Verwandelt durch den Freund

Predigt über Johannes 15,11‑15 zu einer ökumenischen Veranstaltung

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Was ist das Gegenteil von einem Freund? Da gibt es ver­schiedene Antwort­möglich­keiten, zum Beispiel Fremder, Feind oder Knecht. Lasst uns von diesen Gegenteilen her verstehen lernen, warum Jesus unser Freund ist und wie er uns verwandelt!

Das erste Gegenteil von Freund ist Fremder. Ein junger Mann verbringt täglich ein paar Stunden vor dem Computer. Dem äußeren Anschein nach ist er allein. Trotzdem jubelt er plötzlich: Jetzt habe ich 695 Freunde! Es sind seine Facebook-Freunde. Es handelt sich um Menschen, die er über das Internet gefragt hat, ob sie mit ihm befreundet sein wollen. Alle, die das mit einem Mausklick bestätigt haben, sind nun seine Freunde. Das bedeutet: Sie sind nicht mehr fremd für ihn, jedenfalls nicht auf den Internet­seiten von Facebook. Er kann sich ihre Fotos ansehen und ihre Kommentare lesen, er kann ihnen Nachrichten schicken und Nachrichten von ihnen empfangen. Die Freunde ihrerseits können auf Facebook all das sehen und erfahren, was unser junger Mann dort über sich selbst preisgibt. Durch Jesus ist Gott unser Freund geworden. Er ist nun kein Fremder mehr für uns, kein unbekanntes und unnahbares höheres Wesen, von dem man nicht mal so recht weiß, ob es überhaupt existiert. Durch Jesus hat Gott für uns ein mensch­liches Gesicht bekommen, so wie man bei Facebook die Gesichter der Leute sehen kann, mit denen man befreundet ist. Durch Jesus hat Gott uns seine beste und endgültige Nachricht geschickt – die gute Nachricht nämlich, dass Gott uns trotz unserer Sünde nicht mehr böse ist und für immer mit uns befreundet bleiben will. Und durch Jesus können wir Gott unsere Nachrichten schicken, unsere Gebete. Weil Jesus unser Freund ist, wissen wir: Unsere Anliegen werden bei Gott nicht einfach weg­geklickt, sondern sie werden gehört und ganz ernst genommen. Ja, mit Jesus ist Gott kein Fremder für uns, sondern unser Freund!

Das zweite Gegenteil von Freund ist Feind. Ein Feind ist kein Fremder; aber Feindschaft kann sich darin äußern, dass der Feind wie ein Fremder behandelt wird: Man lässt ihn links liegen, man beachtet ihn überhaupt nicht. Wenn die Feindschaft größer ist, dann wird einer allerdings versuchen, dem Feind eins aus­zuwischen, ihm Böses zu tun, ihm wenigstens einen Denkzettel zu verpassen. Und wenn die Feindschaft ganz groß ist, dann kann es sogar sein, dass einer seinem Feind nach dem Leben trachtet. Wie die Bereit­schaft zum Töten die höchste Stufe der Feindschaft darstellt, so stellt die Bereit­schaft, für einen anderen Menschen zu sterben, die höchste Stufe von Freund­schaft dar. Jesus sagte: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ Wirklich niemand? Doch, einen gibt es, der hat noch größere Liebe – größere Liebe als das, was unter uns Mensch allgemein für möglich gehalten wird. Dieser eine ist Jesus selbst. Der Apostel Paulus schrieb von Jesus im Römerbrief: „Wir sind mit Gott versöhnt worden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren“, und: „Christus ist für uns gestorben, als wir noch Sünder waren“ (Römer 5,8.10). Ja, das müssen wir ein­gestehen: Jesus hat sich nicht darum für uns auf­geopfert, weil wir uns Gott gegenüber so freundlich verhalten haben, sondern obwohl wir uns so feindlich verhalten haben, so gottlos! Er hat also noch größere Liebe zu uns als einer, der sein Leben für die Freunde lässt. Er hat so übergroße göttliche Liebe, dass er sein Leben für Feinde ließ. Indem er es tat, hat er uns zu Gottes Freunden gemacht. Er hat uns verwandelt, er hat uns völlig auf den Kopf gestellt: Er hat uns mit Gott versöhnt! Gott streckt in Jesus seine Hand als erster zu uns aus und sagt: Lasst alle Feindschaft begraben sein und alle Sünde vergeben! Da können wir vertrauens­voll ein­schlagen, weil wir wissen: Einen besseren Freund mit größerer Liebe werden wir nirgends finden. Ja, wirklich, unser Freund Jesus hat uns total verwandelt: Aus Gottlosen hat er Gottes­freunde gemacht.

