Der prophezeite Friedefürst

Predigt über Micha 5,1‑4a zum 1. Weihnachtsfeiertag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Im Dezember gibt es in den Medien reihenweise Jahres­rückblicke sowie auch Voraus­blicke auf das kommende Jahr. Stellen wir uns jetzt einfach mal vor, in einem solchen Vorausblick würde sich ein Mann zu Wort melden und für das nächste Jahre Frieden in Afghanistan voraus­sagen. Stellt euch vor, er würde dem Fernseh­moderator sagen: Im Laufe des nächsten Jahres wird in Kabul ein Friedens­vertrag unter­zeichnet werden von der afgha­nischen Regierung, von Ameri­kanern, Engländern, Deutschen und Vertretern der Taliban; und dann wird endlich Frieden herrschen in diesem Land. Die meisten Menschen wären sicher sehr skeptisch angesichts dieser Vorhersage, denn leider ist Afghanistan noch weit vom Frieden entfernt. Aber träumen wir einfach mal weiter: Nehmen wir an, es trifft erstaun­licherweise ein, was der Friedens­prophet behauptet hat, und so ein Vertrag wird tatsächlich in Kabul ge­schlossen. Würde nicht die ganze Welt verblüfft sagen: Der hat aber sehr genau voraus­gesehen, was geschieht; der ist ein zu­verlässiger Prophet!

Nun ist etwas ähnlich Erstaun­liches tatsächlich geschehen – ja eigentlich etwas noch viel Erstaun­licheres. Wir gehen in Gedanken in die Vergangen­heit zurück, geben dem Friedens­propheten den Namen „Micha“ und setzen an die Stelle von Kabul das Städtchen Bethlehem. Zu Michas Zeit war Israel in ständiger Kriegs­gefahr. Micha aber sagte voraus, dass von Bethlehem Frieden ausgehen würde: „Du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei… Und er wird der Friede sein.“ Genauso ist es gekommen – zwar nicht schon im nächsten Jahr, sondern erst 700 Jahre später: In Bethlehem wurde der Friedefürst geboren, und die Engel sangen in der Nacht seiner Geburt: „Friede auf Erden!“ Micha hat Recht behalten; seine Prophe­zeiung ist ein­getroffen; er hat sich als zuverlässig erwiesen. Und damit hat sich Gott selbst als zuverlässig erwiesen, denn Micha war ja einer der vielen Botschafter Gottes auf Erden, die das Kommen des Friede­fürsten angekündigt haben. Ja, Gott ist verlässlich und treu in seinen Ver­heißungen; diese Erkenntnis stärkt unser Vertrauen in ihn, sie stärkt unseren Glauben.

Nun hat Gott durch den Propheten Micha aber nicht bloß den Geburtsort des Erlösers an­gekündigt, sondern im Zusammen­hang damit noch eine ganze Menge mehr. Wir müssen nur genau auf seine Worte achten und auf das, was hinter diesen Worten steht, dann kommen wir der wunderbaren Botschaft auf die Spur, die sich mit dem Weihnachts­geschehen erfüllt hat.

Fangen wir an mit dem Ortsnamen „Bethlehem Efrata“. „Bethlehem“ heißt „Haus des Brotes“, und „Efrata“ bedeutet „frucht­bares Land“. Die Gegend um Bethlehem war tatsächlich eine Kornkammer. Wer die Geschichte von Rut kennt, der weiß: Boas konnte auf den Feldern bei Bethlehem eine reiche Getreide­ernte einbringen, und Rut konnte auf diesen Feldern dann auch noch üppige Nachlese halten. Aber mit diesem Ortsnamen hat Gott zugleich an­gekündigt, dass hier der zur Welt kommen wird, der das Lebensbrot ist: sein ein­geborener Sohn Jesus Christus. Aus Bethlehem, aus „Brot­hausen“, kommt der, der unseren Lebens­hunger stillt und der uns ewig leben lässt.

Rut und Boas haben dann in Bethlehem geheiratet und Kinder bekommen. Ihr Sohn Obed bekam seinerseits einen Sohn und nannte ihn Isai; diesem Isai wurde dann David geboren. Das alles geschah in Bethlehem. David wurde ein berühmter König. Freilich hat er ein schweres Leben gehabt, denn er war immer wieder in kriege­rische Konflikte verwickelt. Nur mit viel Mühe und Blut­vergießen schaffte er es, seinem Sohn Salomo ein einiger­maßen friedliches Königreich zu hinter­lassen; und auch dieser Friede währte nicht besonders lange. Aber Gottes Bote Natan hatte ihm voraus­gesagt, dass einmal einer seiner Nachkommen ein ewiges Friedens­reich aufrichten würde. Von diesem sogenannten Davidssohn redeten in der Folgezeit viele weitere Propheten, darunter eben auch Micha. Er nannte ihn „Herr“, und er kündigte an, dass er in genau derselben Stadt zur Welt kommen würde wie David selbst: in Bethlehem. Hören wir noch einmal Michas Verheißung: „Du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei.“ Die Erfüllung dieser Verheißung meldeten dann in der Heiligen Nacht Gottes himmlische Boten den Männern, die, wie einst David selbst, auf den Feldern bei Bethlehem Schafe hüteten. Gottes Engel sagte ihnen: „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“

