Heilsgeschichte und Kirchenjahr

Predigt über Epheser 1,3‑14 zum Trinitatisfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Trinitatis gehört zwar nicht zu den christ­lichen Haupt­festen, hat aber trotzdem eine einzig­artige Stellung im Kirchen­jahr. Der Drei­einig­keits-Sonntag schließt nämlich die festreiche Hälfte des Kirchen­jahres ab und eröffnet den Reigen der vielen Sonntage nach Trinitatis – je nach Osterdatum bis zu 24 im Jahr. Das Lob des dreieinigen Gottes am Trinitatis­fest fasst das Lob der hinter uns liegenden Feste und Festzeiten zusammen. Mit diesen Festen und Festzeiten haben wir Gottes Heils­geschichte in Christus nach­vollzogen – angefangen von seiner Mensch­werdung in der Heiligen Nacht bis hin zur Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingsttag. Nichts anderes macht der Apostel Paulus am Anfang seines Briefes an die Epheser: Unter Gotteslob entfaltet er knapp die schönste und wichtigste Geschichte der Welt – Gottes Heils­geschichte. Paulus tut es, obwohl die Epheser das Evangelium schon oft gehört haben. Er weiß: Diese frohe Botschaft muss immer wieder neu aus­gesprochen werden. Immer wieder sollen sich Christen daran erinnern, und immer wieder wollen sie Gott dafür loben. Darum können wir, liebe Brüder und Schwestern, heute nichts Besseres tun als diese Heils­geschichte mit dem Anfang des Epheser­briefes und mit einem Rückblick auf die Feste des Kirchen­jahres in Gedanken nach­zuvoll­ziehen.

„Gelobt“ heißt das erste Wort, und ein zusammen­fassender Lobpreis ist der ganze erste Satz: „Gelobt sei Gott, der Vater unsers Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.“ Habt ihr die Drei­einig­keit heraus­gehört in diesem Satz – die drei Personen des einen lebendigen Gottes, der hier gelobt wird? Der Vater des Herrn Jesus Christus, also des ein­geborenen Sohnes, wird hier gelobt für allen geistlichen Segen, also für all seine Heilsgaben, die der Heilige Geist uns über­mittelt.

Und dann geht Paulus zurück an den Anfang, an den Ursprung. Wir denken an die Advents­zeit: Da fängt ein neues Kirchenjahr an, und da bereiten wir uns vor auf die Ankunft des Gottes­sohnes in Menschen­gestalt. So re­präsen­tiert die Adventszeit die Zeit des Alten Testaments, also die Zeit der Schöpfung und die Zeit des alten Bundes zur Vor­bereitung des neuen Bundes. Im Blick auf diese Zeit schrieb Paulus von Gott, dem Vater: „Er hat uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe hat er uns dazu vorher­bestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohl­gefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.“ Dieser Satz ist ein grandioses Zeugnis von Gottes über­wältigender Liebe. Sie ist so groß, dass sie die Grenzen unserer Zeit und Welt sprengt, und damit auch die Grenzen jeder mensch­lichen Vor­stellungs­kraft. Schon vor der Schöpfung hat Gott sich in der Ewigkeit vor­genommen, uns mit seinem Heil zu über­schütten. Noch bevor die ersten Menschen sich gegen Gott auflehnten und in Sünde fielen, hat Gott schon einen Plan gefasst, wie er die Menschheit aus diesem Verderben heraus­retten kann. So will er es, so gefällt es ihm. Darum hatte er auch bei all den ver­schlungenen Weg mit seinem Bundesvolk Israels nichts anderes im Sinn, als mit diesem Volk das Kommen des Erlösers vor­zubereiten – den Menschen aller Völker zugute. Jesus hat es mehrfach bestätigt: Die Propheten­schriften und die anderen Bücher des Alten Testaments haben ihn voraus­gesagt und Zeugnis von ihm gegeben. Auch an dich und mich hat er da schon in Liebe gedacht; lange vor unserer Geburt hat er uns ausersehen und vorher­bestimmt, seine geliebten Kinder zu werden.

Und dann wird es Weih­nachten, dann kommt die Heilige Nacht. Die herrliche Gnade, von der Paulus schrieb, erschien mit dem Kind in der Krippe. Und Engel verkündeten das göttliche Wohl­gefallen, von dem Paulus schieb. Die Engel lobten Gott und sangen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohl­gefallen“ (Lukas 2,14). In Jesus zeigt Gott uns sein mensch­liches Gesicht. Im ein­geborenen Sohn können wir ganz menschlich erleben, wie liebevoll Gott uns anschaut. So, wie Jesus sich den Menschen zugewendet hat, wie er sie tröstete, heilte und zur Gemein­schaft mit dem Vater einlud, so liebt er auch dich und mich. Für uns hat er sich erniedrigt, für uns hat er seinen schweren Lebensweg angetreten. Ja, durch den Gottessohn und nur durch ihn können wir den Vater in der ganzen Herrlich­keit seiner Liebe erkennen – davon singt die Weihnachts- und Epiphanias­zeit.

Und dann kommt die Passions­zeit. Da steht uns Gottes unfasslich große Liebe noch eindrucks­voller vor Augen. Jesus hat sich nicht nur liebevoll um alle Menschen gekümmert, sondern er hat sich sogar für uns auf­geopfert. Er selbst hat es einmal so formuliert: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde“ (Joh. 15,13). Und der Apostel Paulus schrieb den Ephesern: „In Christus haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und Klugheit.“ Ja, das ist die Botschaft vom Kreuz, der Dreh- und Angelpunkt von Gottes Heils­geschichte: Gott begnadigt uns todgeweihte Sünder, weil Jesus stell­vertretend für uns die Strafe getragen hat. Hier ist der Gipfel der Liebe erreicht. Wer ein bisschen Lebens­erfahrung hat, kann das bestätigen: Da sind zwei Menschen miteinander befreundet, und sie empfinden ihre Gemein­schaft als sehr erfreulich und bereichernd – so lange, bis einer den andern schwer enttäuscht. Das Verhältnis bekommt einen Knacks, und nicht selten geht man sich künftig aus dem Weg. Immer wenn einer den andern sieht oder von ihm hört, muss er denken: Das ist der, der mich so schwer enttäuscht hat. So einem Menschen schenkt man nichts mehr, man hilft ihm nicht mehr, und man würde sich erst recht nicht für ihn aufopfern. Genau das aber hat Gottes ein­geborener Sohn für uns getan. Dass wir Gott so schwer enttäuscht haben und immer wieder aufs Neue enttäuschen mit unserer Sünde, das kühlt seine Liebe nicht ab.

Die Passions­zeit gipfelt im Karfreitag. Drei Tage später wird es Ostern: Jesus ist auf­erstanden von den Toten und zeigt sich als Sieger über den Tod. Er verkündet den Jüngern: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden“ (Matth. 28,18). Der Apostel Paulus schrieb den Ephesern: „Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, um ihn aus­zuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass alles zusammen­gefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist.“ Nun ist das Heilswerk erfüllt, zu dem der Vater seinen Sohn in die Welt gesandt hatte; nun ist alles vollbracht. Nun hat der Vater ihm alle göttliche Regierungs­vollmacht übergeben. Nun sollen alle Menschen wissen: Wer den Vater finden will, muss ihn im Sohn suchen; ohne Christus sucht man Gott vergeblich. Mit dieser Botschaft sandte Jesus die Apostel in die Welt und verhieß ihnen den Heiligen Geist.

Damit sind wir bei der Himmelfahrt des Herrn angelangt. Zehn Tage später erfüllte Jesus sein Versprechen und goss den Heiligen Geist über seine Jünger aus; das geschah zum Pfingst­fest. Wir sehen: Die gesamte Heils­geschichte vollziehen wir in der ersten Hälfte des Kirchen­jahres nach. Vom Wirken des Heiligen Geistes in der Christen­heit schrieb Paulus ausführlich an die Epheser: „In Christus sind wir zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorher­bestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens; damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlich­keit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben. In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit – in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verheißen ist, welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlich­keit.“ Die Ver­siegelung, von der der Apostel Paulus spricht, ist die Heilige Taufe. Mit einem Siegel hat man früher Eigentum ge­kennzeich­net. Die Taufe ist Gottes Eigentums-Siegel auf unserm Leben. Er sagt damit jedem von uns: Du bist mein Eigentum; du gehörst zu mir. So hat der Heilige Geist Christi Erlösung ganz persönlich zu dir in dein Leben gebracht. Und er tut es noch auf andere Weise: Er tut es auch durch das „Wort der Wahrheit“ – immer dann, wenn das „Evangelium von der Seligkeit“ verkündigt wird. In der Beichte spricht er dir dieses Wort auf den Kopf zu und bewirkt dabei, was es sagt: „Dir sind deine Sünden vergeben.“ Auch das Heilige Abendmahl lebt aus der Kraft dieses Wortes. Mit alle diesen Gnaden­mitteln gibt der Heilige Geist uns Gottes Garantie, dass seine Liebe un­verbrüch­lich über uns bleibt. Das meinte Paulus mit dem Heiligen Geist als „Unter­pfand“ unserer Erlösung. Aber der Geist tut noch mehr. Er arbeitet an uns; er verändert uns; er gestaltet uns um zu solchen Menschen, wie Gott uns ur­sprünglich bei der Schöpfung gemeint hat. So bewirkt er, dass wir unsern Lebenssin ver­wirklichen können – „dass wir etwas seien zum Lob seiner Herrlich­keit.“ Und dann kommt schließlich irgendwann der Tag, wo der Heilige Geist Gottes Heilswerk an uns vollenden wird; dann werden wir unser himmlisches Erbe antreten und uns ewig daran freuen.

Der himmlische Vater hat seit Anbeginn der Welt unsere Erlösung vor­bereitet. Der eingeborene Sohn ist Mensch geworden und hat mit seinem Tod sowie mit seiner Auf­erstehung unsere Sünden gesühnt. Der Heilige Geist hat uns in der Taufe diese Erlösung zugeeignet und dadurch zu neuen Menschen sowie zu Himmels­erben gemacht. Das Fest der Heiligen Drei­faltig­keit fasst Gottes Heils­geschichte zusammen und schließt auf diese Weise die festreiche Hälfte des Kirchen­jahres ab. Das Trinitatis­fest ist dabei allerdings kein Schluss­punkt, sondern ein Doppel­punkt. Denn nun heißt es, aus der Kraft dieser Gnade zu schöpfen und so zu leben, dass Gott und die Menschen sich darüber freuen können. Jetzt geht es darum, im Glauben zu wachsen und Frucht zu bringen. Daran will uns auch die liturgische Farbe erinnern, die die vor uns liegende festarme Hälfte des Kirchen­jahres prägt: grün. Grün ist die Farbe des Lebens, grün ist die Farbe des Wachstums. Der dreieinige Gott schenke uns allen, dass wir im rechten Glauben leben, wachsen und Frucht bringen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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