Zielstrebig leben

Predigt über Lukas 16,1‑9 zum Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres

Liebe Kinder des Lichts!

Bei uns im Reich Gottes herrscht das Motto: Mit Gott und den Menschen im Frieden leben! Im Reich der Welt herrscht das Motto: Möglichst bequem im Wohlstand leben! Natürlich werden die meisten abstreiten, dass das ihr Motto ist, aber doch ist es so tief in vielen Herzen verankert, dass sich viele Menschen ent­sprechend verhalten. Auch wir, die wir Jünger Jesu sind, haben eine Ahnung von diesem Motto, denn auch unser Herz kennt die Sünde.

Möglichst bequem im Wohlstand leben! Nach diesem Motto handelte auch der unehrliche Verwalter in Jesu Gleichnis. Er verwaltete irgendwo im Nahen Osten ein Landgut für einen stein­reichen Groß­grund­besitzer. In Jesu Heimat, in Galiläa, hat es tatsächlich solche mächtigen Wirtschafts­bosse gegeben, und Jesus hat sie des öfteren zu Haupt­figuren in seinen Gleich­nissen gemacht. Wir ahnen es schon, und die Geschichts­schreiber bestätigen es: Diese antiken Groß­grund­besitzer lebten ebenfalls nach dem Motto, das im Reich dieser Welt herrscht: Möglichst bequem im Wohlstand leben! Hartherzig beuteten sie ihre Arbeiter aus. Rücksichts­los machten sie andere von sich abhängig. Hinter­listig gewährten sie Darlehen, um sich am Ende, wenn die Schuldner pleite waren, deren Ländereien mit einem Schein des Rechts unter den Nagel zu reißen.

Aber nun zu unserem Gleichnis. Der clevere Verwalter hatte seinerseits lange auf Kosten des Groß­grund­besitzers gelebt. Jesus erzählte: „Er ver­schleuderte ihm seinen Besitz“ – nach dem Motto: Möglichst bequem im Wohlstand leben! Aber irgendwann bekam der Groß­grund­besitzer Wind davon. Er kündigte dem Verwalter und setzte ihm eine Frist zur End­abrechnung. Da sollte der Verwalter dann sämtliche Dokumente vorlegen und einen Rechen­schafts­bericht abgeben. Der Verwalter steckte nun in der Tinte. Seinen lukrativen Job war er los, und um die Akten hatte er sich natürlich nie richtig gekümmert. Er musste damit rechnen, dass es ihm jetzt wirklich an den Kragen ging. Aber er war ja ziemlich clever, und darum heckte er einen Plan aus, der ihm auch für die Zukunft ein möglichst bequemes Leben im Wohlstand garantieren sollte. Er suchte nach­einander alle Großhändler auf, über die sein Chef die land­wirtschaft­lichen Erzeugnisse ver­marktete, und fälschte mit ihnen die Schuld­scheine über noch zu leistende Zahlungen. Da ging es um Riesen­summen. Da war zum Beispiel eine Rechnung über etwa 4000 Liter reines Olivenöl offen. Sie wurde so verändert, dass nur noch 2000 Liter bezahlt werden mussten. Auf ähnliche Weise wurde aus einem Warenkredit von 25 Tonnen Weizen ein Warenkredit von nur noch 20 Tonnen Weizen. Der Verwalter hoffte, dass sich die derart entlasteten Großhändler bei ihm erkenntlich zeigen. Vielleicht würden sie ihm großzügig etwas ab von dem ein­gesparten Geld abgeben, oder sie würden mit ihm lukrative Berater­verträge abschließen – schließlich ist ein so pfiffiger Geschäfts­mann bares Geld wert! Aber die Sache flog auf: Der Groß­grund­besitzer kriegte raus, was sein gefeuerter Verwalter da eingefädelt hatte. Und nun kommt die erste Über­raschung in dieser Geschichte: Man würde erwarten, dass der Groß­grund­besitzer jetzt ein grausames Donner­wetter über den Verwalter niedergehen lässt. Stattdessen heißt es von ihm: „Der Herr lobte den ungetreuen Verwalter.“ Wir können uns ausmalen, wie er laut lachend dem Manager auf die Schulter haut und ausruft: „Mensch, Sie sind ja ein noch größeres Schlitzohr als ich! Hätte ich ihnen gar nicht zugetraut!“ Und vielleicht stellt er ihn sogar wieder ein – und gibt ihm seinerseits einen Berater­vertrag! Ja, so geht zu es in der Welt. So handeln viele Menschen, wenn sie zielstrebig und clever sind, denn sie wollen ja möglichst bequem im Wohlstand leben.

