Keine Scheu vor Christi Dienst!

Predigt über Johannes 13,1‑15 zum Gründonnerstag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Es ist merkwürdig: Der Evangelist Johannes berichtet zwar ganz ausführlich vom Beisammen­sein Jesu mit seinen Jüngern am Donnerstag­abend vor der Kreuzigung, aber er erwähnt mit keiner Silbe die Einsetzung des Heiligen Abendmahls. Die drei anderen Evan­gelisten haben davon ge­schrieben, Johannes aber nicht. Warum das? Zum einen: Das Johannes­evangelium setzt voraus, dass die anderen Evangelien bekannt sind. Bewusst wollte Johannes nicht einfach wieder­holen, wass Matthäus, Markus und Lukas schon berichtet hatten. Das Johannes-Evangelium ist ein er­gänzendens Evangelium; es bringt uns wertvolle Zusatz­informatio­nen. So finden wir nur bei Johannes den Bericht über die Fuß­waschung, den wir eben gehört haben. Und zum andern: Auch wenn Johannes nicht von Brot und Wein schreibt und davon, wie sie unter den Worten des Herrn zu seinem Leib und Blut werden, so zeigt sich der Sinn des Heiligen Abendmahls auch in der Fuß­waschung. Die Fußwaschung zeigt: Jesus dient seinen Jüngern, Jesus opfert sich für sie auf, Jesus kommt ihnen dabei leiblich nahe. Jesus wollte den Jüngern mit der Fußwaschung seine große, selbst­verzehrende Liebe zeigen, um die es auch im Heiligen Abendmahl geht. Und wenn wir noch heute das Heilige Abendmahl feiern, dann kommt uns unser Herr mit seinem Leib und Blut so nahe, als würde er uns die Füße waschen. Die Frage ist dann nur: Nehmen wir diesen Liebes­dienst Christi an? Lassen wir ihn uns gern gefallen, immer wieder?

Dieser Frage möchte ich jetzt nachgehen und dabei vor allem auf die Reaktion von Simon Petrus hinweisen. Der sträubte sich nämlich anfangs mächtig gegen die Fuß­waschung. Aber der Reihe nach!

Jesus und seine Jünger hatten in Jerusalem einen festlichen Raum gefunden, um dort das traditio­nelle Passamahl ein­zunehmen. Eine Diener­schaft konnten sie sich freilich nicht leisten, wie es bei wohl­habenden Juden üblich war. Bei wohl­habenden Juden wurde einer der weniger angesehenen Diener mit der Aufgabe betraut, den ein­treffenden Gästen die Sandalen auszuziehen und die Füße vom Straßen­staub zu reinigen. Jesu Jünger hatten keine Knechte, und so hatten sie sich mit staubigen Füßen zu Tisch begeben. Da stand Jesu selbst noch einmal auf und tat etwas Merk­würdiges: Er zog sich sein Obergewand aus und band eine Sklaven­schürze um. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann selbst, seinen Jüngern die staubigen Füße zu waschen – er, der Gastgeber, der Herr! Seine Schürze benutzte er dabei als Handtuch und trocknete mit ihr die gewaschenen Füße ab.

Was Jesus da tat, hat eine tiefe Bedeutung. Es fängt schon mit dem Wechseln der Kleidung an. Wie er das Obergewand ablegte und die Sklaven­schürze anlegte, so hat er seine göttliche Herrlich­keit abgelegt und ist Mensch geworden. Im Philipper­brief ist das so aus­gedrückt: „Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechts­gestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt“ (Phil. 2,6-7). Er tat es, um uns Menschen zu dienen und um uns zu erlösen; deshalb wird seine Menschen­gestalt „Knechts­gestalt“ genannt. Das Waschen der Füße aber ist ein Zeichen für das Reinigen vom Sünden­schmutz: Dazu ist Jesus in die Welt gekommen, dass er uns von Sünden reinigte, dazu hat er seinen Leib in den Tod gegeben und sein Blut vergossen. Der Evangelist Johannes hat später ge­schrieben: „Das Blut Jesu macht uns rein von aller Sünde“ (1. Joh. 1,7).

Als Jesus mit seiner Wasch­schüssel zu Simon Petrus kam, lehnte dieser energisch ab: „Herr, solltest du mir die Füße waschen?“ Jesus als Sklave – das passte überhaupt nicht in sein Weltbild! Jesus war sein Meister, sein geliebter Herr! Eher würde Petrus ihm die Füße waschen. Petrus verstand nicht, dass dies Jesu Mission war. Er hatte vergessen, was Jesus den Jüngern schon zuvor gesagt hatte: „Der Menschen­sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele“ (Markus 10,45). Erst nach Jesu Tod am Kreuz würden die Jünger völlig verstehen, zu welchem Dienst er sich für sie aufopferte; die Fußwaschung war nur ein Zeichen dafür. Darum erwiderte Jesus dem Petrus: „Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren.“

Viele Menschen haben die gleiche Haltung wie Petrus. Sie haben nichts gegen Jesus, sie verehren ihn vielleicht sogar. Aber er soll wie ein Denkmal auf einem Sockel stehen. Er soll nicht der Knecht sein, der sich für sie aufopfert. Manche Leute meinen, das Wesen des Christseins bestehe darin, sich selbst in Nächsten­liebe für andere Menschen auf­zuopfern, und nicht, Jesu Aufopferung anzunehmen. Andere sehen es wieder etwas anders: Sie meinen, sie müssen für sich selbst sorgen, Jesus hilft ihnen ja doch nicht. Im Endeffekt läuft das auf dasselbe Verhalten hinaus: Solche Menschen wollen sich nicht von Jesus dienen lassen. Darum empfangen sie auch selten oder nie das Heilige Abendmahl. „Herr, sollte ich deinen Leib essen und dein Blut trinken?“ – „Herr, solltest du mir die Füße waschen?“

Petrus setzte sogar noch eins drauf; aus der verständnis­losen Frage wird eine empörte Ablehnung: „Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!“ Jesu Antwort ist hart und klar: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.“ Wer Jesus nicht als Knecht akzeptiert, der gehört nicht zu ihm, der ist kein Christ. Wer nicht mit dem Wasser der Taufe von Sünden rein­gewaschen wurde, der kann nicht ins Reich Gottes kommen. Wer nicht das Sühnopfer Jesu am Kreuz im Glauben für sich annimmt, der hat keine Vergebung der Sünden und wird im Jüngsten Gericht verdammt werden. Wer immer wieder in der Kirchenbank sitzen bleibt, wenn es zum Abendmahl heißt: „Kommt, denn es ist alles bereit!“, der verachtet den Herrn. Dasselbe gilt für die, die gar nicht erst der Einladung in den Gottes­dienst folgen. Jesus fordert uns ganz deutlich auf, was zu tun ist: „Nehmt, esst, trinkt, tut solches zu meinem Gedächt­nis.“ Wer dieser Auf­forderung nicht nachkommt, der lehnt Christi Opfer ab und hat dann auch kein Teil mehr an ihm. Martin Luther hat gesagt: Wenn jemand länger als drei Monate nicht beim Heililgen Abendmahl war, dann halte ich ihn nicht mehr für einen Christen.

Aber es ist ja nicht zu spät, jeder Mensch kann sich ändern. Petrus wird uns in dieser Hinsicht zum Vorbild. In seiner typischen über­schwäng­lichen Art macht er eine Kehrtwende um 180 Grad. Er will ja zu Jesus gehören, von ganzem Herzen will er das. Und wenn das nur dadurch geht, dass man sich von ihm waschen lässt, dann soll das auch so sein – dann aber bitte gründlich! Er sagte: „Herr, nicht die Füße allein, sondern auch das Haupt!“ Nein, Petrus, so geht das auch nicht, du musst dich schon an das halten, was Jesus will! Es reicht, dass du dir die Füße waschen lässt, wie Jesus es möchte.

Wie Jesus es möchte – nur darum geht es. Er möchte, dass Menschen sein Evangelium hören. Er möchte, dass Menschen durch die heilige Taufe seine Jünger werden. Er möchte, dass seine Jünger seinen Leib essen und sein Blut trinken im Heiligen Abendmahl. Er möchte uns auf diese Weise dienen als Gottes Knecht. Er möchte uns auf diese Weise von unseren Sünden reinigen und uns das ewige Leben schenken. Egal, wieviel wir davon verstehen – lassen wir es doch einfach an uns geschehen, lassen wir Jesus dienen. Haben wir doch keine Scheu vor ihm; haben wir auch keine Scheu vor dem Heiligen Abendmahl. Nehmen wir es oft und gern.

Es ist gut, wenn wir dabei auch immer wieder an die Fußwaschung denken. Und wenn Jesus uns dann gedient hat mit seinem Leib und Blut, wenn wir dann vom Heiligen Abendmahl kommen, dann lasst uns auch daran denken, was er seinen Jüngern im Anschluss an die Fußwaschung gesagt hat. Er sagte: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, was ich euch getan habe.“ So gestärkt von Jesu Liebes­dienst, haben wir neue Kraft, auch unserer­seits unseren Mitmenschen in Liebe zu dienen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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