In der Sprechstunde von Doktor Jesus

Predigt über Offenbarung 3,14‑22 zum Buß‑ und Bettag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

„Der Nächste bitte!“, sagt der Arzt und bittet einen Patienten in sein Sprech­zimmer. „Der Nächste bitte!“, sagt gewisser­maßen auch Doktor Jesus mit diesem Predigt­text. Sechs „Patienten“ hat er bereits behandelt in diesem Abschnitt der Johannes-Offen­barung, nämlich die sechs klein­asiatischen Gemeinden Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes und Phila­delphia. Nun kommt die siebente Gemeinde an die Reihe: Laodizea. „Der Nächste bitte!“ – wir, liebe Brüder und Schwestern, schließen uns an und betreten zusammen mit dieser Gemeinde das Sprech­zimmer von Doktor Jesus, denn wir wissen, dass er mit seiner Diagnose und mit seiner Therapie auch uns helfen kann.

Zuerst stellt Doktor Jesus sich vor. Er tut es, damit wir Vertrauen zu ihm bekommen. Er sagt, dass er „Amen“ heißt und dass er der treue wahrhaftige Zeuge ist und dass Gott durch ihn die Welt gemacht hat. „Amen“ bedeutet „zu­verlässig“. Als Jesus noch sichtbar auf Erden lebte, da hat er seinen Auftrag so be­schrieben: „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll“ (Joh. 19,37). Jesus sagt absolut zuverlässig die Wahrheit. Mehr noch: Auch alles, was er tat und litt, ist wahr; er ist die Wahrheit in Person. Er bezeugte auch von sich: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh. 14,6). Jesus ist deshalb vollkommen vertrauens­würdig, weil er Gottes ein­geborener Sohn ist, ewig und un­geschaffen wie der Vater im Himmel. So ist die Aussage zu verstehen, dass durch ihn die Welt gemacht ist – er hat Anteil an Gottes Schöpfungs­werk. Kurz: Doktor Jesus ist der eine lebendige Gott, und was er uns sagt und wie er uns behandelt, das ist absolut zu­verlässig, vertrauens­würdig und wahr.

Nun hat Doktor Jesus sich vor­gestellt, und es folgen die Unter­suchungen und die Diagnose. Jesus sagt, woran die Gemeinde in Laodizea krankt und woran auch wir kranken. Seine Diagnose hat zwei Teile.

Der erste Teil der Diagnose lautet so: „Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.“ Doktor Jesus schreibt auf die Patienten­karte das Wort „Lauheit“, und diese Diagnose erschüttert ihn selbst. Ein heißer Kaffee oder ein Glas kaltes Wasser sind wohltuende Getränke, aber lauwarmer Tee ist un­genieß­bar. Jesus freut sich über einen Jünger, der vor Liebe zu Gott und den Mitmenschen brennt. Auch mit eiskalten Feinden des Christen­tums kann er umgehen: Er verkündigt ihnen sein Gericht und hofft dabei, dass sie sich doch noch zur Umkehr rufen lassen. Aber laues Christsein – nicht wirklich dagegen sein, aber sich auch nicht wirklich dafür einsetzen – das gefällt dem Herrn überhaupt nicht. Genau das aber ist die Krankheit von uns, die wir schon lange und traditio­nell Christen sind: Wir haben es uns mit unserem Glauben gemütlich ein­gerichtet; wir sind schläfrig geworden. Wir haben keine Angst, dass wir Gott zu wenig dienen, wir haben eher Angst davor, dass wir es mit unserer Frömmigkeit übertreiben könnten. Und so geschieht es dann, dass uns andere Dinge im Leben wichtiger werden als unser Christsein. Ja, diese Diagnose steht heute bei vielen in der Patienten­kartei von Doktor Jesus: Lauheit.

Der zweite Teil der Diagnose lautet so: „Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.“ Das ist die zweite Krankheit, die Doktor Jesus an uns findet, und er schreibt als zweite Diagnose das Wort „Selbst­betrug“ in die Patienten­karte. Nun ist das, genauer betrachtet, allerdings ein recht merk­würdiger Selbst­betrug: Da bildet sich jemand ein, er sei reich und gesund, und merkt nicht, dass er arm und krank ist. Häufig ist es doch gerade umgekehrt: Da jammert jemand über seine Armut und über seine Leiden, und übersieht dabei, wie gut er es eigentlich hat. Aber Doktor Jesus ist ein exzellenter Arzt und sieht den Menschen tief ins Herz. Und da erkennt er: Auch wenn viele Menschen ober­flächlich jammern, sind sie dennoch im Grunde ihres Herzens überzeugt davon, dass sie alles gut im Griff haben. Für das, was nicht in Ordnung ist, machen sie andere Menschen verant­wortlich, oder sie meinen, dass sie es mit eigener Kraft in Ordnung bringen können. Genau das ist der Selbst­betrug, den Doktor Jesus diagnosti­ziert. Es ist nämlich Selbst­betrug, wenn einer meint, ohne Gott mit allen Problemen und mit seinem ganzen Leben fertig zu werden. Wer sagt: „Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!“, der wird Gott um nichts bitten und auch nichts von ihm erhoffen. Er fühlt sich gesund und stark. Er bildet sich schließlich sogar ein, dass Gott ganz zufrieden mit ihm sein und deshalb einen Platz im Himmel für ihn reservieren muss. Was für ein Selbst­betrug!

