Der katholische Petrus und der evangelische Paulus

Predigt über 2. Petrus 3,14‑18 bei einer ökumenischen Veranstaltung zum Tag der Apostel Petrus und Paulus

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Im Neuen Testament gibt es eine Reihe von Hinweisen dafür, dass das Verhältnis der beiden Apostel Petrus und Paulus nicht ganz spannungs­frei war. Auch die letzten Sätze des 2. Petrus­briefes, die wir eben gehört haben, lassen zwischen den Zeilen erkennen, dass Petrus sich mit den theo­logischen Aussagen der Paulus­briefe schwer getan hat. Trotzdem stellt Petrus sich voll hinter die Theologie des Paulus und bescheinigt ihm göttliche Weisheit; nur warnt er vor Miss­verständnis­sen und Ver­fälschungen des Evangeliums aufgrund der teilweise schwer ver­ständlichen Worte seines Mit-Apostels.

Lasst mich diese beiden Apostel jetzt einmal als Symbol­figuren der Ökumene ansehen, genauer: als Symbol­figuren der beiden großen christ­lichen Glaubens­richtungen katholisch und evan­gelisch. Petrus ist dann die Symbolfigur der römisch-katholi­schen Kirche: Jesus hat ihn und sein Christus-Bekenntnis als fundamen­talen „Fels“ der Kirche bezeichnet; er hat ihm als ersten das Schlüssel­amt anvertraut und ihm als einzigem unter den Aposteln aus­drücklich das Hirtenamt auf­getragen. Schlüssel­amt und Hirtenamt, also Beichte und kirchliches Lehramt, gehören bis heute zu den hervor­stechenden Merkmalen der römisch-katholi­schen Kirche. Paulus dagegen ist die Symbolfigur der evan­gelischen Kirche: Kein anderer Apostel hat so ausführlich die Recht­fertigung des Sünders ohne Werke, allein aus Gnade durch Glauben, als Haupt­artikel der christ­lichen Lehre hervor­gehoben; kein anderer Apostel hat so entschieden wie er die christliche Freiheit betont. Beides, die Recht­fertigungs­lehre und die Freiheit des Christen­menschen, sind bis heute charakte­ristische Merkmale der evan­gelischen Glaubens­lehre.

Wenn wir uns heute, am Tag der Apostel Petrus und Paulus, auf beider Zeugnis des Evangeliums besinnen, dann wollen wir beide gemeinsam als Symbol­figuren der Ökumene betrachten – also als Symbol­figuren der wahren Einheit der christ­lichen Kirche. Die eine Kirche Jesu Christi ist ja gegründet auf dem Zeugnis aller Apostel ein­schließlich Petrus und Paulus, weil alle Apostel vom Herrn der Kirche beauftragt sowie gesandt worden sind und weil sie alle durch den Heiligen Geist zur Ver­kündigung des Evangeliums be­vollmächtigt sowie befähigt wurden. So ist für die eine wahre Kirche, gleich ob man sie katholisch oder evangelisch etikettiert, alle Apostel­lehre von Bedeutung, sowohl das Charakte­ristische des Petrus als auch das Charakte­ristische des Paulus: Beichte und Hirtenamt, Recht­fertigungs­lehre und christliche Freiheit. Richtig verstanden schließt sich das ja auch keineswegs gegenseitig aus.

Nun lässt sich allerdings nicht übersehen, dass es doch einige Gegensätze in der Lehre gibt – einerseits zwischen offizieller römisch-katholi­scher Lehre und offizieller evan­gelischer Lehre, anderer­seits auch innerhalb der evan­gelischen Kirchen und sogar innerhalb des römischen Katholi­zismus. Es wäre allerdings falsch, dies einfach tatenlos hinzunehmen und einander wider­sprechende Lehren hart neben­einander stehen zu lassen. Petrus und Paulus haben es anders gemacht: Sie haben sich bei der Ausübung ihres aposto­lischen Amtes immer wieder leiden­schaftlich dafür eingesetzt, dass irrige Lehren kein Hausrecht in der einen christ­lichen Kirche erhalten. So hat Petrus hier ge­schrieben: „Hütet euch, dass ihr nicht durch Irrtum verführt werdet und fallt aus eurem festen Stand!“ Und als Petrus selbst einmal in einer schwachen Stunde durch sein Verhalten die Freiheit des Evangeliums verleugnet hatte, da hat Paulus ihn öffentlich zurechtgewiesen; wir können darüber im Galater­brief lesen (Gal. 2,11‑14). Es geht in der Kirche ja letztlich nicht um die Person des Petrus und um die Person des Paulus, sondern es geht um den Gottessohn Jesus Christus und sein Evangelium.

Lasst uns also in rechter Ökumene an dem einen Glauben der einen Christen­heit festhalten, wie er durch Petrus und Paulus und die anderen Apostel in der Bibel bezeugt ist! Und lasst uns durch fleißiges Schrift­studium, ökumenische Gespräche, Gebet und Einübung in die Nachfolge beherzigen, was Petrus den Christen am Ende dieses Briefes auftrug: „Wachset in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesus Christus. Ihm sei Ehre jetzt und für ewige Zeiten! Amen.“

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum