Das heilige Mahl in Freiheit und Reinheit feiern

Predigt über Esra 6,19‑22 zum Gründonnerstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Immer wenn wir das heilige Mahl feiern, dann lebt da eine lange und reiche Geschichte bei uns auf – eine Geschichte von Gottes Güte und Barmherzig­keit. Immer wenn wir das heilige Mahl feiern, hören wir die Worte, die Jesus einst sprach, als er am Abend vor seiner Hinrichtung mit den Jüngern zusammen das Passafest feierte. Immer wenn wir das heilige Mahl feiern, wird damit auch etwas vom Passafest bei uns gegenwärtig – dem Fest, mit dem das Volk Israel sich jährlich an die Befreiung aus der ägyptischen Knecht­schaft erinnerte. Und heute, wo wir den eben gehörten Abschnitt aus dem Buch Esra bedenken, klingt bei uns auch an, wie die Juden im Jahre 515 v. Chr. das Passafest feierten – erstmals wieder in Jerusalem, erst kürzlich zurück­gekehrt aus der Babylo­nischen Gefangen­schaft. Lasst uns jetzt vor allem auf zwei Dinge achten, die in diesem Bericht eine besondere Rolle spielen. Wir können diese beiden Dinge mit den Stich­wörtern Freiheit und Reinheit be­schreiben. Es sind Stich­wörter, die etwas Grund­legendes über das heilige Mahl aussagen für alle Zeiten.

Das heilige Mahl ist erstens ein Mahl der Freiheit. An seinem Ursprung markierte es die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei und den Aufbruch ins verheißene Land Kanaan. Für die Juden im Jahre 515 v. Chr. war es zugleich ein Fest, mit dem sie ihre Befreiung aus der Babylo­nischen Gefangen­schaft feierten. Immerhin sieben Jahrzehnte lang mussten sie im Ausland fremden Herren dienen. Aber dann hatte Gott die Wende gebracht: Er hatte die Babylonier entmachtet und die Rückkehr nach Jerusalem ermöglicht. Es waren jedoch nicht nur Juden, die da feierten. Von den Heiden, die sich zwischen­zeitlich in Jerusalem und Umgebung angesiedelt hatten, hatten einige zum Gott Israels gefunden, dem einen wahren lebendigen Gott, und die feierten mit. Wir lesen: „Es aßen das Passa die Israeliten, die aus der Gefangen­schaft zurück­gekommen waren, und alle, die sich zu ihnen abgesondert hatten von der Unreinheit der Heiden im Lande, um den Herrn, den Gott Israels, zu suchen.“ Die waren zwar nicht aus der Babylo­nischen Gefangen­schaft entronnen, aber die waren aus der Sklaverei von Götzen­dienst und Aberglauben befreit worden. Sie hatten einen Gott gesucht, der wirklich helfen und retten kann, und hatten ihn nun gefunden. So war ihr erstes Passamahl ein geistliches Befreiungs­fest.

Jesus feierte das Heilige Abendmahl mit seinen Jüngern an der Schwelle vom alten zum neuen Bund. Er stiftete am Grün­donnerstag den neuen Bund, für den er dann am Karfreitag starb. „Das ist mein Blut des neuen Bundes“, sagte er, als er seinen Jüngern den Kelch reichte (Matth. 26,28). Der neue Bund aber bedeutet Befreiung vom Fluch des Gesetzes und von der Sklaverei der Sünde. Der Apostel Paulus brachte den neuen Bund auf die Formel: „Christus ist des Gesetzes Ende; wer an den glaubt, der ist ist gerecht“ (Römer 10,4). Christus hat mit seinem Blut die Schuld aller Sünden gesühnt, damit niemand mehr an ihr zugrunde zu gehen braucht.

So feiern wir auch heute mit dem heiligen Mahl unsere Befreiung. Christus hat uns befreit von unserer Sünden­schuld wie von einem viel zu schweren Rucksack, unter dem wir früher oder später zusammen­gebrochen wären. Christus hat uns befreit von der Angst vor allem möglichen Unglück, das wie ein Donner­wetter über uns herein­brechen kann. Diese Angst ist ja letztlich nichts anderes als die Angst vor Gottes Zorn und Straf­gericht, also die Angst vor dem, was Gottes Gesetz allen Sündern androht. Zwar mag uns noch allerlei Un­angenehmes geschehen im Leben, aber von Gottes Liebe kann es uns nicht trennen, und das ewige Leben kann es uns auch nicht rauben. Befreit von Angst und Sünde, können wir getrost singen: „Ob es jetzt / gleich kracht und blitzt, / ob gleich Sünd und Hölle schrecken, / Jesus will mich decken.“ Ja, durch Jesus sind wir grundlegend frei geworden. Diese Freiheit schenkt er uns heute wieder neu durch sein heiliges Mahl.

