Unser Wille und Gottes Wille

Predigt über Jakobus 4,13‑15 zum Neujahrstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Habt Ihr Pläne für das neue Jahr? Ich hoffe, dass ihr welche habt. Wer keine Pläne hat und sich einfach treiben lässt, der hat es nämlich schwer in der heutigen Zeit. Es gibt so viele Wahl­möglich­keiten, dass wir uns andauernd entscheiden müssen. Wer da ent­schlossen ist und einen festen Willen zeigt, der kann über die zahlreichen Lebens­weg­kreuzun­gen hinweg seinen Kurs halten – auch im gerade an­gebrochenen Jahr.

Damit sind wir bei dem Thema, das unsere Neujahrs­epistel an­schneidet. Da ist von Unter­nehmern die Rede, die für das vor ihnen liegende Jahr große Pläne haben. Handel wollen sie treiben und Gewinn wollen sie machen. Das war zur Zeit der Bibel nicht anders als heute. An sich ist das auch nichts Schlechtes, sondern etwas ganz Normales. Im Grunde genommen sind wir ja alle Unter­nehmer: Wir wollen im Leben erreichen, dass wir „Gewinn machen“, damit es uns gut geht. Eine solche unter­nehmerische Einstellung ist mir jedenfalls lieber, als wenn jemand gar nichts unternimmt, sondern erwartet, dass andere sich um seinen Lebens­unterhalt kümmern. Es ist besser, Pläne zu schmieden und für ihre Erfüllung notfalls auch den Wohnsitz zu wechseln, als in über­kommenen Ver­hältnissen jammernd zu erstarren und womöglich noch den Politikern die Schuld dafür zu geben. Auch wer zu jung oder zu alt dafür ist, um Wirtschafts­unternehmen zu beginnen, ist doch in anderer Hinsicht gefordert, sein Leben in die Hand zu nehmen und mit klarem Willen Ent­scheidungen zu treffen. Wer zum Beispiel mit der Schule fertig ist, sollte sich gut überlegen, wie es bei ihm weitergehen soll. Auch hier sind mir diejenigen jungen Leute lieber, die sich über Berufs- und Aus­bildungs­möglich­keiten informieren und einen Ortswechsel erwägen, als diejenigen, die lustlos irgendwas anfangen, um dann hinterher fest­zustellen, dass es nicht das Richtige war. Selbst der alte Mensch kommt immer wieder in die Situation, dass er sein Leben in die Hand nehmen und Ent­scheidungen fällen muss. Da ist zum Beispiel jemand unheilbar erkrankt und soll nun unter­schreiben, dass er mit einer kompli­zierten Operation ein­verstanden ist, die vielleicht, nach mensch­lichem Ermessen, seine Lebens­erwartung um ein paar Jahre erhöht. Auch hier ist eine mutige Ent­scheidung nötig, so oder so; auch hier sind starker Wille und Entschluss­kraft gefragt.

