Der erhöhte, verborgene, gegenwärtige und wiederkehrende Herr

Predigt über Epheser 1,20b‑23 zum Himmelfahrtstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Was ist der Unterschied zwischen Jesus bei der Himmelfahrt und einer Rakete beim Start? Wenn man anfängt darüber nach­zudenken, werden einem ziemlich viele Unter­schiede einfallen. Ein Unterschied aber ist ent­scheidend: Der Start einer Rakete ergibt sich als sachliche Not­wendig­keit, wenn Dinge ins Weltall befördert werden sollen; Jesu Himmelfahrt dagegen geschah nicht aus Gründen der sachlichen Not­wendig­keit. Es hat ja nach seiner Auf­erstehung nicht einfach herum­gesessen und darauf gewartet, dass sein Vater ihn von der Erde in den Himmel abholt; es ging da überhaupt nicht um einen Transport. Vielmehr will Gott mit der Himmelfahrt seines Sohnes etwas zeigen. Das gilt übrigens für alle Ereignisse der Heils­geschichte: Dass sie so geschehen sind, wie sie geschehen sind, hat sich nicht aus sachlichen Not­wendig­keiten heraus ergeben, sondern es ist Gottes demonstra­tives Handeln für uns Menschen. Ja, so sollen wir auch Christi Himmelfahrt ansehen: als Gottes demonstra­tives Handeln für seine Jünger – denn er will uns etwas Wichtiges damit zeigen. Er will uns mit der Himmelfahrt sagen: Der Heiland ist jetzt ganz oben an der Macht; alles liegt ihm zu Füßen. Christi Himmelfahrt macht das an­schaulich, was unser Gotteswort so ausdrückt: „Gott hat Jesus eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zu­künftigen. Und alles hat er unter seine Füße getan…“ Im griechi­schen Original­text des Epheser­briefes sind diese Aussagen Teile eines ganz, ganz langen Bandwurm­satzes; er erstreckt sich über acht Verse! Die Teile, die wir als Predigttext gehört haben, hängen innerhalb dieses Satzes an der Aussage, dass Paulus für die Christen um Glaubens­erkenntnis betet. Da heißt es: „Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid…“ Solche „er­leuchteten Augen des Glaubens“ sehen in Christi Himmelfahrt genau das, was Gott mit ihr zeigen will: „Jesus Christus herrscht als König, / alles wird ihm untertänig, / alles legt ihm Gott zu Fuß…“

Wir wollen jetzt über vier Eigen­schaften des Königs Jesus Christus nachdenken, die sich aus der Himmel­fahrts-Botschaft ergeben: Er ist erstens der erhöhte Herr, zweitens der verborgene Herr, drittens der gegen­wärtige Herr, viertens der wieder­kommende Herr.

Die Himmelfahrt lehrt uns erstens: Jesus ist der erhöhte Herr. „Erhöht“ bedeutet: Er war ganz unten und ist nun ganz oben. Er ist ganz tief hinab­gestiegen, um uns zu erlösen. Der Vater hat ihn dann empor­gehoben und ihm die gesamten göttlichen Regierungs­geschäfte übertragen. Das ist gemeint mit der Aussage: „Er hat ihn eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zu­künftigen.“ Schon immer haben Machthaber versucht, mit Weisheit und List, aber auch mit brutaler Gewalt und schreck­lichen Waffen ihre Reiche auszudehnen und ihre Herrschaft zu befestigen, und vielen ist das auch eine Zeit lang gelungen. Denken wir an Stalin, denken wir an Cäsar, denken wir an Alexander den Großen! Aber keines dieser Reiche hatte auf Dauer Bestand. Gottes Reich jedoch währt ewig, und darum ist Jesus der Herr über alle Herren. Auch die un­sichtbaren Mächte können ihm nicht das Wasser reichen, Satan und das Heer der Finsternis. Jesus hat es vor seiner Himmelfahrt selbst verkündet: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden“ (Matth. 28,18). Wenn wir uns an ihn halten, dann haben wir den Stärksten zum Freund, dann gibt es niemanden und nichts, was uns von ihm trennen kann.

Die Himmelfahrt lehrt uns zweitens: Jesus ist der verborgene Herr. Leibliche Augen sehen Jesus nicht mehr seit seiner Himmel­fahrt, und von seiner Macht merken wir manchmal auch recht wenig. Der Teufel scheint immer wieder alles durch­einander­zubringen, was Jesus fein geordnet hat – sogar innerhalb von Kirche und Gemeinde. Leid und Not scheinen manchmal stärker zu drücken, als dass Gottes Liebe uns erfreut und entlastet. An vielen Orten vereiteln Kriege und Terrorismus den Frieden, den Jesus gebracht hat. In vielen Ländern wird die Kirche grausam unterdrückt und verfolgt. Abfall und Lauheit prägen die Christen­heit, während der Islam wie Unkraut wuchert. Die allmächtige Herrschaft Jesu ist in der Tat verborgen – sehr verborgen vor unseren irdischen Augen. Gerade darum haben wir es nötig, dass Gott uns die Augen des Glaubens öffnet, wie Paulus es damals für die Epheser erbat. Mit Glaubens­augen sollen wir erkennen, dass Jesus immer noch zur Rechten Gottes sitzt und dort alles fest im Griff hat – für Zeit und Ewigkeit. Und mit Glaubens­mündern wollen wir nicht müde werden, gemeinsam zu bekennen, was der Apostel uns vor­gesprochen hat: Jesus ist und bleibt eingesetzt über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat.

