Bußbereit, bibeltreu, bekenntnisfreudig

Predigt über Markus 1,15 zu einer Kirchenversammlung

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Es lohnt sich, den Weg des konfessio­nellen Luthertums zu­versicht­lich weiter­zugehen, auch wenn er be­schwer­lich ist. Es lohnt sich deshalb, weil unsere Kirche drei Eigen­schaften hochhält, die für die christliche Kirche aller Zeiten grundlegend wichtig sind – nämlich die drei Eigen­schaften bußbereit, bibeltreu und bekenntnis­freudig. Sie lassen sich an dem Wort unsers Herrn Jesus Christus festmachen: „Tut Buße und glaubt an das Evan­gelium!“ Dieser Satz gehört zur ersten Predigt Jesu, die im Markus­evangelium überliefert ist. Daran erkennen wir: Dieser Satz hat grund­legende Bedeutung für die Christen­heit. Anhand dieses Herren­wortes möchte ich jetzt nach­einander die drei Eigen­schaften bedenken, die für uns und die Kirche aller Zeiten so wichtig sind: bußbereit, bibeltreu und bekenntnis­freudig.

Bußbereit sollen wir sein nach dem Willen unseres Herrn. Jesus sagte: „Tut Buße!“ Vergessen wir dabei aber alle landläufigen Gedanken­verbindungen mit Buße! Vergessen wir das künstliche Hinein­steigern in eine tränen­reiche Reue, das aufgesetzte Betroffen­heits-Getue vergangener Bußtage sowie auch das Bußgeld! Wenn Jesus sagt: „Tut Buße!“, dann fordert er uns einfach zu einem Sinnes­wandel auf, zu einem Umdenken. Buß­bereitschaft ist die Bereit­schaft zur Ver­änderung, und zwar von innen nach außen, vom Herzen her zu Mund und Händen.

Mit Martin Luthers zweiter These sind wir der Über­zeugung: Buße ist nicht der einmalige Startschuss für ein Christen­leben, sondern vielmehr ein lebens­langer und all­täglicher Prozess. Christi Auf­forderung zur Buße gilt auch noch für den frömmsten Christen. Solange wir leben, ist Christsein un­zertrenn­lich verbunden mit der Bereit­schaft zum Sinnes­wandel.

Es gibt heute eine bestimmte geistige Richtung, die solche fort­dauernde Buß­bereitschaft beiseite schieben will. Man sagt, es sei der psychischen Gesundheit abträglich, immerfort an seine Sünden und Fehler zu denken; es zerstöre das Selbstwert­gefühl. Das wäre richtig, wenn mein Selbstwert von mir selbst abhinge, von meinen eigenen Leistungen. Dem ist aber nicht so. Ent­scheidend für meinen Selbstwert ist, wie wert ich in Gottes Augen geachtet bin; und da erfahre ich die aller­höchste Wert­schätzung: Ich bin ein Himmels­erbe! Gott schenkt mir das ganz unverdient durch Jesus. Auf dieser Grundlage ist Buße nichts Ungesundes, sondern etwas höchst Er­quickendes und Be­freiendes. Ich habe es nun nicht mehr nötig, eine Lügenmauer oder eine Heuchel­fassade aufzubauen vor all dem Blödsinn, den ich gemacht habe; ich kann ehrlich dazu stehen und Besserung aus Gottes Kraft erhoffen. Ich muss nicht mehr alle Suppen auslöffeln, die ich mir eingebrockt habe, sondern ich darf immer wieder neu anfangen.