Nun wird euch in der Neujahrs­epistel aber auch nicht entgangen sein, dass Gott die darin erwähnten Unternehmer durchaus kritisch sieht. Dabei hat die kirchliche Kommission, die einst die Abgrenzung der Neujahrs­epistel beschloss, uns mit dem scharfen nach­folgenden Satz sogar noch verschont. Darin heißt es: „Nun aber rühmt ihr euch in eurem Übermut. All solches Rühmen ist böse.“ Dieser Satz macht allerdings auch deutlich, dass Gott hier nicht die unter­nehmerischen Pläne als solche kritisiert, sondern vielmehr Übermut und falsches Rühmen. Was ist damit gemeint? Damit ist gemeint, dass ein Mensch sich einbildet, mit seinen forschen Plänen und klaren Willens­entscheidun­gen selber seines Glückes Schmied zu sein. Er bildet sich ein, dass er es selbst in der Hand hat, Gewinn zu machen und seine Lebens­qualität zu verbessern. Er denkt, er kann die Zukunft gestalten. Offenbar gab es schon damals viele, die so gedacht haben; in der heutigen Zeit wird diese Haltung ja fast schon wie ein Naturgesetz gelehrt. Ist euch das schon mal auf­gefallen: Wie oft ist davon die Rede, dass Menschen die Zukunft gestalten wollen oder sollen. Was für ein Unsinn! Niemand kann seine Zukunft gestalten. Wir können nur unsere Gegenwart gestalten und hoffen, dass sich das positiv auf unsere Zukunft auswirkt. Am 1. Ja­nuar kann niemand direkt be­einflussen, wie es ihm am 1. Fe­bruar oder am 1. De­zember gehen wird. Da können meine Pläne schon längst über den Haufen geworfen sein, da kann ich krank sein, da kann ich verletzt im Krankenhaus liegen, da kann ich auch schon tot sein. Niemand hat das selbst in der Hand; es steht allein in Gottes Hand. Gott sagt es schlicht und klar in unserer Neujahrs­epistel: „Ihr wisst nicht, was morgen sein wird. Was ist euer Leben? Ein Rauch seid ihr, der eine kleine Zeit bleibt und dann ver­schwindet.“ Wenn ihr eine Kerze auspustet, könnt ihr es beobachten: Ein paar Sekunden lang steigen noch Wachs­schwaden hoch; dann ist es vorbei. Das sind wir, das ist unser Menschen­leben: So eine Wachs­schwade, so ein Rauch! Wer das nicht wahrhaben will, der lebt in „Übermut“ und falschem „Rühmen“, wie es die Bibel nennt.

Das bedeutet nun keineswegs, dass man nichts mehr planen und entscheiden sollte. Nein, ich stehe zu meiner Meinung: Es ist gut und wichtig, einen ent­schlossenen Willen zu haben und allerlei Lebens-Unter­nehmungen für das neue Jahr zu planen. Wichtig ist dabei aber, dass wir den Ausgang und Erfolg unserer Unter­nehmungen ganz und gar Gott überlassen. In der Neujahrs­epistel heißt es darum: „Ihr solltet sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.“ Es ist die berühmte Jakobus-Klausel, die „conditio Iacobi“, die Christen aller Jahr­hunderte als Vor-Vorsatz vor alle eigenen Vorsätze und Pläne gestellt haben: „So Gott will und wir leben…“ Der christliche Unternehmer wird den Erfolg oder Misserfolg seiner neusten Pläne in Gottes Hand legen, der christliche Jugendliche wird Ausbildung und Beruf dem Herrn im Gebet anbefehlen, der todkranke Patient wird, gleich ob er sich noch einmal operieren lässt oder nicht, beten: „Ach Gott, ich bitt durch Christi Blut, / machs nur mit meinem Ende gut.“

Damit gelangen wir zum zweiten Thema des Neujahrs­tages. Das erste Thema ist der Beginn eines neuen Kalender­jahres sowie unser Wollen und Planen für die vor uns liegenden zwölf Monate, wobei wir Ausgang und Erfolg Gott anheim­stellen. Das zweite Thema ist, weniger offen­sichtlich, die Be­schneidung und Namengebung unseres Herrn Jesus Christus. Jesus wurde ja wie alle jüdischen Knaben gemäß dem Mose-Gesetz am achten Tag nach seiner Geburt be­schnitten, und bei dieser Gelegenheit wurde sein Name offiziell bekannt gegeben. Weil wir am 25. Dezember der Geburt Jesu gedachten, liegt es nahe, acht Tage später, also am 1. Ja­nuar, seiner Be­schneidung und Namengebung zu gedenken. Bleibt nur noch die Frage: Wo kommt denn Jesus in unserem Predigttext vor?