Aber damit ist Michas Verheißung und ihre Erfüllung in der Heiligen Nacht noch nicht aus­geschöpft. Micha hat nämlich im Namen Gottes auch voraus­gesagt, dass der Friedefürst noch eine andere Herkunft hat, nicht nur das Städtchen Bethlehem. Er hat gesagt, dass sein „Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist“. Damit ist klar geweissagt, dass Jesus nicht nur Davidssohn und Menschen­sohn, sondern auch Gottes Sohn ist, der eingeborene Sohn des himmlischen Vaters. Im Kolosser­brief heißt es von Jesus: „Er ist das Ebenbild des unsicht­baren Gottes, der Erst­geborene vor aller Schöpfung“ (Kol. 1,15). Seinen Ausgang hat er nicht nur als neu geborenes Kind in Bethlehem genommen, sondern auch als einziger wesens­gleicher Sohn Gottes „von Anfang und von Ewigkeit her“. Martin Luther hat das sehr schön im Kleinen Katechismus in der Erklärung des 2. Glau­bens­artikels zusammen­gefasst: „Ich glaube, dass Jesus Christus, wahr­haftiger Gott, vom Vater in Ewigkeit geboren, und auch wahr­haftiger Mensch, von der Jungfrau Maria geboren, sei mein Herr.“

Weiter hat Micha von den schweren Zeiten geweissagt, die bis zur Geburt des Erlösers über Israel kommen würden. Es heißt da: „Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat.“ Ich will hier jetzt gar nicht all das aufzählen, was das Volk der Juden zwischen Micha und Jesus alles erleiden musste. Ich weise lediglich darauf hin, dass auch die Weihnachts­geschichte etwas von diesen Plagen anklingen lässt: Vom römischen Kaiser Augustus ist da die Rede und von seinem Statthalter Cyrenius. Damit ist die Unter­drückung der römischen Besatzungs­macht an­gesprochen, die unter anderem darin zum Ausdruck kam, dass sich alle Juden in Schätzungs­listen für die Steuer­erhebung eintragen lassen mussten. Diesem Umstand ist es letztlich zu­zuschreiben, dass Jesus nicht in Nazareth zur Welt kam, dem Wohnort seiner Eltern, sondern in Bethlehem. Wir sehen: Gott machte etwas Gutes aus der Plage seines Volkes und bewirkte auf diese Weise, dass seine Vorhersage über den Geburtsort des Heilands in Erfüllung ging.

Nun war das Volk Israel zur Zeit von Jesu Geburt zu einem großen Teil in viele Länder verstreut. Es gab aber die Hoffnung, dass Gott sein Volk wieder sammeln würde – und zwar durch eben diesen verheißenen Davidssohn. Darum hat Micha prophezeit: „Da wird dann der Rest seiner Brüder wieder­kommen zu den Söhnen Israels.“ Auch diese Hoffnung hat Gott zu Weihnachten erfüllt – freilich anders, als die Juden es erwartet hatten. Ein Engel verkündigte den Hirten von Bethlehem, dass die Freude über den Erlöser „allem Volk“ widerfahren wird. Jesus ist ja dann wirklich zum Heiland aller Völker geworden, nicht nur der in vielen Völkern verstreut lebenden Juden. Nach seiner Auf­erstehung schickte er die Apostel aus mit der Weisung: „Geht hin und macht zu Jüngern alle Völker!“ (Matth. 28,19). Nur darum sind auch wir in Mittel­europa heute Christen und können uns darüber freuen, dass Gott uns den Heiland geschickt hat – so wie unzählige andere Christen auf der ganzen Welt.

Auf den Feldern von Bethlehem weidete einst der Hirtenjunge David die Schafe seines Vaters Isai. Als er später dann König war, weidete er Gottes Volk Israel als guter Herrscher. Auf den Feldern von Bethlehem weideten Hirten in der Heiligen Nacht ihre Herden und erfuhren, dass nun der ver­sprochene Erlöser in der Davidsstadt zur Welt gekommen ist. Er ist der Davidssohn, der von sich sagte: „Ich bin der gute Hirte“ (Joh. 10,11). Er ist gekommen, um uns zu weiden, die Herde des himmlischen Vaters. Er tut es bis heute als unser Herr und König. So hat sich die Micha-Weissagung auch in diesem Wort erfüllt: „Er wird auftreten und weiden in der Kraft des Herrn und in der Macht des Namens des Herrn, seines Gottes.“

Ja, und dann ist da schließlich noch die große Friedens­verheißung: „Sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist. Und er wird der Friede sein.“ Dass sich dies in Jesus erfüllt hat, das ist die beste Nachricht der Welt, das Evangelium: Jeder, der durch Taufe und Glaube Jesu Jünger geworden ist, hat Friede mit Gott dem Vater. Alle Sünden sind vergeben, alle Schuld ist getilgt, nichts trennt uns mehr von Gottes grenzen­loser Vaterliebe. Freilich: Vollkommen sehen und erleben werden wir dieses Friedens­reich erst im Himmel; in dieser Welt gibt es bis zum heutigen Tag noch Kriege und Konflikte, und das nicht nur in Afgha­nistan. Wo aber Menschen Jünger Jesu geworden sind und aus der Kraft seiner Liebe leben, da wird unter ihnen schon jetzt etwas vom Friedens­reich des Davidssohns sichtbar. Wir wollen Gott darum bitten und danach streben, dass das auch bei uns geschieht. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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