Gottes Herrlichkeit auf dem Berg und im Tal

Predigt über 2. Mose 24,12‑18 zum Letzten Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Sehr gern steige ich auf Berge. Es macht zwar Mühe, einen Gipfel zu erklimmen, aber wenn ich erst einmal oben bin, genieße ich die herrliche Aussicht. Wie Spielzeug liegt dann das Tal zu meinen Füßen. Und ich bekommen einen kleinen Eindruck davon, wie Gott die Welt sieht mit seinem großen Überblick über alles. Vielleicht ist das der Grund, warum Gott seine Herrlich­keit öfters auf Berggipfeln offenbart hat. Vom Ölberg aus fuhr der auf­erstandene Jesus gen Himmel. Auf einem Berg in Galiläa strahlte Jesus in herrlichem Licht – wir haben in der Evangeliums­lesung davon gehört. Auf dem Berg Zion hatte Gott seine heilige Wohnung, den Jerusalemer Tempel. Vom Berg Garizim herab segnete Gott das Volk Israel bei seinem Einzug in das verheißene Land. Und auf dem Berg Sinai schloss Gott seinen Bund mit den Israeliten und gab ihnen die Zehn Gebote. Davon berichtet das 2. Buch Mose, in dem unser Predigttext steht.

Da lesen wir: „Die Herrlich­keit des HERRN war anzusehen wie ein ver­zehrendes Feuer auf dem Gipfel des Berges vor den Isra­eliten.“ Das Volk Israel lagerte unten im Tal, und oben auf dem Berg leuchtete feurig eine Wolke wie bei einem Großbrand. Die Israeliten wussten: Da ist der heilige Gott, der HERR, der uns aus der ägyptischen Knecht­schaft befreit und hierher geführt hat. Nicht, dass Gott seine Gegenwart auf einen so kleinen Fleck beschränkt wie den Gipfel eines Berges; vielmehr wissen wir: Gott ist überall gegen­wärtig. Aber wenn die Bibel von Gottes „Herrlich­keit“ spricht, dann meint sie damit, dass sich Gott den Menschen offenbart und dass sie ihn da finden können.

Lasst uns darauf achten, wie die Israeliten Gott am Berg Sinai finden konnten. Sie erlebten Gottes Herrlich­keit als eine furcht­einflößende Herrlich­keit wie bei einem Großbrand, und sie erlebten sie zugleich als eine verhüllte Herrlich­keit wegen der Wolke. Kurz: Der Volksmenge erlebte Gott am Berg Sinai aus einer Ehrfurcht gebietenden Distanz. Nur einen ließ Gott zu sich herauf­kommen auf den Berg, und das war Mose, das Oberhaupt der Israeliten. Als Gott Mose rief, da regelte Mose zunächst die Amts­geschäfte für die Zeit seiner Abwesenheit und machte sich dann an den Aufstieg. Ein Stück weit begleitete ihn sein Diener Josua, den Rest des beschwer­lichen Weges musste Mose allein zurück­legen. Bevor er in die Wolke der Herrlich­keit treten durfte, ließ Gott ihn sechs Tage lang warten. Erst am siebenten Tag, dem geheiligten Tag, rief Gott Mose zu sich in die Wolke. Auf dem Gipfel redete der Herr dann vierzig Tage lang mit Mose und lehrte ihn viele Gesetze für das Volk Israel. Die wichtigsten Gesetze gab er ihm in Stein gemeißelt mit: die Zehn Gebote. „Ich bin der HERR, dein Gott“, stand da ganz oben auf den Tafeln. Ihr steinernes Material war selbst ein Stück Berggipfel, ein Stück vom Ort der Herrlich­keit Gottes. Weiter verfügte Gott: Die Israeliten sollen keine anderen Götter haben, sollen Gottes Namen anrufen, sollen jeden siebenten Tag als Ruhetag heiligen und sollen seine Ordnungen für das Zusammen­leben in Ehe, Familie und Gesell­schaft achten. Nach den vierzig Tagen brachte Mose die Tafeln mit den Zehn Geboten hinunter zum Volk und lehrte sie Gottes Gesetz. Ein Mittler war Mose, der als Stell­vertreter des ganzen Volkes zu Gottes Herrlich­keit hinauf­gestiegen war und der mit Gottes Wort wieder ins Tal zurück­kehrte.

Dieses Ereignis lehrt uns die Herrlich­keit von Gottes altem Bund und von Gottes Gesetz. Mit seinem Gesetz machte Gott seinen Segen vom Gehorsam der Menschen abhängig. Gottes Gesetz verheißt ja nur dem gutes Leben, der es hält; dem, der es nicht hält, droht es den Tod an. Darum blieb das Volk ängstlich in ehr­fürchtiger Distanz zum ver­zehrenden Feuer der göttlichen Herrlich­keit. Und darum hatten die Menschen einen Mittler nötig; nur über ihn konnten sie mit Gott in Verbindung treten. Selbst für den Mittler war der Zugang zu Gott äußerst mühsam; er musste erst den Gipfel eines Berges erklimmen.

Gottes neuer Bund brachte eine Wende; das Neue Testament gibt Zeugnis davon. So heißt es zum Beispiel beim Evangelisten Johannes: „Das Gesetz ist durch Mose gegeben, die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden“ (Joh. 1,17). Und der Apostel Paulus schrieb von der größeren Herrlich­keit des neuen Bundes im Vergleich zum Gesetzes­bund: „Wenn schon das Amt, das den Tod bringt und das mit Buchstaben in Stein gehauen war, Herrlich­keit hatte…, wie sollte nicht viel mehr das Amt, das den Geist gibt, Herrlich­keit haben?“ (2. Kor. 3,7‑8).

Ja, mit Jesu Kommen in die Welt ist alles anders geworden, und wir haben den Segen davon. Da braucht nun keiner mehr mühsam einen Gipfel zu erklimmen, um Gott zu begegnen, denn Gott ist sozusagen ins Tal herab­gekommen zu allen Menschen. Gottes Herrlich­keit bleibt nicht in Ehrfurcht gebietender Ferne, sondern kommt uns ganz nahe. Gottes Wort muss nicht mehr von einem Mittler auf Steintafeln vom Berg herunter­trans­portiert werden, sondern Gottes Wort wohnt nun mitten unter uns in der Gestalt des Mensch gewordenen Gottes­sohns. „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlich­keit, eine Herrlich­keit als des ein­geborenen Sohns vom Vater voller Gnade und Wahrheit“ (Joh. 1,14). Diese Gnade und Wahrheit aber ist nichts anderes als die frohe Botschaft, dass der Sünder nicht mehr an seiner Sünde zugrunde gehen muss, sondern dass Gott ihn wie einen Gerechten ansieht und darum mit seinem Segen beschenkt für Zeit und Ewigkeit. Wie herrlich, schön und tröstlich!

Liebe Brüder und Schwestern, wir haben es riesig gut, dass wir in Gottes neuem Bund leben. Gottes Herrlich­keit ist nicht fern von uns wie auf dem Gipfel eines hohen Berges, Gottes Herrlich­keit ist mitten unter uns durch Jesus. Wir brauchen keine Mittler wie Mose oder wie irgend­welche Priester, denn weil der Gottessohn selbst unser Mittler geworden ist, haben wir alle durch ihn direkten Zugang zu Gott. Gott fordert uns auch nicht auf, wie er einst Mose auf­forderte: „Komm herauf zu mir auf den Berg!“ – also nicht: Streng dich an, plage dich ab beim Aufstieg, sonst findest du mich nicht! Nein, durch Jesus verkündet er uns die Freuden­botschaft: Ich bin zu dir herab­gekommen ins Tal, ich kehre bei dir ein und bleibe bei dir durch meinen Heiligen Geist. Und das ist nicht eine nebulöse geistliche Vor­stellung, sondern das können wir mit unseren Ohren hören, mit unserer Zunge schmecken und mit unserer Haut fühlen. Mit den Ohren hören wir Gottes Wort, mit der Zunge schmecken wir Brot und Wein, die Träger von Leib und Blut Christi im Heiligen Abendmahl, und mit der Haut fühlen wir die Hände eines Gottes­dieners, der uns im Namen des Herrn zuspricht: Dir sind deine Sünden vergeben. Ja, hier im Gottes­dienst geschieht es, dass Gott zu uns ins Tal kommt, in unser armes Erdental. Hier erleben wir seine Herrlich­keit. Hier erfahren wir seine Gegenwart, die er überall dort verheißen hat, wo auch nur zwei oder drei Menschen in seinem Namen versammelt sind. Wir sollten es auch regelmäßig tun: uns im Namen des dreieinigen Gottes versammeln – und zwar vor allem an dem Tag, den er damals wie heute dafür besonders geheiligt hat: den Feiertag, den siebenten Tag. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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