Das dritte Gegenteil von Freund ist Knecht. Für biblische Zeiten könnte man auch „Sklave“ sagen, für moderne Zeiten „An­gestell­ter“. Das leuchtet uns vielleicht nicht sofort ein. Und doch ist ein Knecht das Gegenteil von einem Freund, das hat Jesus in seinen Abschieds­reden an die Jünger betont. (Der Text, den wir hier betrachten, ist ja ein Stück aus den Reden Jesu, die er seinen Jüngern am Grün­donnerstag gehalten hat, einen Tag vor seinem Tod.) Da sagte Jesus unter anderem: „Ich sage hinfort nicht, dass ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde seid; denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch kundgetan.“ Dass Menschen Gottes Knechte sein sollen, das wussten damals alle, das war eine Binsen­wahrheit. Es bedeutete, dass man einfach blindlings Gottes Anweisungen und Gebote befolgen muss, so wie ein Sklave seinem Herrn gehorcht. Jesus aber sagt seinen Jüngern: Durch mich ändert sich diese Beziehung. Durch mich weiht euch Gott in seine Pläne ein. Durch mich zeigt er euch, was hinter allen göttlichen Geboten steckt: Nämlich letztlich nur ein Gebot, das Gebot der Liebe. Jesus hat es ja auch aus­drücklich in den Abschieds­reden gesagt: „Das ist mein Gebot, dass ihr euch unter­einander liebt.“ Wer versteht, was Jesus mit Liebe meint und wie er selbst geliebt hat, der versteht Gott. Wer aber Gott versteht, der ist nicht einfach nur ein Knecht oder Unter­gebener, sondern der ist ein Ein­geweihter, ein Freund. Er hört zwar nicht auf, Gott zu dienen, aber er tut es nun nicht mehr aus Zwang oder Pflicht­gefühl, sondern aus Einsicht und Liebe. Martin Luther hat es in den beiden Hauptteilen seiner bekannten Reformations­schrift „Von der Freiheit eines Christen­menschen“ so aus­gedrückt: „Der Christ ist völlig freier Herr über alles und niemandem untertan. Der Christ ist ein allen völlig dienstbarer Knecht und jedermann untertan“ (nämlich um der Liebe willen). Ja, so verwandelt uns Jesus durch seine Freund­schaft.

Freund­schaft ist eine Beziehung. Die Freund­schaft Jesu ist eine Beziehung, die er selbst geschaffen hat, weil er mit seinem Kreuz den Graben der Sünde über­brückte. Diese Beziehung verwandelt uns. Ihr Prinzip ist die Liebe. Wer Jesus als Freund erkannt hat, will nichts anderes als Gott und die Mitmenschen lieben. Und er spürt, wie Gott ihn selbst dahin verwandelt, wie er ihn nach und nach zur Liebe befähigt. Das mag uns manchmal klein und kümmerlich vorkommen. Aber die Hauptsache ist, dass Gott das große Werk in uns angefangen hat durch den Heiligen Geist. Ein wesent­licher Ausdruck dieser Beziehung ist es, dass wir mit Gott reden – und zwar so vertrauens­voll, wie wir mit dem allerbesten Freund reden würden. Das wollen wir nun auch tun. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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