Liebe Jubilare!
Bei eurer Konfirmation vor 50 Jahren lag das Leben noch wie ein weitgehend unbeschriebenes Blatt vor euch. Ihr habt dann im zurückliegenden halben Jahrhundert so manche Entscheidung getroffen und so manche Weiche gestellt für euren Lebenslauf. Nun steht ihr an einem Punkt, wo das meiste entschieden und geordnet ist; ihr seid fest eingebunden in bestimmte Lebensbedingungen. Und nun frage ich euch: Seid ihr im Rückblick zufrieden mit den Entscheidungen, die ihr getroffen habt? Haben euch eure Weichenstellungen auf Lebensgleise gebracht, die euren Wünschen und Vorstellungen von damals entsprechen? Keine Angst, ihr braucht diese Frage jetzt nicht öffentlich zu beantworten; jeder von euch kann sich das im Stillen überlegen, in seinem Herzen. Vielleicht ist jemand unter euch, der uneingeschränkt aus vollem Herzen sagen kann: Ja, es war alles richtig, es ist alles gut so in meinem Leben. Ein anderer denkt vielleicht traurig: Nein, ich habe es mir ganz anders vorgestellt; wenn ich vorher gewusst hätte, wie es kommt, hätte ich in meiner Jugend ganz andere Entscheidungen getroffen. Die meisten Menschen aber, denke ich, werden auf diese Frage so antworten: Manches ist gut gelaufen, manches schlecht; manche Entscheidungen bereue ich, andere nicht. Oder sie sagen: Ich weiß es nicht genau, ich bin mir im Zweifel, ich fühle mich hin‑ und hergerissen. Aber wie auch immer euer Urteil heute ausfällt – zwanzig Jahre später kann es sein, dass ihr noch einmal ganz anders urteilt.
„Konfirmation“ heißt „Befestigung“. Gottes Wort sagt: „Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.“ Und da merken wir: Letztlich kommt es gar nicht auf meine Entscheidungen im Leben an, sondern auf Gottes Gnade! Unsere eigenen Entscheidungen können unser Herz nicht fest machen, auch nicht die Entscheidung, die ihr damals mit eurem Konfirmationsgelöbnis getroffen habt. Was unsere eigenen Entscheidungen angeht, so bleibt da immer wenigstens ein Rest an Zweifel, an Unsicherheit. Wenn wir Festigkeit in uns selbst suchen, werden wir immer wieder enttäuscht; wir sind dann hin‑ und hergerissen.
Aber Gottes Gnade macht unser Herz fest. Gottes Gnade, die schon lange vor eurer Konfirmation in eurem Leben gewirkt hat – sogar schon lange, bevor ihr überhaupt irgendetwas selbst entscheiden konntet. Bereits in der Heiligen Taufe hat Gott euch in seinen Gnadenbund aufgenommen. Er hat damit zu jedem von euch gesagt: Du bist mein Kind. Ich habe dich bedingungslos lieb. Ich wasche allen Schmutz von deinem Herzen ab; in meinen Augen bist du nun ganz rein und heilig durch Jesus Christus! Und weil du rein und heilig bist, sollst du für immer in Gemeinschaft mit mir leben.
Ja, so ist Gottes Gnade in dein Leben getreten. Und wenn du im Vertrauen auf diese Gnade lebst, wie du es bei deiner Konfirmation versprochen hast, dann merkst du immer wieder, wie diese Gnade dein Herz fest macht. Diese Gnade durch Christus ist wie der Meeresgrund, an dem sich der Anker des Glaubens festmachen kann. Es mögen dann stürmische Zeiten kommen, du magst hin- und hergerissen werden wie ein Schiff bei stürmischer See, aber du wirst doch zugleich festgehalten von Gottes Gnade. Ja, wenn du Jesus vertraust und dich immer wieder an deine Taufe erinnerst, dann merkst du: Es ist eigentlich gar nicht so entscheidend wichtig, welche Entscheidungen ich bisher für meinen Lebensweg getroffen habe und was daran vielleicht alles verkehrt war. Wichtig ist letztlich nur Jesus und Gottes Gnade; dann wird das Krumme gerade, dann wird das Herz fest, dann brauche ich sogar den Tod nicht zu fürchten, denn Gottes Gnade hat ihn mir zum Eingang in die ewige Seligkeit gemacht.
Liebe Jubilare, ihr habt bei eurer Konfirmation nicht nur dem dreieinigen Gott die Treue gelobt, sondern auch der lutherischen Kirche. Ihr habt es getan, weil euch bewusst geworden ist: In der lutherischen Kirche findet ihr Gottes befestigende Gnade am klarsten bezeugt durch Wort und Sakrament. Denn hier wird nach wie vor verkündigt, dass der Mensch nicht aufgrund eigener Entscheidungen und Qualitäten selig wird, sondern allein aus Gnade. Hier werden die Sakramente Taufe und Abendmahl so verwaltet, wie Christus sie eingesetzt hat, damit Menschen durch sie immer wieder aufs Neue an Gottes Gnade festgemacht werden. Hier ist die Kirche, die nichts anderes möchte als den Auftrag Christi an seine Apostel weiter zu erfüllen: „Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe!“ (Matth. 28,19). Und darum lege ich euch, liebe Jubilare, und darüber hinaus der ganzen Gemeinde ans Herz: Macht euer Herz weiter fest an Gottes Gnade, wie sie euch mit Wort und Sakrament in der evangelisch-lutherischen Kirche bezeugt wird. Und helft dabei mit, dass es in Zukunft so bleiben kann, dass auch kommende Generationen durch Taufe und Glaube an Christus festgemacht werden. Denn „es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade.“ Amen.
PREDIGTKASTEN |