Gottes große und kostbare Stadt

Predigt über Offenbarung 21,15-22 zum Ewigkeitssonntag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Manchmal sieht man auf einem Bau­grundstück Leute mit Messstangen und Stativen, an denen optische Geräte befestigt sind. Es sind Land­vermesser. Wenn irgendwo ein Neubau errichtet werden soll, sind sie die ersten, die tätig werden. Dann ist noch nichts zu sehen von dem neuen Gebäude; aber sein Aussehen und seine Maße stehen schon fest. Die Land­vermesser machen sich ans Werk, um die geplanten Maße in die Wirklich­keit umzusetzen.

So ähnlich ist das mit dem Himmel, mit Gottes zukünftiger Welt. In dem Bild, das Johannes geschaut und im Buch der Offenbarung auf­geschrieben hat, dient die Vermessung ebenfalls als Schnitt­stelle zwischen Plan und Wirklich­keit. Johannes sieht einen antiken Land­vermesser mit einer goldenen Messstange. Der Mann ist ihm bekannt: Es ist der Deute-Engel, der ihm bereits viele der göttlichen Visionen erklärt hat. Der Maßstab ist nach einem mensch­lichen Längenmaß geeicht, nämlich nach Ellen. Dass der Engel in der Vision Gottes zukünftige Stadt mit einem mensch­lichen Maß ausmisst, das bedeutet: Diese Vision zeigt uns Gottes neue Welt in einer Art und Weise, die für uns Menschen fassbar ist. Wie sie dann einmal wirklich aussehen wird nach dem Jüngsten Tag, das kann sich kein Mensch vorstellen – ebensowenig wie sich ein kleines Kind vorstellen kann, dass auf dem Bau­grundstück, wo die Land­vermesser arbeiten, bald ein Hochhaus stehen wird. Eine realisti­sche Vorstellung vom Himmel können wir in dieser Welt nicht haben, wohl aber Vorfreude. Und das ist auch der Sinn dieser Vision und der Grund, warum sie in der Bibel steht: dass die Vorfreude auf Gottes neue Welt in uns wächst und dass wir in dieser Vorfreude Gott loben und ihm danken.

Johannes schaut Gottes neue Welt in Gestalt einer Stadt. Wir erfahren in unserem Abschnitt eine ganze Menge über die Form dieser Stadt, über ihre Größe und über die Materi­alien, aus denen sie gebaut ist. Zusammen­fassend können wir sagen: Die Gottesstadt ist überaus hoch, überaus groß und überaus kostbar.

Die Höhe der Stadt ist ebenso groß wie ihre Länge und ihre Breite: zwölf­tausend Stadien. Wir müssen sie uns also auf dem Gipfel eines über die Maßen hohen Berges denken. Ein Stadion ist ein griechi­sches Längenmaß; und zwar war das die übliche Strecke für den Kurz­strecken­lauf bei sportlichen Wettkämpfen (von daher wird auch die gesamte Wettkampf­stätte als Stadion bezeich­net): 192 Meter. Zwölf­tausend Stadien sind demnach 2.304.000 Meter oder über 2000 Kilometer! Der höchste Berg der Welt hat kein halbes Prozent dieser Höhe. Wir merken, was Gott uns mit dieser Vision sagen will: Seine zukünftige Stadt liegt ganz, ganz hoch oben – also ganz, ganz dicht bei ihm! Das ist die Hauptsache vom Himmel: dass wir ganz dicht bei Gott sein werden und dass uns da nichts von ihm trennen kann.

Eine ähnliche Vermessungs­vision wie Johannes hatte auch schon der Prophet Hesekiel. Allerdings ging es da nicht um eine riesige Stadt, sondern um einen Tempel. Hesekiels Vision hat eine ganz ähnliche Bedeutung: Es geht um Gottes Haus, um Gottes Heiligtum. Auch die neue Gottesstadt ist eigentlich ein Tempel, also ein Ort der Gottes­begegnung – nur dass dort viel mehr Menschen Platz finden. Ein gesondertes Tempel­gebäude braucht diese Stadt deshalb nicht, und darum schrieb Johannes: „Ich sah keinen Tempel darin, denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel, er und das Lamm.“

So hoch wie die Stadt ist, so groß ist sie: zwölf­tausend Stadien lang und zwölf­tausend Stadien breit. Auch das bricht alle irdischen Rekorde: Selbst die modernen Mega-Metropolen mit über zehn Millionen Einwohnern dehnen sich nicht auf einer Fläche von 2000 mal 2000 Kilometern aus, höchstens auf 200 mal 200 Kilometern. Das neue Jerusalem ist über die Maßen riesig, und das bedeutet, dass da Platz für alle Menschen ist. Jesus sagte seinen Jüngern: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“ (Joh. 14,2). Keiner braucht sich zu sorgen, dass die himmlische Heimat einmal wegen Überfüllung geschlossen wird und er deswegen draußen bleiben muss. Was unsere irdische Heimat anbetrifft, machen sich ja manche Leute solche Sorgen: Sie meinen, es kommen zu viele Leute aus dem Ausland nach Deutschland und nehmen uns hier den Lebensraum und die Arbeits­plätze weg. Ich meine, dass auch diese Sorge übertrieben ist und dass wir gut daran tun, die Menschen willkommen zu heißen, die bei uns heimisch werden wollen. Aber Gottes Reich ist von vornherein darauf ausgelegt, dass da Platz für alle ist. Es ist sein sehnlicher Wunsch, dass doch auch alle den Weg dahin finden und die ewige Seligkeit erlangen.

Sehr hoch ist die Stadt, sehr groß und auch sehr kostbar; wir hören von Gold, Edelsteinen und Perlen als Bau­materi­alien. Es gibt da also keine Armen­viertel und keine Elends­quartiere. Da regnet es nirgendwo durchs Dach, da schimmeln keine Wände, da wird kein Strom abgestellt. In Gottes Reich gibt es keine Schere zwischen Arm und Reich, sondern da werden wir alle wie Könige leben unter der freund­lichen Herrschaft des Königs aller Könige. Ja, die kostbaren Materialien sind Sinnbilder für die Herrlich­keit von Gottes neuer Stadt. Zugleich zeigen sie uns aber auch, dass Gott uns den Himmel teuer erkauft hat: Er wurde bezahlt mit dem Blut seines ein­geborenen Sohns und mit dessen un­schuldigem, bitteren Leiden und Sterben.

Bemerkens­wert sind die zwölf Grundsteine der Stadtmauer. Jeder ist ein Einzel­stück, jeder gehört zu einer anderen Edelstein­sorte. Wer mit dem Alten Testament vertraut ist, muss da sofort an die Brustplatte denken, die der Hohe­priester nach Gottes Gebot beim Tempel­dienst trug. Auch auf dieser Brustplatte befanden sich zwölf ver­schiedene Edelsteine, deren Sorten zumindest teilweise mit den Grund­steinen des neuen Jerusalems überein­stimmen. Das Gesetz des Mose erklärt, dass diese zwölf Edelsteine die zwölf Stämme Israels repräsen­tieren, also das gesamte Gottesvolk des alten Bundes. Die Grundsteine bedeuten folglich: Gottes Geschichte mit Israel ist die Grundlage für das himmlische Jerusalem. Was Gott mit Abraham, Isaak, Jakob und dessen zwölf Söhnen begonnen hat, das findet mit dem großen Gottesvolk aus allen Völkern im Himmel seine Vollendung.

Bemerkens­wert ist auch die Stadtmauer selbst. Ihre Höhe wird in der Vision mit zwölfmal zwölf gleich 144 Ellen gemessen, das entspricht rund 65 Metern. Manchen mag es befremden, dass Gottes himmlisches Reich von einer so hohen Mauer umgeben ist – mehr als zehnmal so hoch wie die Mauer, die einst die beiden deutschen Staaten trennte. Mancher wünscht sich ein Gottesreich ohne Mauern, also ohne Abgrenzung. Aber das ist nun mal Gottes Wille, und so hat er es uns in seinem Wort offenbar gemacht: Es gibt bei seinem Reich einen klaren Unterschied zwischen drinnen und draußen. Im Jüngsten Gericht wird sich zeigen, wer hineingehen darf und wer draußen bleiben muss.

Die gute Nachricht ist aber nun, dass die Mauern durchlässig sind. Die quadra­tische Stadt hat zwölf Tore, an jeder Seite drei. So können die Menschen aus Osten, Westen, Norden und Süden hinein­strömen. Jesus sagte: „Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes“ (Lukas 13,29). Die Stadttore stehen weit offen. Da muss niemand einen Pass oder Passier­schein zeigen, da braucht niemand Zoll oder Eintritt zu bezahlen; man braucht nur einfach hindurch­zugehen. In der Vision ver­sinnbild­lichen diese zwölf Tore den Glauben an den Herrn Jesus Christus. Wer darauf vertraut, dass Jesus für ihn gstorben und von den Toten auf­erstanden ist, der hat das ewige Leben – so haben es die zwölf Apostel im Namen ihres Herrn verkündigt, und das ist bis heute die Haupt­botschaft in der Kirche geblieben. So weist die Zwölfzahl der Perlentore auf die Apostel­lehre hin, auf die voll­mächtige Verkündi­gung der zwölf Botschafter des Herrn, deren Zeugnis wir in der Heiligen Schrift finden. Johannes war einer von ihnen, und Gott hat ihm das wunderbare Evangelium unter anderem mit dieser Vision bekräftigt, die wir hier eben bedacht haben.

Liebe Brüder und Schwestern, was für eine herrliche Aussicht! Wir dürfen dabei sein, wenn einst die Erlösten scharenweise aus allen Himmels­richtungen in Gottes neue Stadt strömen werden! Christus hat ja auch uns erlöst und hat das einem jeden von uns in der heiligen Taufe zu­gesichert. Was wür eine Freude! Lasst uns mit dieser Vorfreude leben und bedenken, dass aller Jammer, aller Schmerz, alle Traurigkeit und alles Leid dieser Welt winzig klein ist im Vergleich mit dem herrlichem zukünftigen Leben in Gottes neuer Stadt. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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