Simon und Judas

Predigt über Johannes 15,17‑25 zum Tag der Apostel Simon und Judas

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Heute, am 28. Oktober, gedenkt die Kirche traditio­nell der Apostel Simon und Judas. Beide gehörten zum Kreis der zwölf Jünger, und beide hatten in diesem Kreis Namens­vettern, die bekannter sind als sie selbst: Der bekanntere Simon war der Oberjünger Simon genannt Petrus, und der bekanntere Judas war der Verräter Simon Iskariot. Heute aber richten wir unsere Aufmerksam­keit auf den un­bekannte­ren Simon aus Kana und den un­bekannte­ren Judas Taddäus.

Wer waren diese Apostel?

Von Simon wissen wir, dass er aus Kana stammte; das ist der Ort, wo Jesus bei einer Hochzeit Wasser in Wein verwandelte. Das Dorf Kana lag in Jesu Heimat Galiläa, westlich vom See Genezareth. Dieser Simon trug den Beinamen „Zelot“, auf deutsch „Eiferer“. Die Zeloten waren eine radikale jüdische Befreiungs­bewegung. Sie versuchten, mit Attentaten und Guerilla-Kämpfen die römische Besatzungs­macht zu vertreiben und Israel wieder unabhängig zu machen. Die Zeloten waren schließlich auch der Grund dafür, warum die Römer im Jahr 66 den Jüdischen Krieg begannen, der mit der völligen Zerstörung Jerusalems in Jahre 70 endete. Wir liegen nicht falsch, wenn wir Simon aus Kana als Terroristen bezeichnen. Das heißt: Er war ein Terrorist gewesen – so lange, bis Jesus in sein Leben trat und ihn zu seinem Jünger machte. Da lernte Simon dann, dass Gottes Reich nicht von dieser Welt ist und dass es nicht mit Waffen­gewalt herbei­geführt werden kann. Gott baut sein Reich vielmehr durch die frohe Botschaft des Evan­geliums, durch das Wort vom Frieden zwischen dem All­mächtigen und seinen sündhaften Geschöpfen. Im Zwölfer­kreis fiel Simon aus Kana so wenig auf, dass von ihm nichts Besonderes berichtet wird. Auch über seinen weiteren Lebensweg nach Jesu Himmelfahrt gibt es nur Ver­mutungen. Allerdings können wir davon ausgehen, dass auch Simon sich aufgemacht hat, das Evangelium unter die Leute zu bringen. Und wir müssen annehmen, dass man ihn dafür verfolgt und schließlich umgebracht hat.

Kommen wir nun zu Judas, dem Sohn eines gewissen Jakobus. Er wird auch Taddäus genannt. Das Neue Testament berichtet nur an einer einzigen Stelle von einer Begeben­heit, in der er eine Rolle spielte. Als Jesus am Abend vor seinem Tod mit seinen Jüngern das Heilige Abendmahl gehalten hatte und dann noch lange mit ihnen redete, da fragte Judas Taddäus ihn: „Herr, was bedeutet das, dass du dich uns offenbaren willst und nicht der Welt?“ (Joh. 14,22). Bestimmt stellte er diese Frage auch für die anderen Jünger. Jesus antwortete in einer längeren Rede, in der er dem Judas Taddäus und allen Jüngern das Wesen der christ­lichen Kirche im Gegensatz zu ungläubigen Welt offenbarte. Zu dieser Rede gehört auch unser heutiger Predigt­text. Ebenso wie bei Simon aus Kana wissen wir von Judas Taddäus nichts Bestimmtes über seinen weiteren Lebensweg nach Jesu Himmel­fahrt. Allerdings können wir auch bei ihm davon ausgehen, dass er sich aufgemacht hat, das Evangelium unter die Leute zu bringen. Und auch bei ihm müssen wir annehmen, dass man ihn dafür verfolgt und schließlich umgebracht hat.

Was bedeuten uns Simon, Judas und die anderen Apostel heute? Sie haben Jesus persönlich gekannt, und sie sind als seine Jünger un­mittel­bare Augen- und Ohrenzeugen seiner Worte und Taten geworden. Das macht sie einzig­artig, und ihre Verkündi­gung ist darum grundlegend für die ganze christliche Kirche aller Zeiten. Zugleich aber bilden die zwölf Jünger den ersten Kern der christ­lichen Kirche, den Urtyp der Gemeinde. Was wir von ihnen hören und was man von ihrem Vorbild lernen kann, dass gilt auch für uns heutige Christen.

