Was motiviert uns?

Predigt über Römer 8,12‑17 zum 14. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Was motiviert uns? Was treibt uns an? Oder auch: Wer treibt uns an? Für wen tun wir was? Für wen strengen wir uns an im Leben? Sind es die Vor­gesetzten bei der Arbeit? Sind es die Lehrer in der Schule? Sind es die Eltern zu Hause? Sind es Menschen, die wir bewundern und uns darum zum Vorbild nehmen? Sind es unsere Kumpels? Sind es die Staats­gesetzte? Sind es unsere An­gewohn­heiten? Sind es unsere Hormone? Sind es unsere mensch­lichen Bedürf­nisse? Sind es unsere gut durch­dachten Einsichten? Sind es unsere tiefsten Über­zeugungen? Ist es der viel zitierte Zeitgeist? Ist es der Heilige Geist? Oder ist es nichts von alledem, sondern einfach nur unser eigener freier Wille? Ja, was motiviert uns, was treibt uns an im Leben? Wonach richten wir uns? Was nehmen wir als Maßstab, um Prioritäten zu setzen?

Lasst uns diesen Sack voller Fragen nun zum Apostel Paulus bringen, an seiner Tür klingeln und ihn bitten, dass er uns beim Sortieren hilft. Er tut das auch – oder besser: Gott tut es durch ihn, denn wir finden Antwort in Gottes Wort, im Brief des Apostels Paulus an die Römer. Zugegeben: Der Römerbrief ist nicht gerade leicht zu verstehen. Zwar haben wir den Abschnitt, der uns bei unseren Fragen weiter­helfen kann, eben als Predigttext gehört, aber von einmal Hören sagt er den meisten nicht viel. Da hilft es uns, wenn wir das Gleichnis heraus­arbeiten, das Paulus in diesen Fragen angedeutet hat. Paulus behandelt die Frage „Was treibt uns an?“ in so einer Weise, dass er daraus die Frage macht: Von wem sind wir eigentlich abhängig, und in welcher Weise? Für wen tun wir was, für wen arbeiten wir, für wen leben wir? Und dann erörtert er zwei Antwort­möglich­keiten: Fleisch und Geist. Um das Gleichnis an­schaulicher zu machen, sage ich einfach mal: Entweder man dient dem Herrn Fleisch oder dem Herrn Geist.

Betrachten wir zunächst die erste Möglich­keit: Wir können Herrn Fleisch dienen. Mit Fleisch meint Paulus all das, was uns inner­weltlich motiviert. Wir müssen essen, wir müssen trinken, wir brauchen Wärme und ein Dach überm Kopf. Die Hormone gehören ebenso zu Herrn Fleisch wie die gesell­schaft­lichen Strukturen, in denen wir leben – angefangen von den Eltern über Lehrer und Vorgesetzte bis hin zu den Re­gierenden. Wenn wir aus dem allen unsere Haupt­motivation fürs Leben schöpfen, dann dienen wir Herrn Fleisch. Paulus sagt: Wir sind dann „Knechte“ des Fleisches (genau übersetzt: „Sklaven“), und wir sind „Schuldner“ des Fleisches. Man würde heute sagen: Wir leben dann in unter­drückenden Strukturen. Eine Sklave darf nicht für sich selbst arbeiten, sondern er muss dem Sklaven­halter dienen. Und ein Schuldner darf nicht für sich selbst verdienen, sondern er verdient für seinen Gläubiger, für einen Kredithai womöglich. Natürlich erwartet Gott nicht von uns, dass wir die Heraus­forderungen des Erdenlebens ignorieren, aber wir sollen die Dinge dieser Welt nicht auf Rang Eins stellen. Wer die Bedürfnisse seines Körpers und die Sachzwänge dieser Welt an die oberste Stelle setzt in seiner Werteskala, der ist ein Sklave und Schuldner des Fleisches. Denn eines macht uns die Bibel immer wieder klar: Unser Leib hat ein Verfalls­datum, und unsere Welt ist ein Auslauf­modell. Wer seinen ganzen Lebens­hunger in dieser Welt stillen will, der wird eines Tages hungrig sterben und dabei ganz zugrunde gehen. Paulus sagt: „Wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen.“ Wer ein Sklave von Herrn Fleisch ist, der wird früher oder später merken, dass Herr Fleisch launisch und un­zuverlässig ist; er straft die Knechte will­kür­lich; man muss vor ihm Angst haben. Und wer ein Schuldner von Herrn Fleisch ist, der wird zwar zunächst mit toller Werbung verlockt, steht aber am Ende genauso da wie Griechen­land ohne Rettungsschirm.

Betrachten wir nun die zweite Möglich­keit: Wir dienen Herrn Geist. Mit Geist meint Paulus den Heiligen Geist, also letztlich Gott selbst. Oberster Maßstab für unser Handeln und Leben ist dann Gottes Wille. Was Gott in seinen Geboten sagt, das motiviert stärker als die Bedürfnisse des Körpers und die Sachzwänge der Welt. Mancher, der dem christ­lichen Glauben kritisch gegenüber steht, würde jetzt vielleicht einwenden: Da wird ja die eine Knecht­schaft gegen die andere vertauscht: Statt Sklaven und Schuldner des Fleisches werden die Menschen nun Sklaven und Schuldner Gottes! Das stimmt aber nicht, denn Herr Geist ist kein Sklaven­halter und auch kein Kredithai. Unsere Abhängig­keit von Gott ist keine Unter­drückung, sondern eine ganz natürliche und gute An­gelegen­heit. Gott hat uns ja geschaffen, darum ist er unser Vater. Christus hat uns mit Gott versöhnt, darum kann unser Verhältnis zu ihm ein ganz entspanntes sein. Durch Christus wissen wir: Unser Vater im Himmel hat uns bedingungs­los lieb, ganz egal ob unser Tun und Leben gelingt oder ob wir versagen. Der Vater im Himmel unterdrückt uns nicht mit Gewalt wie ein Sklaven­halter, er lockt uns auch nicht in die Schulden­falle wie ein Kredithai. Vor dem Vater im Himmel brauchen wir keine Angst zu haben. Das alles bezeugt uns der Heilige Geist, den wir mit der Taufe empfangen haben. Paulus sagt: „Ihr habt nicht einen knech­tischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind.“ „Abba“ meint hier nicht eine schwedische Popgruppe, sondern „Abba“ ist das aramäische Wort für „Papa“. Die Volxbibel übersetzt den Satz des Apostels Paulus daher so: „Ihr könnt ihn jetzt sogar Papi nennen, wenn ihr wollt.“ Wer für den Vater lebt und arbeitet, der lebt und arbeitet gewisser­maßen für die eigene Familie und damit letztlich auch für sich selbst. Es ist anders als beim Sklaven oder beim Knecht. Kinder sind nämlich Mitbesitzer dessen, was der ganzen Familie gehört; schließlich sind sie auch Erben. So führt Paulus das Gleichnis weiter und sagt: „Sind wir Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi.“ Das heißt freilich nicht, dass wir als Christen ein aus­schließlich angenehmes Leben zu erwarten haben. Christus selbst hat ja als ein­geborener Sohn dem Vater so gedient, dass er schlimmstes Leid auf sich genommen hat. Auch von uns erwartet der himmlische Vater, dass wir Leiden nicht scheuen, wo es nötig ist. Paulus sagt: „Wir sind Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlich­keit erhoben werden.“ Ja, die Herrlich­keit des Himmels wartet auf uns, die ewige Seligkeit, das un­vergäng­liche Erbe. Mit solchem Erbe zu leben, das ist Leben im Vollsinn des Wortes. Das Erbe im Himmel ist das große lohnende Ziel; das zeitliche Leben in dieser Welt ist nur der Weg dorthin. Wenn wir uns auf diesem Weg vor allem von Gott leiten lassen und von seinem Heiligen Geist, dann ist das die beste und sinnvollste Motivation, die es gibt.

Was motiviert uns also? Was treibt uns an? Wer treibt uns an? Liebe Brüder und Schwestern in Christus, der Heilige Geist bezeugt uns: Ihr seid nicht Sklaven und Schuldner des Fleisches, sondern ihr seid Kinder und Erben Gottes. Paulus ermuntert uns im Namen des Herrn (hier im achten Kapitel des Römer­briefes und an vielen anderen Stellen): Lebt nun auch das, was ihr seid! Hört vor allem auf das, was euch Gottes Geist sagt! Erkennt ihn allein als Herrn an! Denn dann gelingt euer Leben, dann seid ihr auf dem richtigen Weg. Und wie finden wir heraus, was Gottes Wille ist? Indem wir ihn bitten: „Weise mir, Herr, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit“ (Psalm 86,11). Und indem wir darauf vertrauen, dass er uns zur rechten Zeit den richtigen Wegweiser vor die Nase stellt. Und indem wir uns intensiv darum bemühen, die Botschaft der Bibel zu verstehen, denn in der Bibel hat er uns seinen Willen verlässlich kund­gemacht. Vor allem aber, indem wir uns seiner Liebe ver­gewissern und der Gemein­schaft mit ihm – der herrlichen ewigen Gottes­kindschaft! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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