Buße gehört nicht nur ins stille Kämmerlein, Buße gehört auch in die Gemein­schaft. Zur Zeit Jesu war das ganz selbst­verständ­lich, und darum forderte er sein Volk auch kollektiv auf im Plural: „Tut Buße!“ Deshalb gibt es in unserer Kirche nicht nur die Auf­forderung zur persönlichen Herzensbuße und die Einladung zur Einzel­beichte, sondern es gibt auch Beicht­andachten und Buß­gottes­dienste. Wenn jemand diese Formen gemeinsamen Buße-Tuns in unserem gottes­dienstlichen Leben an den Rand schieben wollte, dann könnte er sich auch gleich dafür stark machen, die fünfte Vaterunser­bitte zu streichen: „Vergib uns unsere Schuld.“ Aufpassen müssen wir nur, dass aus der Beicht­kultur in unserer Kirche kein sinn­entleertes Ritual wird. Vergessen wir nicht: Buße heißt Sinnes­wandel und Bereit­schaft zur Änderung! Konservativ sollten wir also nur im Blick auf die Lehre sein, nicht im Blick auf unser Leben, auch nicht im Blick auf das kirchliche Leben. Christi Liebe will die Kirche stets erneuern und von innen her verändern. Es sollte uns daher leicht fallen, dass wir uns von alt­vertrauten Strukturen trennen oder von denkmal­geschützten Gebäuden, wenn das Vorteile bringt. Und erst recht sollte es uns leicht fallen, von Vorurteilen unter­einander Abschied zu nehmen und jederzeit misstrauens­frei aufeinander zuzugehen. Wir sind stets zum Neuanfang bereit, wir sind bußbereit – weil Jesus es so will und weil Jesus es uns auch schenkt.

Zweitens: Bibeltreu sollen wir sein nach dem Willen unsers Herrn. Jesus sagte: „Glaubt an das Evan­gelium!“ Die Quelle des Evangeliums ist die Heilige Schrift. Das Alte Testament kündet davon, wie Gott in der Geschichte Israels das Kommen des Erlösers vorbereitet hat; das Neue Testament bezeugt uns Jesus von Nazareth als den ver­sprochenen Messias. Ohne die Bibel wüssten wir so gut wie nichts über Jesus, oder wir hätten nur Fragmente einer un­zuverlässi­gen Über­lieferung. In der Bibel aber kriegen wir das Evangelium aus erster Hand. Hier hören wir die Stimme jener Leute, die von Gott selbst als un­mittelbare Evangeliums­zeugen beauftragt und be­vollmäch­tigt worden sind. Durch sie kommt Gott selbst zu Wort, und darum ist die Heilige Schrift zuverlässig sein Wort. Wir können uns darauf verlassen, dass der Heilige Geist diese Worte eingegeben hat und dass er noch heute durch sie wirkt.

Wenn wir bibeltreu sind, dann bedeutet das nichts anderes, als dass wir diesem Buch angemessen begegnen und seine Worte vertrauens­voll hören. Wir machen es wie Samuel, der auf Gottes Anruf antwortete: „Rede, denn dein Knecht hört“ (1. Sam. 3,10). Wie ein Knecht wollte er hören, nicht wie Kritiker! Und wir machen es wie Maria aus Betanien, die sich einfach Jesus zu Füßen setzte und ihm zuhörte (Lukas 10,39). Sie blickte nicht stehend auf ihn herab, sie setzte sich auch nicht auf Augenhöhe, sondern sie blickte vom Fußboden her zu ihm auf. Das heißt nicht, dass wir immer alles verstehen. Das heißt auch nicht, dass wir immer alle dasselbe verstehen. Es heißt nur, dass wir als bibeltreue Christen darauf vertrauen: Hier ist die Quelle des Heils, hier ist das un­verfälschte Evan­gelium, hier ist Gottes hundert­prozentig zu­verlässiges Wort, hier ist der Maßstab für alles rechte Glauben, Leben und Ver­kündigen.

Bibeltreu sein heißt: Wir machen unsere Hoffnung an einem Eichenstamm fest und nicht an einem Strohhalm. Wir sind uns darüber im Klaren, dass von der Verlässlich­keit der Bibel unsere Seligkeit abhängt. Wir bekennen mit Martin Luther: Allein durch die Schrift werden wir selig, „sola scriptura“ (mit langem „a“, weil es sich um einen instru­mentalen Ablativ handelt, der hier nichts weniger bezeugt als ein Instrument zum Selig­werden).

