Das Geschenk würdigen

Predigt über 2. Petrus 1,2‑11 zum Aschermittwoch

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Stellt euch vor, ihr wäret reich und könntet teure Geschenke machen. Eine von euch würde ihrer Paten­tochter ein kostbares Abendkleid schenken, maß­geschnei­dert und atem­beraubend schön. Oder einer würde seinem Schwager eine von diesen mecha­nischen Armband­uhren schenken, für die man einen fünf­stelligen Euro-Betrag hinlegen muss. Oder einer würde seinem Enkel eine wertvolle Vase aus kunstvoll ge­schliffenem Blei­kristall schenken. Stellt euch vor, ihr könntet solche teuren Geschenke machen, und ihr würdet es auch tun, weil ihr die Beschenkten sehr lieb habt. Und nun stellt euch weiter vor, die Beschenkten würden eure Gaben überhaupt nicht achten. Die Patentocher würde das Abendkleid zur Garten­arbeit anziehen, der Schwager würde die Uhr in einer Schublade ver­schwinden lassen und der Enkel würde mit der Kristall­vase Fußball spielen. Ich bin sicher: Ihr wärt sehr enttäuscht, wenn nicht gar entsetzt. Und ihr wärt es mit Recht, denn so geht man nicht mit wertvollen Geschenken um. Wertvolle Geschenke muss man würdigen und pfleglich behandeln.

Nun sind wir aber nicht in der Situation der Schen­kenden, sondern vielmehr in der Situation der Be­schenkten. Gott hat uns durch seinen Sohn Jesus Christus ein über die Maßen wertvolles Geschenk gemacht und hat es uns in der heiligen Taufe überreicht. Es ist das Geschenk unserer Erlösung. Der Apostel Petrus hat dieses Geschenk mit vielen herrlichen Worten beschrieben in dem Abschnitt seines zweiten Briefs, den wir eben als Predigttext gehört haben. Er spricht da von „Gnade“ und „Friede“: Gott hat uns seine Gnade geschenkt; er rechnet uns unsere Sünde nicht zu. Gott hat uns seinen Frieden geschenkt; wir sind mit ihm versöhnt, wir können in herzlicher Gemein­schaft und Harmonie mit dem himmlischen Vater leben. Das wirkt sich dann auch auf unser Verhältnis zu den Mitmenschen aus. Gleich mehrfach spricht Petrus von der „Erkenntnis Gottes“: Durch Jesus und sein Evangelium erkennen wir, wer Gott ist und wie lieb er uns hat. Von „Kraft“ und „Herrlich­keit“ ist da ferner die Rede; durch sie hat Gott uns zur Kindschaft berufen, gleichsam adoptiert. Und dann schreibt Petrus: „Durch sie sind uns die teuren und aller­größten Ver­heißungen geschenkt, damit ihr dadurch Anteil bekommt an der göttlichen Natur, die ihr entronnen seid der ver­derblichen Begierde in der Welt.“ Diese „teuren und aller­größten Ver­heißungen“, das ist nichts anderes als das ewige Leben, die ewige Seligkeit im Himmel! Gott hat uns durch Christus „verheißen“ bzw. ver­sprochen, uns mit dem ewigen Leben zu beschenken. Er hat uns diese wunderbare Zukunft dadurch ermöglicht, dass er uns unsere Schuld vergibt – wie gesagt: Wir sind „entronnen der ver­derblichen Begierde in der Welt“. Was für ein über die Maßen wertvolles Geschenk ist das!

Es wäre nun völlig verfehlt, wenn wir diese göttliche Gabe gering schätzen würde. Das wäre so, wie wenn wir ein geschenktes Abendkleid zur Garten­arbeit trügen oder eine geschenkte teure Armbanduhr in der Schublade ver­schwinden ließen oder mit einer geschenkten wertvollen Kristall­vase Fußball spielten. Petrus schreibt, wer ent­sprechend mit Gottes Geschenk umgeht, „der ist blind und tappt im Dunkeln und hat vergessen, dass er rein geworden ist von seinen früheren Sünden.“ Der tappt im Dunkeln – der ist völlig auf dem Holzweg! Der hat das Wichtigste vergessen – der merkt nicht, dass er seinen wert­vollsten Besitz mit Füßen tritt!

Liebe Brüder und Schwestern, das wollen wir natürlich nicht, sonst wären wir nicht hier. Wir wollen mit dem Geschenk unserer Erlösung pfleglich umgehen, wir wollen es recht würdigen. Die Fastenzeit oder Passions­zeit, die heute beginnt, gibt uns Gelegen­heit, dass wir uns aufs Neue darauf besinnen: Wie können wir das Geschenk der Erlösung recht würdigen? Wie gehen wir angemessen damit um? Es ist ja eine Zeit, in der uns unsere Erlösung wieder besonders bewusst werden soll durch das Betrachten von Jesu Leiden und Sterben. Es ist auch eine Zeit, wo wir uns bewusst machen sollen, wie weit wir noch vom rechten Gebrauch des göttlichen Geschenks entfernt sind. Es ist schließlich auch eine Zeit, in der wir freiwillig, wenn es uns gut erscheint, auf das Eine oder Andere verzichten, was uns den Blick auf Gottes wertvolles Geschenk verstellen kann.

Der Apostel Petrus fasst das mit dem Wort „Mäßigkeit“ zusammen. Er nennt es in einer Kette mehrerer Begriffe, die uns allesamt dazu anleiten, mit Gottes Geschenk recht umzugehen. Er schreibt: „So wendet alle Mühe daran und erweist in eurem Glauben Tugend und in der Tugend Erkenntnis und in der Erkenntnis Mäßigkeit und in der Mäßigkeit Geduld und in der Geduld Frömmigkeit und in der Frömmigkeit brüderliche Liebe und in der brüder­lichen Liebe die Liebe zu allen Menschen.“ Zusammen­gefasst heißt das: Wir sollen aus der Kraft des Glaubens leben. Wir sollen das Geschenk der Erlösung nicht im hintersten Winkel einer Schublade verstauben lassen, sondern an jedem Tag davon Gebrauch machen, nicht zuletzt auch im Umgang mit anderen Menschen. Auch das Fasten, das Verzichten, kann dazu dienen – wenn wir zum Beispiel mal auf seichte Zerstreuung im Fernsehen verzichten und dadurch Zeit für unsere Mitmenschen gewinnen. So gesehen hat die von Petrus geforderte „Mäßigkeit“ wirklich viel mit Fasten zu tun. Es geht darum, für alles das richtige Maß zu finden: für unsere Zeit­einteilung, fürs Essen, fürs Trinken, fürs Geld­ausgeben und so weiter. Es wäre nicht schlecht, wenn wir die vor uns liegenden sieben Wochen dafür nutzten, wieder das richtige Maß zu finden in den Bereichen, wo es uns verloren gegangen ist.

Ent­scheidend dafür ist es aber, dass wir uns intensiv mit Gottes Geschenk be­schäftigen. Das tun wir, wenn wir das Evangeliums­wort auf vielfältige Weise hören. Wir können das zu Hause im stillen Kämmerlein tun bei unseren täglichen Andachten. Wir können es auch gemeinsam tun hier in unseren Gottes­diensten. Gerade in der Fastenzeit gibt es ja dafür ein erweitertes Angebot durch die Passions­andachten am Mittwoch. Wenn wir Gottes Wort reichlich unter uns wohnen lassen, dann bekommt der Glaube die nötige Nahrung und wird gestärkt. Wenn wir Gottes Wort reichlich unter uns wohnen lassen, dann gehen wir richtig mit dem kostbaren Geschenk der Erlösung um. Wenn wir Gottes Wort reichlich unter uns wohnen lassen und auch die Gabe des Altar­sakraments oft empfangen, dann werden wir immer wieder aufs Neue gestärkt, gefestigt, „kon­firmiert“ (wenn man es mit dem lateini­schen Fremdwort bezeichnen will). Solche fort­dauernde Glaubens­stärkung und „Kon­firmation“ hat eine große Verheißung. Der Apostel Petrus schreibt: „Bemüht euch desto mehr, eure Berufung und Erwählung fest­zumachen. Denn wenn ihr dies tut, werdet ihr nicht straucheln, und so wird euch reichlich gewährt werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilands Jesus Christus.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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