Wer ist geeignet?

Predigt über 1. Samuel 15,35b – 16,13 zum Sonntag Septuagesimä

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

In schlecht gemachten Spielfilmen sieht man den Leuten an der Nasenspitze an, ob sie gut oder böse sind. Im wirklichen Leben ist das anders: Nicht jeder, der uns gut gepflegt anstrahlt, hat auch ein gutes Herz. Und nicht jeder, der hässlich ist oder schlecht gekleidet, hat ein schlechtes Herz. In der heutigen Zeit wird ja viel Wert auf das Äußere gelegt; das Aussehen prägt das Ansehen, und Kleider machen Leute. Aber auch, wenn wir Menschen uns da oft etwas vormachen lassen – bei Gott ist es anders. Es gilt noch immer das 3000 Jahre alte Wort aus unserem Predigt­text: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an.“

Wir sollten allerdings nicht vorschnell meinen, wir hätten damit den Sinn dieses Gottes­wortes bereits aus­geschöpft. Wie an vielen anderen Stellen der Bibel gilt auch hier: Die volle Bedeutung erschließt sich erst dann, wenn wir bedenken, in welchem Zusammen­hang dieses Wort steht. Der Zusammen­hang ist die Geschichte von Davids Salbung zum König. Zu dieser Zeit war Saul noch König in Israel. Saul aber war von Gottes Wegen abgewichen. So hatte Gott sich vor­genommen, einen ge­eigneteren Menschen zum König zu machen. Darum schickte Gott den alten Propheten Samuel nach Bethlehem und gab ihm den Auftrag, einen der acht Söhne Isais zum König zu salben. Samuel nahm ein Rinderhorn, füllte es mit Olivenöl und verschloss es mit einem Korken. Öl war damals das Zeichen des Heiligen Geistes. Wer mit Öl gesalbt wurde, der wurde mit Gottes Geist erfüllt und zu einem heiligen Amt befähigt. Damit der jähzornige König Saul keinen Verdacht schöpfte, nahm Samuel auch ein Opfertier mit und verband seinen Besuch in Bethlehem mit einem Opferfest. Nach der Opfer­zeremonie und vor der gemeinsamen Mahlzeit wollte Samuel nun einen der Söhne Isais zum König salben. Aber Gott hatte Samuel immer noch nicht gezeigt, wer von den jungen Männern es denn nun sein sollte. Einer nach dem anderen wurden sie Samuel vorgestellt – allesamt stattliche Burschen, groß und muskulös. Aber Samuel hörte in seinem Inneren Gottes Stimme immer wieder dasselbe sagen: „Nein, der ist es nicht. – Der auch nicht. – Der auch nicht…“ In diesem Zusammen­hang ließ Gott Samuel wissen: „Ein Menschen sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an.“ Unter den anwesenden sieben Brüdern war also keiner Gottes Wunsch­kandidat für das Königsamt. Samuel fand heraus, dass es noch einen achten Bruder gab, den David. Als Jüngsten hatte man ihn zum Aufpassen bei den Schafen gelassen; man hatte gedacht: Für den Kleinen ist ja so ein Opferfest sowie noch nichts. Gerade diesen Kleinen aber ließ Samuel nun holen, und gerade den zeigte ihm Gott als künftigen König Israels. So kam es, dass Samuel den David salbte.

Da stellen sich ja nun einige Fragen. Hatten denn die sieben älteren Söhne alle bei schönem Aussehen ein böses Herz? Hatte nur David ein gutes Herz? Und war David dafür hässlich? Das stimmt so nicht. Es heißt ja aus­drücklich von Davids Äußerem: „Er war bräunlich, mit schönen Augen und von guter Gestalt.“ Anderer­seits war sein Herz keineswegs makellos gut; er hatte durchaus seine Schwächen und Fehler. Viele von euch werden wissen, dass er später als König eine sehr unschöne Affäre hatte mit der Frau eines seiner treusten Offiziere. Und wenn man sich näher mit der Lebens­geschichte Davids be­schäftigt, dann findet sich da eine ganze Menge Grausamkeit und Blutschuld. Wenn Gott Davids Herz ansah und ihn sich zum König erwählte, dann bedeutet das in erster Linie: Gott fand ihn geeignet für dieses Amt. Nach damaligen mensch­lichen Maßstäben hätte man einen reiferen Menschen geeigneter gefunden, am besten den Erst­geborenen aus einer angesehenen Familie, der sich in seiner Sippe bereits mit Führungs­qualitäten bewährt hatte und ein ent­sprechendes Ansehen genoss. Aber darum kümmert sich Gott nicht. Gott wählte bewusst den Jüngsten der Familie, von dem immer alle dachten: Der kann ja noch nichts, der Kleine! Das kennt man noch heute bei großen Familien: Die jüngsten Kinder werden oft nicht für voll genommen und bleiben ihr Leben lang die „Kleinen“. Gott lässt sich von solchen äußerlichen Be­urteilungen nicht leiten, sondern er sieht dem David mitten ins Herz und findet: Der hat das Zeug zum König, der ist geeignet! „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an.“