Die Himmelfahrt lehrt uns drittens: Jesus ist der gegen­wärtige Herr. Wir würden die Himmelfahrt miss­verstehen, wenn wir meinen: Er ist gen Himmel aufgefahren und darum weg. Nein, er hat ja vor seiner Himmelfahrt selbst ganz deutlich gesagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matth. 28,20). Und er hat auch gesagt, wie und wo er nach der Himmelfahrt gegenwärtig sein wird: nämlich durch den Heiligen Geist in der christ­lichen Gemeinde – also überall da, wo auch nur zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind. Auch diese Wahrheit hat der Apostel Paulus in unserm Gotteswort nieder­geschrieben, und zwar in dem letzten Teil des langen Satzes: „Gott hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.“ Das ist nun allerdings nicht ganz leicht zu verstehen. Fangen wir mit der letzten Aussage an: „Jesus erfüllt alles in allem.“ Man kann auch sagen: „Jesus erfüllt alles auf alle mögliche Art und Weise.“ Es gibt nichts, keinen Ecke unseres Universums und auch keine Ecke von Gottes un­sichtbarer Welt, wo Jesus nicht herrschen würde. Er herrscht sogar in Hölle; er hat sich da als Sieger über den Tod gezeigt – so bekennen wir es auch im Glaubens­bekenntnis. Aber an bestimmten Stellen ist er in ganz besonderer Weise gegen­wärtig. So lebt Jesus in den Herzen von allen Gläubigen. Da soll er auch herrschen, da soll er unser Leben nach seinem Willen lenken und regieren. In wieder anderer Weise ist er dort zugegen, wo sich Menschen in seinem Namen versammeln, wo sich also Kirche und Gemeinde im eigent­lichen und ur­sprüng­lichen Sinn ereignet. Da ist er nämlich durch sein Wort gegen­wärtig, durch das heilige Evangelium, das da verkündigt wird. Jesus hat vom Heiligen Geist verheißen: „Der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh. 14,26). Und wenn sich die Gemeinde um sein Wort versammelt, dann ist er im Sakrament des Altars auf noch andere und intensivere Weise gegen­wärtig, nämlich mit seinem Leib und Blut unter Brot und Wein, wie er es ebenfalls verheißen hat. Das ist die höchste und heiligste Stufe von Christi Gegenwart, die wir auf Erden erfahren dürfen. Und da geschieht es auch, dass wir unter dem Haupt Christus zu dem einem Leib zusammen­geschweißt werden, von dem Paulus gesprochen hat. Hier in der Abendmahls­feier ist der gen Himmel gefahrene Herr leiblich so gegen­wärtig, wie er damals bei seinen ersten Jüngern leiblich gegenwärtig war – nur dass das wieder nicht die leiblichen Augen erkennen, sondern nur die Glaubens­augen.

Die Himmelfahrt lehrt uns viertens: Jesus ist der wieder­kommende Herr. Unmittelbar nach der Himmelfahrt ver­kündigten zwei Engel den Jüngern: „Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wieder­kommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen“ (Apostel­gesch. 1,11). Auf dieselbe Weise, nämlich mit den Wolken des Himmels, wird er wieder­kommen am letzten Tag, den unser Universum erleben wird. Auch das hat er selbst vor der Himmelfahrt an­gekündigt. Er sagte seinen Jüngern unter anderem: „Alle Ge­schlechter auf Erden werden den Menschen­sohn kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlich­keit“ (Matth. 24,30). Ja, wirklich alle Menschen, Gläubige und Ungläubige, Christen und Juden und Muslime und Atheisten, auch all diejenigen, die für begrenzte Zeit etwas Macht hatten in der Welt. Die werden alle erkennen, dass einer noch größere Macht hat, und das in Ewigkeit: der Herr Jesus Christus. Sie werden es dann nicht mehr mit Glaubens­augen erkennen, denn dann wird Jesus auch wieder sichtbar erscheinen. Am Jüngsten Tag wird die Himmelfahrt gewisser­maßen rückwärts ablaufen: Jesus erscheint in den Wolken und kommt herab zu uns Menschen. Wer dann nicht zu ihm gehört, der hat es schlecht, denn dem ist ein strenges Urteil verheißen. Im 2. Psalm spricht der himmlische Vater zum ein­geborenen Sohn: „Du sollst sie mit einem eisernen Zepter zer­schlagen, wie Tontöpfe sollst du sie zer­schmeißen“ (Ps. 2,9). Da wird dann niemand mehr im Zweifel sein darüber, wer wirklich der Herr ist. Wir aber, die wir durch Taufe und Glaube zu ihm gehören, werden dann in das Reich der Herrlich­keit eingehen – das Reich des erhöhten Herrn, das Reich des dann nicht mehr verborgenen Herrn, das Reich des ewig gegen­wärtigen wieder­gekommenen Herrn. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum