Gottes Geschenk

Predigt über Epheser 3,2‑6 zum Epiphaniasfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

In manchen Ländern gibt es erst am 6. Januar Weihnachts­geschenke, denn in manchen Ländern wird erst am Epiphaniasfest Weihnachten gefeiert. Dieses Fest mit seinem Evangelium von den Weisen aus dem Morgenland ist eigentlich das ur­sprüngliche Weihnachts­fest. Auch die Weisen brachten ja Weihnachts­geschenke mit, drei wahrhaft königliche Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Weil es drei königliche Geschenke waren, nimmt man an, dass die Weisen aus dem Morgenland drei Könige waren. So ist der heutige Tag durchaus dazu geeignet, dass wir uns einmal grund­sätzlich über Geschenke Gedanken machen.

Geschenke setzen immer eine Beziehung voraus zwischen dem Schenkenden und dem Be­schenkten. Leute, die absolut nichts miteinander zu tun haben, beschenken sich nicht. Geschenke sagen auch oft etwas über die Art der Beziehung aus. Wenn ein Mann einer Frau Blumen schenkt oder Schmuck, dann bringt er mit diesen Geschenken meistens seine Liebe zum Ausdruck. Wenn ein Chef zu Weihnachten seine An­gestellten beschenkt, dann will er sich damit bei ihnen bedanken und zugleich das Betriebs­klima positiv be­einflussen. Wenn ein Bürger einen Polizisten beschenkt oder einen Politiker, dann kann dahinter die böse Absicht stecken, dass er ihn bestechen will. Wenn ein reicher Mensch stirbt und sein Erbe seinem einzigen Kind zufällt, dann ist das ein Pflicht­geschenk, das teilweise sogar gesetzlich vor­geschrieben ist. Das Erbe ist übrigens die einzige Form des Schenkens, bei der der gesamte Besitz verschenkt wird; es ist gewisser­maßen ein Total-Geschenk. Und dann gab es in alter Zeit auch noch andere Pflicht-Geschenke: Wenn ein König von einem anderen König besiegt worden war, dann musste er ihm kostbare Geschenke machen als Zeichen seiner Unter­werfung. Das schwingt übrigens in der Geschichte von dem Weisen aus dem Morgenland mit: Indem sie Jesus königliche Geschenke brachten, unterwarfen sie sich ihm als dem größeren König – allerdings nicht gezwungener­maßen, sondern freiwillig, aus Einsicht in die Größe dieses Königs, aus Glaubens-Einsicht. Wenn man einmal anfängt darüber nach­zudenken, dann kann man nur staunen, wie vielfältig die Gründe und Arten des Schenkens sind: aus Liebe, aus Pflicht, als Dank, als Mittel zum Zweck, als Zeichen der Unter­werfung…

Wir behalten das im Gedächtnis, wenn wir uns jetzt dem größten und erstaun­lichsten Geschenk aller Zeiten zuwenden. Wir wollen nach­einander bedenken, wer es schenkt, was es ist, wie es geschenkt wird und wem es geschenkt wird. Auf all diese Fragen gibt der Abschnitt aus dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser Antwort, den wir eben als Predigttext gehört haben.

Erstens: Wer schenkt dieses größte und erstaun­lichste Geschenk aller Zeiten? Gott. Wir lesen: „Ihr habt gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch gegeben hat.“ Paulus schreibt hier als einer, dem Gott etwas für die Epheser und für alle anderen Christen gegeben hat; Paulus selbst ist also nur der Bote, der Gottes Geschenk überbringt. Dass es sich bei Gottes Gabe wirklich um ein kostenloses Geschenk handelt, das zeigt das Wort „Gnade“. Gott ist gnädig; er beschenkt uns Menschen aus freien Stücken, aus lauter Liebe. Verdient haben wir das Geschenk nicht, aber er schenkt es trotzdem. Er ist uns gnädig durch seinen Sohn Jesus Christus, er rechnet unsere Schuld nicht an, sondern beschenkt uns statt­dessen. Das ist das Herzstück des christ­lichen Glaubens: Gott beschenkt uns aus lauter Liebe. Dieses Gnaden­geschenk ist zugleich ein Zeichen seiner Beziehung zu uns: Er hat durch seine Geschenk Frieden zwischen sich und uns gestiftet, hat uns mit sich versöhnt, ist bei uns alle Tage bis zum Ende der Welt und darüber hinaus in Ewigkeit. Gott schenkt aus Gnade – der lateinische Begriff für „aus Gnade“ heißt „gratis“.

