Gottes Verlobung

Predigt über Hosea 2,21‑22 zum 13. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der Prophet Hosea war mit einer Prostitu­ierten ver­heiratet. Er war dazu gezwungen worden. Gott selbst hatte ihn dazu gezwungen. Gott wollte, dass der Prophet Hosea nicht nur mit dem Mund predigt, sondern mit seinem ganzen Leben; auch seine Ehe war Teil seiner Verkündi­gung. Darum hatte Gott ihm auf­getragen: Geh hin und heirate eine Prostitu­ierte! (Hosea 1,2)

Hosea lebte und wirkte 750 Jahre vor Christus. Gottes Volk Israel war damals in zwei Staaten gespalten, ähnlich wie das deutsche Volk vor nicht allzu langer Zeit in zwei Staaten gespalten war, einen östlichen und eine westlichen. Israel bestand damals aus zwei König­reichen, einem Nordreich und einem Südreich. Hosea lebte im Nordreich, verkündigte aber Gottes Wort für ganz Israel. Darüber hinaus gelten seine Worte auch zeitlos für alle Gottes­kinder bis hin zum heutigen Tag. Darum finden wir die Botschaft des Hosea auf­geschrieben in der Bibel, im Buch Hosea, in der ersten Schrift des sogenannten Zwölf­propheten­buchs. Hosea ist damit der erste der „kleinen Propheten“, wie man das Zwölf­propheten­buch auch nennt.

Dieser Hosea war, wie gesagt, mit einer Prostitu­ierten ver­heiratet. Seine Ehe war ein Gleichnis für das Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk: Der Prophet stand dabei für Gott, die Prostitu­ierte für Gottes Volk, das schändliche Treiben der Prostitu­ierten für die Anbetung fremder Götter. Solchen Götzen­dienst gab es nicht nur damals im Orient, sondern den gibt es auch heute bei uns. Martin Luther hat im Großen Katechismus treffend definiert: Alles, woran du dein Herz hängst, wird dir zum Gott! Also: Immer, wenn ein Mensch irgend etwas lieber hat oder wichtiger nimmt als den einen wahren Gott, hat er im über­tragenen Sinne Ehebruch begangen vor seinem Schöpfer. Wir können sogar so weit gehen zu sagen: Immer, wenn ein Mensch sündigt, bricht er seinem Schöpfer die Treue, denn er setzt sich damit über das hinweg, was er ihm schuldig ist, und orientiert sein Leben an fremden Maßstäben.

Mit seiner Ehe und mit vielen Predigten hält Hosea uns also unseren geistlichen Ehebruch vor. Aber Hoseas Botschaft ist nicht nur Anklage. Gott zeigt durch diesen Propheten auch einen Ausweg, er verheißt Hilfe und Heilung. Diese frohe Botschaft Gottes gipfelt bei Hosea in dem Wort, den wir als Predigttext gehört haben: „Ich will mich mit dir verloben für alle Ewigkeit. Ich will mich mit dir verloben in Gerechtig­keit und Recht, in Gnade und Barmherzig­keit. Ich will mich mit dir verloben in Treue, und du wirst den Herrn erkennen.“ Drei köstliche Sätze sind es, die alle mit der Zusage beginnen: „Ich will mich mit dir verloben.“ Um recht zu begreifen, was Gott uns damit eigentlich sagen will, müssen wir zunächst bedenken, was mit „verloben“ gemeint ist.

Die Verlobung ist heute fast ganz aus der Mode gekommen. Wenn ein Mann und eine Frau zusammen leben möchten, halten sie es ja oft nicht einmal mehr für nötig, überhaupt zu heiraten. Und falls ein Paar sich traditio­neller­weise vor der Hochzeit noch verlobt, dann wird dieses Verlöbnis einfach als offizielle Absichts­erklärung angesehen, dass man heiraten möchte – eine Absicht, die unter Umständen auch widerrufen werden kann. Ich kannte einen jungen Mann und eine junge Frau, die hatten viele Gäste zu ihrer Verlobungs­feier eingeladen. Am Abend vor der Feier stellten sie fest, dass sie sich nicht heiraten wollen. Um nicht das schöne Fest platzen zu lassen, wahrten sie den Schein und feierten Verlobung – um sich dann wenige Tage später wieder zu entloben.

In alten Zeiten hatte eine Verlobung mehr Gewicht, auch in biblischen Zeiten. Eine Verlobung galt als das, was das Wort sagt: Es war ein gegen­seitiges Gelöbnis, ein feierliches Ver­sprechen, das in jedem Fall eingehalten werden muss. Wenn ein Mann und eine Frau sich verlobten, dann versprachen sie sich gegenseitig bereits die eheliche Treue – Treue bis ans Lebensende. Ich kannte einen Mann, der nahm seine Verlobung so ernst. Als seine Braut ihn verließ, da heiratete er zeit seines Lebens keine andere; er blieb seinem Gelöbnis treu. In biblischen Zeiten hatte die Verlobung sogar den Rang der heutigen standesamt­lichen Trauung: Die Ehe galt mit dem Verlöbnis als rechts­kräftig geschlossen vor den beiden beteiligten Familien. Der Bräutigam brauchte dann nur noch die Braut von ihrem Vaterhaus abzuholen und in seinen Haushalt auf­zunehmen; dann wurde das Hochzeits­fest gefeiert. Das Wort „verloben“ in dem Gotteswort des Hosea bezieht sich übrigens ganz auf den Bräutigam; es bedeutet eigentlich: „sich mit einer Frau verloben“, „sich eine Ehefrau nehmen“.