Wir lernen dabei: Gott weiß am aller­besten, was in einem Menschen steckt und wofür er geeignet ist. Wenn ein junger Mensch sich fragt, welchen Beruf er ergreifen soll, dann kann er natürlich nach Lust und Neigung gehen, oder er kann Berufs­berater fragen oder ältere Erwachsene. Am wichtigsten ist es aber, dass er Gott fragt; dass er etwa betet: „Weise mir, Herr, deinen Weg!“ (Psalm 86,11). Gott sieht ihm direkt ins Herz, Gott kennt seine Schwächen und Stärken, Gott kann ihn am besten beraten. Wenn der junge Mensch dann aufmerksam auf die Zeichen achtet, die Gott ihm schickt, dann kann es sein, dass er einen ganz anderen Weg geführt wird, als er und die anderen Menschen es sich gedacht hatten – einen viel besseren Weg! Und was dem Menschen für diesen Weg noch an Eignung fehlt, dass kann ihm Gott zur rechten Zeiten schenken – so wie er David bei seiner Salbung den Heiligen Geist schenkte für sein zukünftiges Königsamt. Das alles gilt übrigens nicht nur für die Berufswahl, sondern das gilt für die gesamte Lebens­planung.

Zum Schluss möchte ich noch einmal an den Anfang unserer Betrachtung zurück­kehren. Da ging es darum, dass man einem Menschen nicht unbedingt ansehen kann, ob er ein gutes oder ein böses Herz hat. Vor den Mitmenschen kann man bis zu einem gewissen Grade so tun, als ob man ein netter Mensch ist. Gott aber sieht uns immer direkt ins Herz, ihm können wir nichts vormachen durch Kleidung, Schminke und andere äußerliche Tarnungen. Da stellt sich nun die Frage: Was sieht denn Gott, wenn er mein Herz ansieht? Die Antwort steht in der Bibel, gleich im ersten Buch Mose. Es ist eine pauschale Antwort über das ganze Menschen­geschlecht, eine sehr er­nüchternde, ja er­schreckende Antwort. Wir lesen da: „Das Dichten und Trachten des mensch­lichen Herzens ist böse von Jugend auf“ (1. Mose 8,21). Ebenso nüchtern und er­schreckend formuliert es unser luthe­risches Bekenntnis (im 2. Ar­tikel der Augsburger Konfession kann man es nachlesen): „Es wird bei uns gelehrt, dass nach Adams Fall alle natürlich geborenen Menschen… von Mutterleib an voll Neigung und Lust zum Bösen sind und von Natur aus keine wahre Gottes­furcht, keinen wahren Glauben an Gott haben können.“ Ja, so sieht es in allen Menschen­herzen aus, auch in meinem; Gott sieht das klar und deutlich. Und da müsste er eigentlich zu dem Schluss kommen: Diese Menschen sind völlig ungeeignet, um seine Kinder zu sein – Königs­kinder und Erben des ewigen Lebens! Aber nun tut Gott ein Wunder. Er wendet sich nicht angewidert von uns ab, sondern er salbt uns trotzdem zum königlichen Amt. Er hat es in unserer Taufe getan. Da hat er den Heiligen Geist über uns aus­gegossen. Und dieser Geist hat uns rein­gewaschen von aller Sünde um des Sühnopfers Jesu am Kreuz willen. Dieser Geist hat uns neu gemacht und macht uns alle Tage wieder neu, wenn wir beten: „Vergib uns unsere Schuld!“ Dieser Geist kommt über uns und macht uns tüchtig zu Jüngern Jesu, so wie er damals David tüchtig gemacht hat zum Königsamt. Dieser Geist verändert unser Herz, dass Gott ein Wohl­gefallen daran hat, wenn er es ansieht. Darauf kommt es an beim Christsein. Wir brauchen nicht vor den Menschen zu glänzen mit auf­gesetzter Frömmig­keit, wir brauchen nicht zu prahlen mit großen Taten. Das Äußere ist nicht so wichtig, denn darauf achtet Gott nicht. Es ist nicht wichtig, dass wir mit unserem Aussehen be­eindrucken und Ansehen gewinnen. Es ist nicht wichtig, dass wir groß und stattlich erscheinen. Vor Gott sollten wir uns lieber ganz klein machen – so wie David der Jüngste war, der Kleine. Und wir dürfen gern auch wieder wie die kleinen Kinder beten und zu Gott, der das Herz ansieht, sagen: „Ich bin klein, mein Herz mach rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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