Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Eine Taufe hat viel Ähnlichkeit mit einer Trauung. Ich meine jetzt nicht die äußere Ähnlichkeit, dass beides im vorderen Teil der Kirche stattfindet und dass ein Pastor dabei viel redet. Ich meine vor allem das Versprechen, um das es da jeweils geht. Bei einer Trauung versprechen die Eheleute gegenseitig, sich zu lieben und treu zu bleiben; so treten sie in den heiligen Bund der Ehe. Bei einer Taufe sagt Gott einem Menschen seine Liebe und Treue zu; auf diese Weise schließt er einen Bund mit ihm. Der Täufling beziehungsweise seine Eltern und Paten bekennen ihrerseits den christlichen Glauben und versprechen, Gott im Glauben und Gehorsam treu zu bleiben. Die Ehe ist also ein heiliger Bund der Liebe und Treue zwischen zwei Menschen; die Taufe ist ein heiliger Bund der Liebe und Treue zwischen Gott und einem Menschen.
Was bedeutet das nun aber – ein heiliger Bund der Liebe und Treue? Die ganze Bibel beantwortet uns diese Frage, denn die Bibel hat Gottes Bund, Gottes Liebe und Gottes Treue zum Hauptthema. Im Alten Testament wird uns das am Beispiel des Volkes Israel vor Augen geführt: Gott hatte mit diesem einen Volk einen besonderen Bund geschlossen – und damit seinen neuen Bund vorbereitet, den er dann durch Jesus Christus mit der ganzen Menschheit schloss. Die Worte aus dem 5. Buch Mose, die wir eben gehört haben, zeigen uns am Beispiel des Volkes Israel, was ein heiliger Bund der Liebe und Treue ist.
Das 5. Buch Mose enthält zum größten Teil Predigten, die Mose vor dem Volk Israel gehalten hat, bevor es das von Gott versprochene Land Kanaan in Besitz nahm. Mose sagte den Israeliten: „Du bist ein heiliges Volk dem Herrn, deinem Gott.“ „Heilig“ bedeutet „mit Gott verbunden“. Ein „heiliges Volk“ ist so mit Gott verbunden, wie Eheleute miteinander verbunden sind. Anders als bei vielen modernen Ehen ist allerdings die Initiative für diesen Bund ganz von Gott ausgegangen; er allein hat sich Israel erwählt als sein eines besonderes Volk unter allen Völkern der Erde. Mose predigte: „Dich hat der HERR, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind.“
Da kann man fragen: Warum denn ausgerechnet Israel? Warum nicht die Ägypter oder die Phönizier oder die Chinesen? War Israel ein besonders großes Volk? Oder waren die Iraeliten besonders gläubige und tugendhafte Leute? Machten sie Gott mehr Freude als andere Menschen, oder waren sie sonst irgendwie besser? Hören wir die Antwort direkt aus Moses Predigt: „Nicht hat euch der HERR angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern…“ Ja, warum fiel Gottes Wahl denn sonst ausgerechnet auf Israel? Mose fuhr fort: „Weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat.“ Da haben wir die beiden Gründe – nämlich genau die beiden Merkmale, die einen heiligen Bund ausmachen: Liebe und Treue! Liebe braucht keinen Grund für die Bundesgemeinschaft, denn Liebe ist der Grund für die Bundesgemeinschaft! Ein Mann liebt seine Frau ja nicht deshalb, weil sie schön oder nett oder fleißig ist, sondern er findet sie schön oder nett oder fleißig, weil er sie liebt. Eine Frau liebt ihren Mann auch nicht deshalb, weil er groß oder stark oder klug ist, sondern sie findet ihn groß und stark und klug, weil sie ihn liebt. So liebte Gott sein Eigentumsvolk Israel auch nicht deshalb, weil es besonders groß oder heilig war, sondern er selbst machte es groß und heilig, weil er es liebte. Seine Treue aber hat Gott schon lange vorher bewiesen: Er hatte Abraham und den anderen Vorvätern Israels versprochen, ihre Nachkommen besonders zu segnen. Indem er mit Israel seinen Bund schloss, erfüllte er dieses Versprechen und zeigte den Israeliten auf diese Weise, dass man sich auf ihn verlassen kann.
Immer wenn ein Bund der Liebe und Treue geschlossen wird, dann ist das nicht nur so ein Gedanke, sondern dann ist das ein Ereignis. Wenn ein Mann und eine Frau heiraten, dann wurde schon immer und in allen Kulturen der Weltgeschichte ein Ereignis daraus gemacht, dann wurde nämlich Hochzeit gefeiert. An dem Ereignis der Hochzeit können alle Mitmenschen erkennen: Diese beiden Leute sind nun im Bund der Liebe und Treue vereint, den Gott für Mann und Frau seit Anbeginn der Welt gestiftet hat. Und an diesem Ereignis können auch die Eheleute selbst immer wieder ihren Bund der Liebe und Treue festmachen und sagen: Wir sind verheiratet; wir haben zueinander ja gesagt; wir gehören unzertrennlich zusammen. Nun hat auch Gottes Bund mit Israel sein Ereignis, an dem Gottes seine Liebe und Treue festgemacht hat: Es ist die Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft, auf die dann der Bundesschluss am Berg Sinai folgte. Mose erinnerte die Israeliten daran: „Gott hat euch herausgeführt mit mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten.“ Kein anderes Ereignis aus der Geschichte des Volkes Israel wird in der Bibel so häufig erwähnt wie dieses! Und noch einmal betonte Mose Gottes Liebe und Treue: „So sollst du nun wissen, dass der HERR, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten.“
An diesem Satz wird aber auch deutlich, dass Gott von seinem Eigentumsvolk ebenfalls Liebe und Treue erwartet. Er hält denjenigen die Treue bis in die tausendste Generation (also für immer), die ihn lieben und die ihm ihre Treue beweisen, indem sie seine Gebote halten. Sie haben keine anderen Götter neben ihm; sie gehen nicht fremd; ihnen ist nichts lieber als Gott. Sie ehren seinen Namen; sie heiligen seinen Feiertag; sie achten seine Ordnungen für das Miteinander im Volk. Sollte Israel den Bund brechen, sollte das Volk einseitig die Liebe aufkündigen und Gott verlassen, dann droht Strafe. Mose warnte: „Er vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um und säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen.“ Und so folgt schließlich die Mahnung: „So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, dass du danach tust. Und wenn ihr diese Rechte hört und sie haltet und danach tut, so wird der HERR, dein Gott, auch halten den Bund und die Barmherzigkeit, wie er deinen Vätern geschworen hat.“
Wer die Geschichte Israels kennt, der weiß, dass die Israeliten diese Mahnung immer wieder missachtet haben. Sie sind Gott untreu geworden und haben andere Götter verehrt. Sie haben sich über Gottes Gebote hinweggesetzt und egoistisch nach ihren eigenen Vorstellungen gelebt. Oft genug hat Gott sie durch Propheten gemahnt und durch Unglücksfälle gewarnt. Hat er aber schließlich seinen Bund gänzlich aufgelöst – so wie eine Ehefrau sich scheiden lässt, wenn ihr Mann fortwährend anderen Frauen hinterherläuft?
Nein, das hat Gott nicht getan. Gott seinerseits bleibt seinem Bund treu. Aber er hat noch mehr getan: Er hat seinen Bund mit Israel erneuert und ausgeweitet durch den neuen Bund in Jesus Christus. Mit ihm hat er aller Welt deutlich gemacht: Jetzt gilt meine Liebe und Treue nicht mehr nur einem einzigen Volk unter vielen Völkern; jetzt offenbare ich allen Völkern mein Heil! Meine Geschichte mit Israel war ja nur die Vorgeschichte für meine Heilsgeschichte mit der ganzen Menschheit. Und das Beste: Dieser neue Bund gilt bedingungslos! Auch wenn jemand Gott nicht geliebt hat, kann er doch umkehren und wird von ihm liebevoll aufgenommen. Auch wenn jemand Gott die Treue gebrochen und seine Gebote nicht gehalten hat, kann er doch durch Jesus Vergebung empfangen und neu anfangen in Gottes Bund.
Liebe Brüder und Schwestern in Christus, da kommen wir nun ins Bild mit unserer Taufe. In der heiligen Taufe hat Gott mit uns seinen Bund geschlossen; oder besser: er hat uns in seinen neuen Bund mit Israel hineingenommen. In der Taufe hat Gott uns heilig gemacht und zu seinem Eigentum erklärt – so wie Mose damals zu Israel sagte: „Du bist ein heiliges Volk dem HERRN, deinem Gott. Dich hat der HERR, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums…“ In der Taufe hat Gott uns seine Liebe und Treue zugesagt. Er hat es nicht getan, weil er uns besonders heilig oder gläubig oder anständig fand, sondern umgekehrt: Weil Gott uns in Jesus liebt, darum macht er uns heilig und gläubig und anständig. Wie Gott den Alten Bund an einem großen Erlösungsereignis festgemacht hat (nämlich dem Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Knechtschaft), so macht Gott auch den Bund der Taufe an einem großen Erlösungsereignis fest: am Tod und an der Auferstehung des Herrn Jesus Christus. Der Apostel Paulus schrieb, dass in der Taufe ein Mensch mit Jesus stirbt und neu aufersteht (Römer 6,4). So wird die Taufe selbst zu einem Erlösungsereignis, an das wir uns immer wieder erinnern können und sollen. Wie schön: Unser Christsein ist nicht ein theoretischer Gedanke in unseren Köpfen und beruht auch nicht auf irgendwelchen Entscheidungen, die wir mal getroffen haben, sondern Gott hat uns in seiner großen Liebe erwählt und hat uns aus Wasser, Wort und Geist neu geboren zum ewigen Leben – an einem ganz bestimmten Tag, an einem ganz bestimmten Ort. Mit diesem Ereignis in unserem Leben ist Gottes unzerstörbare Liebe und Treue verbunden, sein ewiger Bund. Man kann es nicht erforschen und beweisen, dass Gott uns lieb hat und treu bleibt, aber man kann sich daran erinnern und es sich immer wieder neu zurufen lassen. Genau das macht Gott auch jetzt, mit dieser Predigt; er ruft jedem zu: Ich habe dich liebe! Ich halte dir die Treue!
Lasst uns nun auch von unserer Seite stets in Liebe und Treue an diesem Bund festhalten! Nichts soll uns lieber werden als Gott, nichts soll uns mehr leiten als sein Gebot. Wenn wir uns aber doch immer wieder dabei ertappen, dass wir nicht besser sind als Gottes altes Bundesvolk Israel, und wenn wir uns in Untreue und Lieblosigkeit von Gott entfernt haben, dann wollen wir nicht verzagen, sondern uns daran erinnern, dass wir zu ihm zurückkehren dürfen. Er verstößt uns nicht, er lässt sich nicht von uns scheiden, sondern der Bund seiner Liebe und Treue steht in Ewigkeit. Darum dürfen wir immer wieder zuversichtlich beten: „Mein treuer Gott, auf deiner Seite / bleibt dieser Bund wohl feste stehn; / wenn aber ich ihn überschreite, / so lass mich nicht verloren gehn; / nimm mich, dein Kind, zu Gnaden an, / wenn ich hab einen Fall getan.“ Amen.
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