Das heilige Mahl ist zweitens ein Mahl der Reinheit. Das wird im Bericht der Passafeier vom Jahr 515 v. Chr. besonders betont. Wir lesen: „Die Leviten hatten sich gereinigt Mann für Mann, sodass sie alle rein waren.“ Von den mit­feiernden Ausländern heißt es, dass sie sich „ab­gesondert hatten von der Unreinheit der Heiden im Lande“. Wer sich näher mit dem Begriff der Reinheit im Alten Testament be­schäftigt, der wird allerdings fest­stellen, dass uns diese Vorstellung von Reinheit recht fern liegt. Es geht da vor allem um Ernährungs­vorschrif­ten, Waschungen und andere Rituale. Reinheit im Alten Testament und im Volk Israel ist eine Wissen­schaft für sich. Aber die grund­legende Frage lautet ja: Was hat das für einen Sinn? Die Antwort geben uns das Neue Testament und der neue Bund, den Jesus gestiftet hat. So schrieb der Apostel Johannes in seinem ersten Brief: „Das Blut Jesu macht uns rein von aller Sünde“ (1. Joh. 1,7). Die alt­testament­lichen Reinigungs­rituale sind allesamt nur pro­phetische Zeichen für die eine wahre Reinheit des Herzens, die Jesus uns mit seinem Tod erworben hat. Jesus sagte: „Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen“ (Matth. 5,8). Es geht letztlich nur darum, dass unser Sünden­schmutz abgewaschen wird und wir in Gottes Augen heilig dastehen. Es geht um die Reinheit, die sich kein Mensch selbst erwerben kann, sondern die Gott uns schenkt durch das Wort seines Evangeliums und durch die heiligen Sakramente, angefangen vom reinigenden Wasserbad der Taufe. Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Ihr seid rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe“ (Joh. 15,3). So am Herzen gereinigt, sind Menschen dann bereit und würdig, das heilige Mahl der Befreiung zu feiern. Jesus hat das am Grün­donnerstag mit einer Zeichen­handlung deutlich gemacht, die an die alt­testament­lichen Reinigungs­rituale anknüpft: Er hat seinen Jüngern vor dem Essen die Füße gewaschen. Und er hat dabei zu ihnen gesagt: „Ihr seid rein, aber nicht alle“ (Joh. 13,10). Judas, der Verräter, war nicht rein, denn er vertraute seinem Herrn nicht mehr, er nahm sein Wort nicht mehr an.

Wir aber wollen dem Wort des Herrn vertrauen. Wir wollen das heilige Mahl heute in Reinheit feiern. Wir wollen uns darauf besinnen, dass Gott uns rein­gewaschen hat von allen Sünden mit dem Bad der neuen Geburt an unserem Tauftag. Wir wollen das Wort des Evangeliums im Glauben annehmen, denn es spricht uns frei von allem Sünden­schmutz. Wir wollen darauf vertrauen, dass Christus jetzt wirklich und leibhaftig zu uns kommt mit seinem Leib und Blut. Wir wollen darauf vertrauen, dass er uns dadurch in die herrliche und ewige Freiheit seines Reiches führt. Wenn wir mit solchem Glauben zum Tisch des Herrn treten, dann sind wir rein, dann folgen wir dem Vorbild der Israeliten und der bekehrten Heiden, die sich 515 v. Chr. für das Passamahl reinigten. Wenn wir mit solchem Glauben zum Tisch des Herrn treten, dann sind wir würdig, das Kostbarste in uns auf­zunehmen, was Gott uns auf dieser Welt schenkt. Wie heißt es doch in Luthers Kleinem Katechis­mus? „Der ist recht würdig und wohl geschickt, wer den Glauben hat an diese Worte: Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden. Wer aber diesen Worten nicht glaubt oder zweifelt, der ist unwürdig und un­geschickt; denn das Wort Für euch fordert nichts als gläubige Herzen.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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