Zweitens: Was schenkt Gott, was ist das größte und erstaun­lichste Geschenk aller Zeiten? Das war den Ephesern natürlich längst bekannt, und auch wir wissen es; Paulus braucht in diesem Abschnitt nur kurz daran zu erinnern. Er schreibt: „Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kund gemacht worden, wie ich eben aufs kürzeste geschrieben habe.“ Er verweist damit auf die Entfaltung des Evangeliums in den ersten beiden Kapiteln des Epheser­briefs. Ein „Geheimnis“ nennt er dieses Geschenk – freilich nicht so, wie wir landläufig das Wort „Geheimnis“ verstehen. Es ist uns keineswegs verborgen, was Gott schenkt, und wir selbst brauchen es auch nicht geheim zu halten. Ein „Geheimnis“ ist es aber in der Hinsicht, dass wir es mit unserem natürlichen Verstand nicht erfassen können. Bekannt ist uns dieses Geheimnis nur deshalb, weil Gott es uns gesagt hat. Mit anderen Worten: Es ist eine Gabe, die wir uns nicht selbst nehmen können, sondern die wir uns nur von Gott geben lassen können. Diese Gabe ist das Evangelium, Gottes Zuspruch: Deine Sünden­schuld ist durch Jesus erlassen; du bist mein Kind; wir gehören zusammen; du erbst das Himmelreich für immer. Wirklich, das größte und erstaun­lichste Geschenk aller Zeiten: Wir erben das Himmel­reich! Es ist Gottes Total-Geschenk, dieses Erbe. Im Römerbrief hat Paulus es so formuliert: „Gott hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern hat ihn für uns alle dahin­gegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Römer 8,32)

Drittens: Wie schenkt Gott dieses größte und erstaun­lichste Geschenk? Wir haben eben schon gesehen: Er benutzt den Apostel Paulus als Überbringer dieses Geschenks, als Boten – ihn und die anderen Apostel sowie auch seine Propheten. Paulus schreibt vom Evangelium: „Dies war in früheren Zeiten den Menschen­kindern nicht kund gemacht, wie es jetzt offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist.“ Außerdem erfahren wir, auf welche Weise Gott Paulus das Geschenk des Evangeliums übergeben hat, damit er es an uns weiter­reicht: „Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kund gemacht worden… Daran könnt ihr, wenn ihr's lest, meine Einsicht in das Geheimnis Christi erkennen.“ An anderen Stellen der Bibel erfahren wir mehr über dieses göttliche Offenbaren. Es fing damit an, dass der auf­erstandene Christus dem Paulus auf dem Weg nach Damaskus begegnete und ihn berief. Später gab ihm dann Christus regelrecht Unterricht in Glaubens­dingen – und zwar direkt, ohne Mittels­personen! Im Galater­brief hat Paulus darüber berichtet: „Ich habe das Evangelium nicht von einem Menschen empfangen oder gelernt, sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi… Als es aber Gott wohl­gefiel…, dass er seinen Sohn offenbarte in mir, damit ich ihn durchs Evangelium verkündigen sollte unter den Heiden, da besprach ich mich nicht erst mit Fleisch und Blut, ging auch nicht hinauf nach Jerusalem zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog nach Arabien und kehrte wieder zurück nach Da­maskus…“ (Gal. 1,12.15‑17). Erst danach trat Paulus als Prediger, Missionar und Apostel auf. Gott hat ihn damit gewisser­maßen als seinen Geschenk­verwalter eingesetzt – so, wie damals reiche Gutsherren Verwalter auf ihren Landgütern einsetzten, die dafür sorgen mussten, dass alle Arbeiter gut versorgt werden. Was Luther in unserem Predigttext mit „Amt“ übersetzt hat, das bezeichnet eigentlich so ein verwaltetes Landgut. Paulus hat ge­schrieben: „Ihr habt ja gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch gegeben hat…“ Seht, darum ist die Kirche aposto­lisch, darum nennen wir die Bibel Gottes Wort: Weil uns hier die Leute begegnen, durch die Gott uns das größte und erstaun­lichste Geschenk austeilt, das diese Welt je gesehen hat.

Viertens und letztens: Wem überreicht Gott dieses Geschenk? Viele Juden­christen haben zu Lebzeiten des Apostels Paulus ge­antwortet: Natürlich uns, den frommen Juden, dem aus­erwählten Gottesvolk, den Abrahams­kindern! Andere, so meinten sie, können nur dann an diesem Geschenk teilhaben, wenn sie erst einmal fromme Juden werden und sich beschneiden lassen. Falsch!, erwidert Paulus – und diese Erkenntnis gehört zu den Dingen, die Christus ihm direkt offenbart hat: „… nämlich dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evan­gelium.“ Die Nicht-Juden, die sogenannten „Heiden“ oder „Griechen“, sind ebenso Adressaten von Gottes Geschenk wie die leiblichen Abrahams-Kinder. Das hörten viele Juden­christen nicht gern, und darum hat es um diese Frage heftige Auseinander­setzungen gegeben in der Urkirche. Wir müssen uns das so vorstellen, wie wenn sich Kinder um das Erbe ihrer ver­storbenen Eltern zanken: Da kann es vorkommen, dass keiner dem anderen was gönnt und dass alle Angst haben, zu kurz zu kommen. Aber nun gehört ja dem Vater im Himmel wirklich alles; sein Erbe ist unendlich groß, sodass niemand Angst haben muss, bei ihm zu kurz zu kommen. Gottes Total­geschenk reicht aus für alle Völker der Erde, und darum sind auch alle durch Christus zu Erben berufen, eben zu „Miterben“ mit dem alten Bundesvolk Israel.

Weil Paulus das so klar verkündigt hat, haben wir die Gewissheit: Auch wir sind Erben des Himmel­reichs. Auch uns gilt das Evangelium von Jesus Christus. Auch wir bekommen von Gott das größte und erstaun­lichste Geschenk der Welt. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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