Der Weg des Glaubens

Predigt über 1. Thessalonicher 1,4‑10 zum 14. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Freude und Dankbarkeit sind die Grund­stimmungen des christ­lichen Glaubens. Darum beginnt der Apostel Paulus seinen ersten Brief an die Thessa­lonicher mit einem freudigem Dank: Er dankt Gott dafür, dass Gott diese junge Christen­gemeinde gesegnet hat durch das kraftvolle Wirken der frohen Botschaft von Jesus. Über dieser Grund­stimmung der Dankbarkeit entfaltet er dann Stationen des Glaubens­wegs dieser Gemeinde. Sie haben darüber hinaus für alle Christen zu allen Zeiten Bedeutung. So können auch wir uns freudig und dankbar mit diesen Worten bewusst machen, über welche Stationen uns der christliche Glaube führt.

Die erste Station ist Jesus Christus selbst, wie er als Mensch auf dieser Erde lebte und uns am Kreuz erlöste. Indem er lehrte, heilte, litt, starb und wieder auferstand, hat er den Grund gelegt für diese frohe Botschaft: Alle Menschen können vom Bösen frei werden und Gemein­schaft mit dem lebendigen Gott finden. Jesus ist damit unser Herr und Meister geworden – derjenige, der allen Christen auf dem Weg des Glaubens vorangeht.

Die zweite Station sind die Apostel, unter ihnen auch der Apostel Paulus, der diesen Brief geschrieben hat. Die anderen Apostel hatten Jesus schon vor seinem Tod und seiner Auf­erstehung gekannt und waren ihm als seine Jünger nach­gefolgt. Dann hatte Jesus sie mit dem Evangelium ausgesandt. „Ab­gesandte“ bedeutet das Wort Apostel auf Deutsch. Diese Aussendung beinhaltet dreierlei: Erstens erhielten die Jünger den Auftrag, allen Völkern die gute Nachricht von Jesus weiter­zusagen. Zweitens bekamen sie die Fähigkeit verliehen, diesen Auftrag ganz im Sinne Jesu aus­zuführen; sie empfingen den Heiligen Geist, von dem Jesus selbst bezeugt hatte: „Der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh. 14,26). Drittens empfingen sie die Vollmacht, im Namen Christi und somit auch im Namen Gottes zu reden. Jesus sagte ihnen: „Wer euch hört, der hört mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich“ (Lukas 10,16). All das gilt auch für den nach­träglich berufenen Apostel Paulus. Mit diesem Auftrag, mit dieser Fähigkeit und mit dieser Vollmacht zog er los auf seine Missions­reisen. Bei der zweiten Missions­reise kam er nach Thessa­lonich, predigte dort und konnte erleben, wie der Heilige Geist eine Erweckung bewirkte: Viele Menschen kamen zum Glauben an Jesus Christus, ließen sich taufen und gründeten eine christliche Gemeinde. Dieses Ereignis lag noch gar nicht lange zurück, als Paulus, inzwischen weiter­gereist, den Thessa­lonichern schrieb: „Unsere Predigt des Evangeliums kam zu euch nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft und in dem Heiligen Geist und in großer Gewissheit. Ihr wisst ja, wie wir uns unter euch verhalten haben um euret­willen. Und ihr seid unserm Beispiel gefolgt und dem des Herrn und habt das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden im Heiligen Geist.“ Wie die Apostel dem Herrn nachgefolgt sind auf dem Weg des Glaubens und des Kreuzes, so sind die Christen in Thessa­lonich ihrerseits Nachfolger der Apostel geworden, und damit dann eben auch Nachfolger des Herrn Jesus Christus. Der Heilige Geist hat sie gewisser­maßen eingereiht in den Zug der Gläubigen hinter Christus her. Auch wir, liebe Brüder und Schwestern, laufen in diesem Zug mit. Er heißt Christen­heit, weil Christus an der Spitze geht, und er heißt aposto­lische Kirche, weil unser Glaube von demselben Evangelium lebt, mit dem Christus einst die Apostel be­auftragte, befähigte und be­vollmäch­tigte.

Die dritte Station sind also die Christen, die Gläubigen in Thessa­lonich und überhaupt die Gläubigen aller Zeiten. Sie sind zum Glauben gekommen durch die Kraft des Evangeliums­wortes und durch die Kraft des Heiligen Geistes. Dabei geht es nicht in erster Linie um eine Willens­entschei­dung, so wie man sich für eine bestimmte Welt­anschauung entscheidet oder für die Mitglied­schaft in einem Verein. Es geht um viel mehr: Wer zu Christus kommt und getauft wird, bei dem findet ein Macht­wechsel statt. Paulus erinnerte die Thessa­lonicher daran, „wie ihr euch bekehrt habt zu Gott von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott.“ Dieser Macht­wechsel ist Umkehr, ist Abkehr von den falschen Göttern, ist Absage an den Teufel und alle bösen Mächte. So bekennen Christen seit alters bei ihrer Taufe (bei unmündigen Christen bekennen es die Eltern und Paten stell­vertretend für sie): „Ich entsage dem Teufel und all seinem Werk und Wesen und ergebe mich dir, du dreieiniger Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, im Glauben und Gehorsam dir treu zu sein bis an mein Ende.“ Nur so kann man Christ werden, und nur so kann man Christ sein: wenn man dem Teufel und allem Bösen eine klare Absage erteilt und Christus den Herrn seines Lebens sein lässt. Wenn Paulus schrieb: „… zu dienen dem lebendigen und wahren Gott“, dann kann man auch übersetzen: „sein Knecht zu sein“, oder sogar: „sein Leibeigener zu sein“, „sein Eigentum zu sein“.

Wenn wir nicht verstecken, dass wir zu Christus gehören, dann wird das den Menschen um uns herum nicht verborgen bleiben. Damit kommen wir zur vierten Station auf dem Weg des Glaubens, zum Zeugnis des christ­lichen Lebens. Das zeigt sich ganz offen­sichtlich darin, dass ein Christ sich um die Einhaltung von Gottes Geboten müht und versucht, allen Mitmenschen in derselben Weise liebevoll zu begegnen, wie Christus selbst und wie seine Apostel ihre Mitmenschen geliebt haben. Paulus schrieb: „Ihr seid unserm Beispiel gefolgt und dem des Herrn…“ Man kann auch übersetzen: „Ihr seid unsere (bzw. Christi) Nachahmer geworden.“ Da sehen wir wieder den Zug der Christen­heit vor unserm geistigen Augen mit Christus selbst an der Spitze, dahinter die Apostel als erste Jünger beziehungs­weise Nachfolger, dahinter diejenigen, die durch das Zeugnis der Apostel zum Glauben gekommen sind. Sie wissen: Dieser Weg der Nachfolge ist kein leichter Weg, denn auch für Christus selbst und für seine Apostel war der Weg des Glaubens mit dem Kreuz verbunden. Dennoch haben wir in allem Leid und in aller Anfechtung stets die Freude in unserm Herzen, dass wir Gottes geliebte Kinder sind und das ewige Leben erben. Auch die Thessa­lonicher werden schon von Anfang an die notvollen Seiten des Glaubens­weges kennen­gelernt haben, denn Paulus schrieb: „Ihr habt das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden im Heiligen Geist.“ Besonders damit be­eindrucken Christen ihre Mit­menschen: Wenn sie auch in Krankheit, Not und Anfechtung eine fröhliche und getroste Glaubens­gewissheit an den Tag legen. Und je nach Gaben laden sie dann ihre Mitmenschen entweder mit guten Worten oder mit stillen Taten dazu ein, sich in den Zug der Christen­heit ein­zureihen. Bei den Thessa­lonichern muss das so be­eindruckend gewesen sein, dass ihr Zeugnis sogar in den be­nachbarten Gebieten Griechen­lands und darüber hinaus Aufsehen erregte. Paulus schrieb: „Von euch ist das Wort des Herrn erschollen nicht allein in Mazedonien und Achaja, sondern an allen Orten ist euer Glaube an Gott bekannt ge­worden…“

Zum christ­lichen Zeugnis gehört nun noch etwas hinzu, was ich hier als fünfte Station auf dem Weg des Glaubens benennen möchte. Paulus schrieb vom „Warten auf Gottes Sohn vom Himmel, den er auferweckt hat von den Toten, Jesus, der uns von dem zukünftigen Zorn errettet“. Unser Weg ist nach dem Vorbild der Apostel nicht nur vom Dienen geprägt, vom Lieben, vom Getrost-Sein in Bedrängnis und vom Zeugnis, sondern auch vom Warten. Wir wissen: Eines Tages kommt Jesus sichtbar wieder; das hat er ja ver­sprochen. Dann wird die Welt, wie wir sie kennen, zuende gehen, und dann werden wir uns vor Gottes endgültigem Gericht ver­antworten müssen. Weil wir zu Jesus gehören, brauchen wir vor dem Jüngsten Gericht keine Angst zu haben, denn Jesus ist es, „der uns von dem zukünftigen Zorn errettet“. Das ist der herrliche Zielpunkt des Glaubens­weges. Egal wieviel schief gelaufen ist in unserm Leben, egal wieviel Liebe wir schuldig geblieben sind und wie sehr wir unsern Vater im Himmel enttäuscht haben, durch Jesus wird uns das am Ende nicht vorgeworfen werden, sondern kraft seiner Erlösung stehen wir dann rein und heilig vor Gott da. Die Bibel hat ein schönes Wort dafür, dass wir freilich nicht hochmütig miss­verstehen dürfen: „Aus­erwählte“ nennt sie uns. Mit diesem Wort hat Paulus den Abschnitt des Thessa­lonicher­briefs ja ein­geleitet: „Liebe Brüder, von Gott geliebt, wir wissen, dass ihr erwählt seid.“ Nicht unsere guten Leistungen bei Gott, nicht irgendetwas besonders Ehrenwertes an uns macht uns zu Aus­erwählten, sondern einzig und allein Gottes Liebe. Wenn wir das bedenken und so auf den Jüngsten Tag warten, dann können wir wirklich nicht anders als fröhlich und getrost den Weg des Glaubens gehen – mitten im Zug aller Christen aller Zeiten. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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