Nach den Diagnosen „Lauheit und Selbst­betrug“ kommt die Therapie. Doktor Jesus empfiehlt Folgendes: „Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest.“ Drei Vergleiche sind es, drei Bilder, mit denen Jesus uns sagt, wie wir gesund werden können. Erstens: Wir sollen uns von Doktor Jesus „Gold“ geben lassen, sogar besonders reines Gold, „im Feuer geläutert“. Gold war damals das wertvollste Material, das man kannte. Es steht hier bildlich für das Wert­vollste, was es im Himmel und auf Erden gibt: Jesu eigenes Sühnopfer und sein teures Blut, das zur Vergebung unserer Sünde am Kreuz vergossen wurde. Zweitens: Wir sollen uns von Doktor Jesus weiße Kleider geben lassen, die all das überdecken, wofür wir uns sonst schämen müssten. Diese Kleider stehen hier bildlich für Christi Gerechtig­keit, die er uns in der Taufe geschenkt hat. Die sollen wir im Glauben annehmen, gewisser­maßen „anziehen“, und dann mit dem Vertrauen leben: Ich stehe vor Gott rein und heilig da; ich bin ein Erbe des ewigen Lebens – nicht, weil ich selbst so reich und gesund bin, sondern weil Jesus mich armen kranken Sünder so reich und gesund gemacht hat. Drittens: Wir sollen uns von Doktor Jesus Augensalbe geben lassen. Auch das ist bildlich zu verstehen. Es geht hier um die Augen unseres Glaubens, also um die Glaubens­erkenntnis. Diese „Augen­salbe“ ist Gottes Wort, das heilige Evangelium, wie wir es in der Bibel finden und wie es in der Kirche verkündigt wird. Wenn wir diese Medizin regelmäßig anwenden, dann werden unsere Glaubens­augen gesund, dann erkennen wir immer besser Gottes Liebe zu uns und Gottes Willen für unser Leben.

Wenn ein Patient in der Sprech­stunde seine Diagnose erfährt und eine Therapie verordnet bekommt, dann kann es sein, dass er zunächst etwas verwirrt und beklommen ist. Wie oft geschieht es dann, dass er die Therapie nicht oder nur halbherzig angeht. Oder wie oft kommt es vor, dass er die verordneten Medikamente bei den ersten Anzeichen der Besserung eigen­mächtig absetzt. Doktor Jesus ist ein guter Arzt und kennt diese Gefahr. Deshalb sagt er uns noch eine ganze Menge, um uns dazu zu bringen, seine Therapie nur ja ganz ernst zu nehmen. Er mahnt uns mit ernsten Worten: „Sei nun eifrig und tue Buße!“ Dabei sollen wir aber wissen, dass er es von Herzen gut mit uns meint, auch wenn uns seine Therapie manchmal schwer wird und seine Medizin bitter schmeckt. Darum sagt er auch: „Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich.“ Vor allen Dingen will er uns viel Mut machen. Darum malt er uns das Ziel der Gesundheit mit herrlichen Farben vor Augen – das ist die Vollendung unseres Heils, die wir dann im Himmel erleben werden. So verheißt Jesus: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“ Und weiter: „Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron.“ Da merken wir: Doktor Jesus schwebt nicht hoch über uns, sondern er ist einer von uns. Er selbst hat unsere Krankheiten auf sich genommen und dann die Heilung an sich selbst erlebt: Er ist vom Tod auf­erstanden und in die Herrlich­keit seines himmlischen Vaters ein­gegangen. Dahin will er uns mitnehmen mit seiner Therapie – alle, die wir vertrauens­voll in seine Sprech­stunde kommen. Was für eine herrliche Aussicht! Was für eine schöne Er­munte­rung, sich seiner Buß-Therapie zu unter­ziehen!

Ja, so etwas Gutes und Heilsames ist die Buße. Sie ist nichts anderes als eine Sprech­stunde bei Doktor Jesus, dem liebevollen und vertrauens­würdigen Arzt. Seine Diagnose und seine Therapie helfen uns nachhaltig weiter und heilen uns für die Ewigkeit. Nun ist die Sprech­stunde zu Ende; nun begleitet uns Jesus zur Tür und legt uns dabei noch einmal ans Herz, dass wir seine Therapie auch wirklich beachten und ernst nehmen sollen: „Wer Ohren hat der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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