Neben dem fröhlichen Bekenntnis und Zeugnis der Wahrheit ist da die Liebe zu nennen – die Bruderliebe, also die hilfs­bereite und notfalls opfer­bereite Liebe, die Jesus selbst vorgelebt hat. Sie soll das Zeichen sein, an dem man Jesu Jünger erkennen kann – also auch: vom Rest der Welt unter­scheiden kann! Darum gehört der erste Satz unseres Predigt­textes ganz eindeutig zu Jesu Antwort auf die Frage von Judas Taddäus: „Herr, was bedeutet das, dass du dich uns offenbaren willst und nicht der Welt?“ Jesus sagte: „Das gebiete ich euch, dass ihr euch unter­einander liebt.“ Die opfer­bereite Liebe Jesu ist etwas, das der in Sünden verfallenen Welt fremd bleibt, aber den Jünger Jesu durch den Heiligen Geist offenbart ist. Sie ist nicht nur Glaubens­lehre im Blick auf das, was Jesus für die Menschen getan hat, sondern sie soll auch in der Gemein­schaft unter­einander lebendig werden.

Nun gibt es neben dem Zeugnis des Evangeliums und der Bruderliebe noch etwas Drittes, was charakte­ristisch ist für die Apostel und für die christliche Kirche im Gegensatz zur Welt. Das ist eben die Tatsache, dass die Welt kein Verständnis hat für das Evangelium und für das christliche Leben. Jesus hat das in seiner Antwort für Judas Taddäus und die anderen Jünger sehr radikal formuliert. Er hat gesagt: „Wenn euch die Welt hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat.“ Dann führte er aus, wie er selbst verachtet und verfolgt wird. Mit „Welt“ meinte er dabei durchaus auch jene Juden, die ihn nicht als Messias und als Gottes Sohn an­erkann­ten. Denselben Hass und dieselbe Verfolgung sagte er auch seinen Jüngern voraus – und hat damit Recht behalten. Denn alle Apostel wurden wegen ihres christ­lichen Zeugnisses verfolgt, und viele von ihnen wurden dann auch deswegen umgebracht – unter ihnen wohl auch Simon und Judas. Jesus machte seinen Jüngern damals klar, dass es nicht anders sein kann. Er erklärte ihnen, dass ein Jünger Jesu eine andere Herkunft hat, einen anderen geistigen Ursprung, als die übrigen Menschen. Während die übrigen Menschen nämlich völlig von ihren natürlichen Regungen und der Sünde geprägt sind, ist der Jünger von seinem Herrn und durch ihn dann auch vom himmlischen Vater geprägt. Jesus sagte: „Weil ihr nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt.“

Liebe Brüder und Schwestern, wir können uns glücklich preisen, dass wir in unserem Land und in unserer Zeit in Ruhe und Freiheit den christ­lichen Glauben leben dürfen. Wir sollten das voll auskosten! Wir sollten uns nicht scheuen, Zeugnis zu geben von Jesus und seinem Evangelium! Wir feiern regelmäßig schöne Gottes­dienste und können öffentlich dazu einladen. Wir können unsere Kinder christlich erziehen und unsern Mund aufmachen, wenn die Welt mit ihrem Wesen gegen Gott und seine Ordnungen ist. Eines aber wird auch uns dann ganz klar werden: Wenn wir uns wirklich von Christus und von seinem Wort prägen lassen, dann sind wir in gewisser Hinsicht auch Fremdkörper in dieser Welt – ebenso wie Jesus selbst, ebenso wie Simon und Judas und die anderen Jünger und alle ernsthaften Christen durch die Jahr­hunderte hindurch bis heute. In manchen Ländern werden sie auch heute an Leib und Leben bedroht. In unserm Land gibt es keine direkte Bedrohung, aber es gibt viel Un­verständ­nis. Wir werden belächelt oder funda­menta­listisch genannt, wenn wir uns dazu bekennen, dass Gott die Welt gemacht hat und dass das Leben eben nicht von alleine durch eine Evolution entstanden ist. Wir ernten Kopf­schütteln, wenn wir sagen, dass Jesus unsere Sünden am Kreuz mit seinem Tod gesühnt hat und wir deshalb das ewige Leben geschenkt bekommen. Hass und Anfeindung kann uns sogar entgegen­schlagen, wenn wir das Verhalten der christ­lichen Liebe mit Gottes Geboten in Verbindung bringen, wenn wir etwa lehren, dass eine Partner­schaft von Mann und Frau nach Gottes Willen nur in der lebens­langen Ehe ihre Erfüllung findet und dass homo­sexuelle Partner­schaften dem Willen des Schöpfers wider­sprechen. Wenn wir so mutig sind, hier den Standpunkt von Gottes Wort gegen den Zeitgeist zu behaupten, dann spüren wir, dass wir als Christen auch heute Fremdkörper in unserer Umgebung sind; dann erfahren wir ein klein wenig von dem, was Jesus und die Apostel und die an­gefeinde­ten Christen vor uns erlitten haben.

Wie gut, dass Jesus es voraus­gesagt hat – dem Simon und dem Judas und den anderen Jüngern! Wie gut, dass die Apostel das gepredigt und für uns auf­geschrieben haben! So wissen wir: Wenn wir wegen unseres Glaubens komisch angesehen, verachtet oder sogar gehasst werden, geschieht uns nichts Un­gewöhn­liches, sondern dann geschieht uns nur das, womit der Jünger in der Nachfolge seines Meisters rechnen muss. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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