Hören wir noch einmal den ent­scheidenden Satz daraus: „Ihr sollt sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.“ Der Herr, das ist der allmächtige Gott, der Schöpfer und Herr aller Dinge. Der Herr, das ist zugleich aber auch das Jesus-Kind, der Kyrios, von dem wir bekennen: „Ich glaube an Jesus Christus, Gottes ein­geborenen Sohn, unsern Herrn.“ Es ist ganz wichtig, dass wir uns das klar machen. Wenn wir unser Leben und unser Planen unter den Willen des Herrn stellen, dann stellen wir es nicht unter den Willen Allahs oder irgendeines nebulösen höheren Wesens, das wir uns da irgendwo im Himmel vorstellen. Nein, wir stellen es unter den Willen des Herrn Jesus Christus, der als Mensch zur Welt kam und acht Tage später nach Gottes Willen den Namen „Jesus“ erhielt. Nur wer Jesus findet, findet Gott den Herrn; niemand kommt zum himmlischen Vater ohne ihn. Der rechte Glaube erkennt in Jesus den Fleisch gewordenen Gott; jeder andere Glaube ist ein Irrglaube. Das ist ja die Haupt­botschaft des ganzen Neuen Testaments: In Jesus und nur in ihm haben wir Zugang zu Gott und werden Kinder seines ewigen Reiches.

„Wenn der Herr will“ – diese Bedingung sollen wir über alle Pläne unseres eigenen Willens stellen. Wenn Jesus es will, dann werden wir das Ende dieses neuen Jahres erleben. Wenn Jesus es will, werden wir gesund bleiben. Wenn Jesus es will, werden unsere Pläne und Vorhaben gelingen. Die Frage ist nur: Will er denn? Was ist denn sein Wille für uns? Wenn es um den Willen Allahs oder irgendeines nebulösen höheren Wesens ginge, dann müssten wir nun mit den Schultern zucken und sagen: Wir wissen es nicht; es liegt alles im Dunkeln. „Kismet“ sagt der Moslem dafür, „Zufall“ der moderne Mensch. Aber nun kennen wir diesen Herrn ja besser. Es ist der, der am achten Tag nach seiner Geburt den Namen „Jesus“ erhielt. Dieser Name beinhaltet Gottes Programm: „Jesus“ heißt „Retter“ oder „Heiland“. In Jesus kam Gott selbst zur Welt, um uns zu retten. Er kam, um uns aus dem un­entwirr­baren Knäuel von Schuld und Leid heraus­zureißen, das in dieser Welt herrscht. Er kam, um uns selig zu machen. Er kam, um uns das ewige Leben zu schenken. Das ist sein Wille – sein guter, gnädiger Wille. Wenn wir im Vaterunser beten: „Dein Wille geschehe“, dann erteilen wir Gott damit keine Blanko­vollmacht, irgendwas an uns zu tun, sondern dann sprechen wir ihm das Vertrauen aus, dass er seinen guten und gnädigen Willen ans Ziel bringen wird, den er uns in Jesus offenbar gemacht hat. „Wenn der Herr will, werden wir leben…“ – er will, das hat er mit Jesus ganz deutlich gemacht. Ja, er will, dass wir leben. Auch wenn ich dieses Jahr sterben sollte, so weiß ich, dass ich weiterleben darf in Gottes Herrlich­keit, denn so will es der Vater im Himmel und so will es mein Heiland Jesus Christus. Er hat es mir mit der Taufe geschenkt und versichert es mir immer wieder neu mit seinem Wort.

Der Herr Jesus will, dass wir selig werden. Damit steht das herrliche Ziel unseres Lebens fest; Gott sei Lob und Dank! Wie der Weg dorthin aussieht, das bleibt allerdings noch sein Geheimnis. Wir wissen nur, dass dieser Weg auch etwas mit dem Kreuz zu tun hat und dass wir einmal durch das dunkle Tor des Todes schreiten müssen. Wir wissen aber auch, dass Jesus dabei stets an unserer Seite ist, stets ganz nah – er, der Herr, der Heiland. Das ist das Wichtigste. Egal ob geplante Geschäfte erfolgreich verlaufen oder zur Insolvenz führen, egal wie der Weg ins Berufsleben dann wirklich verläuft, egal wie sich unsere Gesundheit entwickelt – Jesus ist bei uns, darauf können wir uns verlassen. Er geht mit und führt uns Schritt für Schritt weiter.

„Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun“, so sollen wir sagen. Und das bedeutet letztlich nichts anderes, als der Auf­forderung des Apostels Paulus aus dem Kolosser­brief nach­zukommen: „Alles, was ihr tut, mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn“ (Kol. 3,17). Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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