Die zweite Über­raschung ist, dass Jesus die Klugheit dieses Verwalters aus­drücklich lobt und sie seinen Jüngern – und damit auch uns, liebe Gemeinde – als Vorbild unter die Nase reibt. Das macht diese Geschichte zum vermutlich merk­würdigsten und schwie­rigsten Gleichnis der Bibel. Wohl­bemerkt: Es ist ein Gleichnis, es ist kein Beispiel; nur als Gleichnis ist es verstehbar. Wenn es ein Beispiel wäre, dann würde Jesus uns damit sagen: Seid im Wirtschafts­leben genauso schlitz­ohrig wie dieser Verwalter, damit auch ihr möglichst bequem im Wohlstand leben könnt. Das ist natürlich ganz und gar nicht Jesu Botschaft. Bei einem Gleichnis liegt der Fall anders: Da gilt es zu erkennen, was denn der Vergleichs­punkt ist; alles andere ist nur schmücken­des Beiwerk. Jesus sagte bei seiner Erklärung der Geschichte: „Die Kinder dieser Welt sind unter ihres­gleichen klüger als die Kinder des Lichts.“ Der Begriff „unter ihres­gleichen“ zeigt: Diese Geschichte macht mit Gesetz­mäßig­keiten, die in unserer Welt üblich sind, etwas deutlich, was auf Gottes Reich übertragen werden kann. Also: Nicht die Gesetz­mäßig­keiten dieser Welt an sich sollen wir uns zum Vorbild nehmen, schon gar nicht die hier vorgeführte Wirtschafts­kriminali­tät, sondern vielmehr das ziel­strebige Verhalten. Martin Luther hat im Jahre 1533 über das Gleichnis gepredigt und diese Erkenntnis so ver­anschaulicht: Wenn eine Prostitu­ierte sich mit großer Sorgfalt schön macht, um den Männern zu gefallen, und wir nehmen das als Gleichnis, dann heißt das nicht, dass wir damit die Prosti­tution gut heißen. Eine Braut könnte an diesem Gleichnis jedoch lernen, dass sie sich für ihren Bräutigam mit großer Sorgfalt schön machen sollte; und wir Christen können daran lernen, dass wir uns mit guten Werken für unsern Bräutigam Christus schmücken sollen. Wenn wir die Geschichte vom unehrlichen Verwalter also wirklich nur als Gleichnis nehmen, dann können wir sagen: Wir sollen ebenso klug und zielstrebig handeln wie er – aber nicht zur Erfüllung des weltlichen Lebens­mottos: Möglichst bequem im Wohlstand leben!, sondern zur Erfüllung unseres geistlichen Lebens­mottos: Mit Gott und den Menschen im Frieden leben!

Wie das auf dem Hintergrund dieses Gleich­nisses geht, das steht im letzten Satz unseres Predigt­textes. Jesus sagte: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon!“ Seid nicht habgierig oder geizig, sondern gebt euer Geld fröhlich aus mit dem Ziel, anderen damit eine Freude zu machen! Wenn ihr das tut, dann erfreut ihr damit Gott und eure Mit­menschen. Besonders diejenigen unter den Mitmenschen können wir mit unseren materiellen Gütern erfreuen, die selbst zu wenig davon haben. Martin Luther begann deshalb seine bereits erwähnte Predigt über diesen Text mit den Worten: „‚Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon‘, das ist, helft armen Leuten mit eurem Geld und Gut!“