Wenn wir das alles be­rücksichti­gen, dann steht auf einmal klar und deutlich vor Augen, was Gott uns hier Großartiges sagt. Er sagt das, was letztlich auch Hoseas Ehe mit der Prostitu­ierten ausdrücken soll: Obgleich du treulos gewesen bist, habe ich dich lieb, will ich dich zur Frau nehmen und dir treu sein.

Gott sagt: „Ich will mich mit dir verloben für alle Ewigkeit.“ Gott ist der Bräutigam, der sich ein Volk zur Frau nimmt: Das heilige Volk, das zu ihm gehört. Für uns, das neutestament­liche Gottesvolk, ist die Taufe gewisser­maßen der Verlobungs­ring, den Gott uns geschenkt hat. Seit der Taufe sind wir mit Gott verbunden; Gott hat da seinen neuen Bund mit uns besiegelt. Während eine menschliche Verlobung lebenslang bindet oder doch wenigstens binden sollte, so ist Gottes Verlobung eine Angelegen­heit über den Tod hinaus: Gott verheißt seiner Braut ewiges Leben zusammen mit ihm. „Ich will mich mit dir verloben für alle Ewigkeit.“

Gott sagt auch: „Ich will mich mit dir verloben in Gerechtig­keit und Recht, in Gnade und Barmherzig­keit.“ Mit diesem Satz zeigt Gott uns seine unfassbar große Liebe. Wer sich mit hebräischer Poesie und mit Psalmen ein wenig auskennt, der weiß: Die genannten Begriffe stehen für ein und dieselbe Sache; mit „Recht und Gerechtig­keit“ ist dasselbe gemeint wie mit „Gnade und Barmherzig­keit“. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass Gott uns seine Gerechtig­keit aus Gnade zueignet, aus lauter Liebe und Barmherzig­keit. Hiermit hat Gott durch den Propheten Hosea bereits das Kommen des Herrn Jesus Christus an­gekündigt; denn der schenkt Gottes Volk seine eigene vollkommene Gerechtig­keit aus Gnade, sodass wir vor Gott bestehen können. Das ist so, wie wenn eine Prostitu­ierte durch ein Wunder wieder Jungfrau wird und als reine Braut dasteht für den einen Mann, der sie unendlich liebt und der ihr ewige Treue verspricht. Ja, so ein Wunder tut Jesus an uns, wenn er uns unsere Sünden vergibt, und so unendlich lieb hat uns Gott, und so eine un­verbrüchliche Treue verspricht uns der Vater im Himmel.

Schließlich sagt Gott: „Ich will mich mit dir verloben in Treue, und du wirst den Herrn erkennen.“ Das Wörtchen „erkennen“ hat es in sich. In der hebräischen Sprache bedeutet es nicht nur „etwas verstehen“, sondern es hat einen doppelten tieferen Sinn: Es steht sowohl für Glaubens­erkenntnis als auch für die geschlecht­liche Vereinigung von Mann und Frau. Auch hier zeigen sich Verlobung und Ehe als Gleichnis für Gottes Gemein­schaft mit den Seinen: Wir gehören un­zertrennlich zu Gott, wir haben engste Gemein­schaft mit ihm, wir sind ein Leib mit ihm, der Leib Christi (so wird die Christen­heit ja genannt). Nichts kann uns von Gottes Liebe trennen, er hält auf alle Fälle zu uns, das hat er durch Jesus ver­sprochen. Es mag uns gut gehen oder schlecht gehen, wir mögen gesund sein oder krank, wir mögen leben oder sterben, eins ist und bleibt gewiss: Gott gehört zu uns, und wir gehören zu Gott, das gilt für alle Ewigkeit.

Ja, Gott ist gnädig und barmherzig, Gott ist liebevoll und treu. Nur dies könnte uns von ihm scheiden, dass wir unsererseits die Verlobung brechen und anderen Herren nachlaufen, also dass wir anderes für wichtiger halten. Aber selbst dann gilt immer noch Gottes Verlöbnis, und er wartet sehnsüchtig darauf, dass wir zu ihm zurück­kehren. Der Verlobungs­ring erinnert uns daran, die heilige Taufe: Gott steht zu seinem Bund, selbst wenn wir unserer­seits nichts mehr davon wissen wollten. Und so können wir am Ende nur bitten mit den Worten eines bekannten Chorals: „Mein treuer Gott, auf deiner Seite / bleibt dieser Bund wohl feste stehn; / wenn aber ich ihn über­schreite, / so lass mich nicht verloren gehn; / nimm mich, dein Kind, zu Gnaden an, / wenn ich hab einen Fall getan.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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