen kann.
Eine ähnliche Vermessungsvision wie Johannes hatte auch schon der Prophet Hesekiel. Allerdings ging es da nicht um eine riesige Stadt, sondern um einen Tempel. Hesekiels Vision hat eine ganz ähnliche Bedeutung: Es geht um Gottes Haus, um Gottes Heiligtum. Auch die neue Gottesstadt ist eigentlich ein Tempel, also ein Ort der Gottesbegegnung – nur dass dort viel mehr Menschen Platz finden. Ein gesondertes Tempelgebäude braucht diese Stadt deshalb nicht, und darum schrieb Johannes: „Ich sah keinen Tempel darin, denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel, er und das Lamm.“
So hoch wie die Stadt ist, so groß ist sie: zwölftausend Stadien lang und zwölftausend Stadien breit. Auch das bricht alle irdischen Rekorde: Selbst die modernen Mega-Metropolen mit über zehn Millionen Einwohnern dehnen sich nicht auf einer Fläche von 2000 mal 2000 Kilometern aus, höchstens auf 200 mal 200 Kilometern. Das neue Jerusalem ist über die Maßen riesig, und das bedeutet, dass da Platz für alle Menschen ist. Jesus sagte seinen Jüngern: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“ (Joh. 14,2). Keiner braucht sich zu sorgen, dass die himmlische Heimat einmal wegen Überfüllung geschlossen wird und er deswegen draußen bleiben muss. Was unsere irdische Heimat anbetrifft, machen sich ja manche Leute solche Sorgen: Sie meinen, es kommen zu viele Leute aus dem Ausland nach Deutschland und nehmen uns hier den Lebensraum und die Arbeitsplätze weg. Ich meine, dass auch diese Sorge übertrieben ist und dass wir gut daran tun, die Menschen willkommen zu heißen, die bei uns heimisch werden wollen. Aber Gottes Reich ist von vornherein darauf ausgelegt, dass da Platz für alle ist. Es ist sein sehnlicher Wunsch, dass doch auch alle den Weg dahin finden und die ewige Seligkeit erlangen.
Sehr hoch ist die Stadt, sehr groß und auch sehr kostbar; wir hören von Gold, Edelsteinen und Perlen als Baumaterialien. Es gibt da also keine Armenviertel und keine Elendsquartiere. Da regnet es nirgendwo durchs Dach, da schimmeln keine Wände, da wird kein Strom abgestellt. In Gottes Reich gibt es keine Schere zwischen Arm und Reich, sondern da werden wir alle wie Könige leben unter der freundlichen Herrschaft des Königs aller Könige. Ja, die kostbaren Materialien sind Sinnbilder für die Herrlichkeit von Gottes neuer Stadt. Zugleich zeigen sie uns aber auch, dass Gott uns den Himmel teuer erkauft hat: Er wurde bezahlt mit dem Blut seines eingeborenen Sohns und mit dessen unschuldigem, bitteren Leiden und Sterben.
Bemerkenswert sind die zwölf Grundsteine der Stadtmauer. Jeder ist ein Einzelstück, jeder gehört zu einer anderen Edelsteinsorte. Wer mit dem Alten Testament vertraut ist, muss da sofort an die Brustplatte denken, die der Hohepriester nach Gottes Gebot beim Tempeldienst trug. Auch auf dieser Brustplatte befanden sich zwölf verschiedene Edelsteine, deren Sorten zumindest teilweise mit den Grundsteinen des neuen Jerusalems übereinstimmen. Das Gesetz des Mose erklärt, dass diese zwölf Edelsteine die zwölf Stämme Israels repräsentieren, also das gesamte Gottesvolk des alten Bundes. Die Grundsteine bedeuten folglich: Gottes Geschichte mit Israel ist die Grundlage für das himmlische Jerusalem. Was Gott mit Abraham, Isaak, Jakob und dessen zwölf Söhnen begonnen hat, das findet mit dem großen Gottesvolk aus allen Völkern im Himmel seine Vollendung.
Bemerkenswert ist auch die Stadtmauer selbst. Ihre Höhe wird in der Vision mit zwölfmal zwölf gleich 144 Ellen gemessen, das entspricht rund 65 Metern. Manchen mag es befremden, dass Gottes himmlisches Reich von einer so hohen Mauer umgeben ist – mehr als zehnmal so hoch wie die Mauer, die einst die beiden deutschen Staaten trennte. Mancher wünscht sich ein Gottesreich ohne Mauern, also ohne Abgrenzung. Aber das ist nun mal Gottes Wille, und so hat er es uns in seinem Wort offenbar gemacht: Es gibt bei seinem Reich einen klaren Unterschied zwischen drinnen und draußen. Im Jüngsten Gericht wird sich zeigen, wer hineingehen darf und wer draußen bleiben muss.
Die gute Nachricht ist aber nun, dass die Mauern durchlässig sind. Die quadratische Stadt hat zwölf Tore, an jeder Seite drei. So können die Menschen aus Osten, Westen, Norden und Süden hineinströmen. Jesus sagte: „Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes“ (Lukas 13,29). Die Stadttore stehen weit offen. Da muss niemand einen Pass oder Passierschein zeigen, da braucht niemand Zoll oder Eintritt zu bezahlen; man braucht nur einfach hindurchzugehen. In der Vision versinnbildlichen diese zwölf Tore den Glauben an den Herrn Jesus Christus. Wer darauf vertraut, dass Jesus für ihn gstorben und von den Toten auferstanden ist, der hat das ewige Leben – so haben es die zwölf Apostel im Namen ihres Herrn verkündigt, und das ist bis heute die Hauptbotschaft in der Kirche geblieben. So weist die Zwölfzahl der Perlentore auf die Apostellehre hin, auf die vollmächtige Verkündigung der zwölf Botschafter des Herrn, deren Zeugnis wir in der Heiligen Schrift finden. Johannes war einer von ihnen, und Gott hat ihm das wunderbare Evangelium unter anderem mit dieser Vision bekräftigt, die wir hier eben bedacht haben.
Liebe Brüder und Schwestern, was für eine herrliche Aussicht! Wir dürfen dabei sein, wenn einst die Erlösten scharenweise aus allen Himmelsrichtungen in Gottes neue Stadt strömen werden! Christus hat ja auch uns erlöst und hat das einem jeden von uns in der heiligen Taufe zugesichert. Was wür eine Freude! Lasst uns mit dieser Vorfreude leben und bedenken, dass aller Jammer, aller Schmerz, alle Traurigkeit und alles Leid dieser Welt winzig klein ist im Vergleich mit dem herrlichem zukünftigen Leben in Gottes neuer Stadt. Amen.
PREDIGTKASTEN |