Die Pfarrer­schaft unserer Kirche hat auf ihrem letzten Allgemeinen Konvent einstimmig ein Hermeneutik­papier ver­abschiedet, das solcher Bibeltreue Rechnung trägt. Darüber freue ich mich sehr. Es ist ein klare Zeugnis in einer Zeit, wo wissen­schaftliche Theologie sich überwiegend von anderen Vor­verständnis­sen leiten lässt. Wir aber wollen weiter mit Samuels und Marias Grund­haltung die Bibel auslegen, predigen, lehren, Theologie treiben und nach Einmütig­keit in der Lehre streben. Ja, lasst uns bibeltreu bleiben.

Drittens: Bekenntnis­freudig sollen wir nach dem Willen unsers Herrn sein. Noch einmal weise ich hin auf die Auf­forderung Jesu: „Glaubt an das Evan­gelium!“ Das Bekenntnis ist die selbst­verständ­liche Folge und Frucht des rechten Evangeliums-Glaubens. Ich erinnere an das Wort aus dem Römerbrief: „Wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet“ (Römer 10,10).

Bekenntnis­freudig ist die Kirche Jesu Christi in einem doppelten Sinn: Zum einen freuen wir uns über jede Gelegen­heit, anderen Menschen die gute Nachricht von Jesus Christus zu bekennen – sowohl mit Worten als auch mit Taten der Liebe. Zum anderen freuen wir uns aber ebenso darüber, dass wir inhaltlich in das Bekenntnis der Kirche einstimmen können. Wir tun das zum Beispiel immer dann, wenn wir sonntags den Glauben bekennen oder wenn wir uns mit unseren Konfir­manden an die Worte des Kleinen Katechismus' erinnern. Beide Seiten der Bekenntnis­freude gehören zusammen: Wir wollen andere Menschen ja nicht zu irgend­welchem Glauben an irgendeinen Gott einladen, sondern wir wollen sie zur Buße und zum selig­machenden Glauben an den dreieinigen Gott einladen, wie es die recht­gläubige Kirche aller Zeiten getan hat und wie es im Konkordien­buch bezeugt ist.

Herzstück solchen Bekennens ist die frohe Botschaft von der Rettung des Sünders durch den Herrn Jesus Christus, den wahren Gott und wahren Menschen, der durch seinen Kreuzestod alle Sünden der Menschheit gesühnt hat und der von den Toten auf­erstanden ist. Ja, dies ist die Hauptlehre des christ­lichen Bekennens – gleichsam die Sonne, von der aus alle anderen Lehren wie helle Strahlen ausgehen. Nicht Recht­haberei, sondern die Liebe Gottes drängt uns, dass wir mit unserem christ­lichen Zeugnis nichts von diesen Strahlen verdunkeln, sondern vielmehr dabei mithelfen, dass sie alle in die dunkle Welt und in die teilweise verdunkelte Christen­heit gelangen.

Im Zeitalter der Ökumene wird eine derartige Bekenntnis­freude nicht immer gern gesehen. Viele üben sich lieber in der zweifel­haften Kunst, christliche Lehren so undeutlich zu formu­lieren, dass jeder das heraushören kann, was er gern glauben möchte. Ich kenne selbst diese Versuchung, so zu sprechen, wenn ich kirchen­fernen Menschen oder Christen am Rand der Gemeinde das Evangelium sage. Es kostet Mut, klar zu bekennen in einer Situation, wo man genau weiß: So denkt der andere nicht, und er nimmt womöglich Anstoß an meinen Worten. Aber wenn wir das Evangelium weitersagen wollen, dann müssen wir auch unseren Mitmenschen den Sinnes­wandel der Buße zumuten, ohne den niemand selig werden kann. Wir können nicht anders bekennen als im Sinne der Auf­forderung Jesu: „Tut Buße und glaubt an das Evan­gelium!“

Liebe Brüder und Schwestern, ich wiederhole den Satz, mit dem ich diese Predigt begonnen habe: Es lohnt sich, den Weg des konfessio­nellen Luthertums zu­versicht­lich weiterzugehen, auch wenn er oft be­schwerlich ist: bußbereit, bibeltreu und bekenntnis­freudig. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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