Nun geht dieser berühmte Satz aber noch weiter: „… damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“ Was meinte Jesus denn damit? „Wenn er zu Ende geht“ (der ungerechte Mammon nämlich) weist auf das Ende der Welt hin, den Jüngsten Tag; da werden Geld und Gut dann wirklich keinerlei Bedeutung mehr haben. Die „ewigen Hütten“ stehen für den Himmel, die ewige Seligkeit. Aber wieso bringen uns denn Leute in den Himmel, die wir durch Geschenke erfreut haben? Der himmlische Vater entscheidet doch, wer ewig bei ihm wohnen darf, und der zum Welten­richter bestimmte Jesus Christus! An diesem Punkt erinnern wir uns an das Evangelium des heutigen Tages. Da sagt der Welten­richter zu den Himmels­kandidaten: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Matth. 25,40). Hinter den Not leidenden Menschen verbirgt sich Christus! Wer also zeit seines Lebens barmherzig handelt, der macht sich damit nicht nur die Armen zu Freunden, sondern auch Gott. Jeder Euro, den wir für arme und notleidende Menschen opfern, ist zugleich ein Opfer, das Gott erfreut – im Jüngsten Gericht wird das offenbar werden. Auch im Gleichnis selbst finden wir einen klaren Hinweis auf das Jüngste Gericht: Der Verwalter soll dem Groß­grund­besitzer „Rechen­schaft geben“. Genau denselben Begriff verwendet das Neue Testament im Hinblick auf das Endgericht. Dabei ist natürlich klar, dass der Groß­grund­besitzer im Gleichnis für Gott steht: Er ist un­ermesslich reich, und er wird „Herr“ genannt. Jesus sagt uns also mit diesem Gleichnis: Lebt freigebig, teilt euer Hab und Gut mit den Armen! Wenn ihr das tut, dann arbeitet ihr zielstrebig für euer Lebens­motto: Mit Gott und den Menschen im Frieden leben!

Ich sage jetzt noch nicht „amen“, weil etwas Wichtiges fehlt. Wir verweilen beim Thema dieses Sonntags, beim Gericht, beim endgültigen Rechen­schaft-Geben. Konnte der Verwalter seinem Herrn denn da korrekte Bücher vorlegen? Und durfte er mit einem Lob rechnen? Die Antwort lautet in beiden Fällen: Nein. Er hatte ja das Gut seines Herrn ver­schwendet. Ebenso stehen wir alle am Ende vor Gottes Gericht: Als arme Sünder, die angesichts ihres er­bärmlichen Wirt­schaftens beziehungs­weise Lebens nicht mit Lob, sondern mit Strafe rechnen müssen. Was ist da unsere letzte Hoffnung? Worauf können wir noch vertrauen? Der unehrliche Verwalter hatte nichts Eigenes, worauf er sich verlassen konnte – das erkannte er klar in seiner Klugheit. Darum blieb ihm nichts anderes übrig, als mit fremdem Gut sein Lebensmotto zu erfüllen – und zwar mit den ermäßigten Kredit­schulden seines Herrn! Das bedeutet für uns: In Gottes Gericht werden wir nichts Eigenes haben, was wir zu unserer Rettung vorweisen können. Letztlich rettet uns dann nur noch der Schulden­erlass unseres über die Maßen reichen Herren: die Vergebung der Sünden im Namen Jesu Christi. Gott selbst ist es, der mit seinem Vermögen für unsere Schulden gerade steht. Und wenn wir davon Gebrauch machen und es im Glauben annehmen, dann können wir darauf hoffen, dass er uns im Jüngsten Gericht lobt und frei­spricht.

Was ist dann aber mit unseren Geldspenden für Arme und mit unseren anderen guten Werken? Verdienen können wir uns damit bei Gott nichts. Sie sind aber Ausdruck dessen, dass wir durch Jesus mit Gott versöhnt sind und aus diesem Vertrauen leben. Wer getauft ist, der ist wieder­geboren, von Gott neu geboren. Wer getauft ist, der ist nicht mehr nur Kind dieser Welt, sondern er ist ein Kind des Lichts. Nun sagte Jesus im Anschluss an das Gleichnis: „Die Kinder dieser Welt sind unter ihres­gleichen klüger als die Kinder des Lichts.“ Ja, leider sind wir Lichtkinder manchmal so dumm zu meinen, wir müssten uns den Himmel selbst verdienen. Das meinten auch die Super­frommen zur Zeit Jesu, die Pharisäer und Schrift­gelehrten. Lasst uns klug genug sein, um zu erkennen: Wir können uns die „ewigen Hütten“ nicht verdienen, dazu sind wir nicht gut genug. Wir können aber auf der Grundlage vergebener Schuld aus dem großen Reichtum unsers Herren leben. Wir können aus einem un­ermesslich großen Schatz von Liebe und Barmherzig­keit schöpfen, und wir dürfen dieses fremde Gut gern an andere weiter­geben. Am Ende wird der Vater im Himmel uns dafür nicht böse sein, sondern, im Gegenteil, loben. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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