Sieben Ratschläge für verantwortliches Leben

Predigt über Römer 14,7‑13 zum 4. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Sieben Ratschläge für ver­antwort­liches Leben entdecke ich in dem Gotteswort, das wir eben gehört haben. Ich möchte diese Ratschläge mit einer Beispiel­geschichte anschaulich machen.

Zwei junge Mütter unterhalten sich. Die eine ist eher streng, die andere eher milde. Die milde Mutter seufzt: „Ach, mein Kind isst nicht richtig! Oft mäkelt es am Essen herum und isst den Teller nicht leer.“ Darauf die strenge Mutter: „Das darfst du deinem Kind auf keinen Fall durchgehen lassen! Es muss auf jeden Fall seinen Teller leer essen, ob es ihm schmeckt oder nicht!“ Die milde Mutter erschrickt – nicht nur über diesen Rat, sondern auch über die Art und Weise, wie er ihr gegeben worden ist. Sie findet die strenge Mutter über­heblich. Sie hat das Gefühl, dass diese Frau so über sie urteilt, wie ein Richter­gremium auf erhöhtem Podest über einem Angeklagten zu Gericht sitzt. So gebe ich als ersten Ratschlag mit Blick auf die strenge Mutter: Halte es nicht für deine Ver­antwortung, andere Menschen zu verurteilen oder ihnen vor­zuschreiben, was sie tun müssen! In Gottes Wort heißt es: „Du aber, was richtest du deinen Bruder? Lasst uns nicht mehr einer den andern richten!“

Ich denke, das leuchtet heute den meisten Menschen ein. Wir sind zurück­haltender mit Kritik als die Gene­rationen vor uns. Wir sind es schon allein aus dem Grund, weil die Menschen heute emp­findlicher sind und schnell sauer werden, wenn man sie kritisiert. In unserem Beispiel von den beiden Müttern ist es daher wahr­scheinli­cher, dass die strenge Mutter der milden Mutter nur einsilbig antwortet, „so so“, oder „mh“, und dass sie ihre abweichende Meinung für sich behält. Die Sache mit dem Richter­tisch hat sich damit allerdings noch nicht erledigt. Es besteht nämlich die Gefahr, dass die strenge Mutter die milde Mutter in ihrem Herzen verachtet. Innerlich schwingt sie sich damit immer noch zur Richterin auf, und damit bekommt das herzliche Verhältnis zwischen den beiden einen Riss. Noch schlimmer ist es, wenn die strenge Mutter beim nächsten Kaffee­klatsch über die milde Mutter lästert und sie vor anderen schlecht macht. Genau darum geht es in der Erklärung zum 8. Gebot im Kleinen Katechis­mus, wenn da vom „after­reden“ und vom „bösen Leumund“ die Rede ist, oder, wie es in der neueren Sprach­fassung heißt, dass wir nicht den „Ruf unsers Nächsten verderben“ sollen. Darum der zweite Ratschlag: Achte deinen Mitmenschen und behalte ihn lieb, auch wenn er anders als du lebt und denkt! In Gottes Wort heißt es: „Was verachtest du deinen Bruder?“

Diese beiden ersten Ratschläge können wir mit dem Wort „Toleranz“ zusammen­fassen: Sei tolerant, verurteile und verachte deine Mitmenschen nicht, wenn sie eine andere Meinung haben! Aber wir müssen dabei aufpassen, dass wir Toleranz nicht mit Gleich­gültigkeit ver­wechseln. Ein gleich­gültiger Mensch würde sagen: Sollen doch die Mütter machen, was sie wollen; es ist doch egal, ob das Kind den Teller leer essen muss oder nicht! Wenn es den Müttern egal wäre oder wenn sie einfach nur das machten, was sie gerade wollten, dann wäre das eigentlich un­verantwort­lich. Ich meine den Begriff „un­verantwort­lich“ wörtlich: Die beiden Frauen würden dann ihrer mütter­lichen Ver­antwortung nicht gerecht werden. Sie würden nicht ernst damit machen, dass sie für all ihre Ent­scheidungen dem Herrn Jesus Christus Rechen­schaft schuldig sind, auch für die kleinen Ent­scheidungen des Alltags. Da reicht es nicht zu sagen: Bei meinen Eltern musste ich auch immer den Teller leer essen, jetzt verlange ich dasselbe von meinem Kindern. Oder: Ich mag das Gequengele meiner Kinder nicht hören, da mache ich lieber alles so, wie sie es wollen. Nein, Ver­antwortung vor Gott sieht anders aus, da muss man schon seinen Verstand gebrauchen, den Gott gegeben hat. Da mag die milde Mutter den Standpunkt vertreten: Gott möchte, dass wir unsere Nahrung mit Freude und Dank zu uns nehmen; das will ich mein Kind lehren, und darum will ich ihm das Essen nicht durch Zwangs­maßnahmen verekeln. Da mag die strenge Mutter den Standpunkt vertreten: Gott möchte, dass wir das tägliche Brot als seine Gabe achten und möglichst nichts davon verderben lassen, darum bestehe ich darauf, dass mein Kind den Teller leer ist. Auch wenn die Mütter zu ver­schiedenen Ergebnissen kommen, wären sie doch beide mit diesen Über­legungen ver­antwortungs­voll. Sie sind sich dann nämlich bewusst, dass sie nicht ihre eigenen Herrinnen sind, sondern dass da ein Herr über ihnen ist, dessen Urteil sie unter­stehen. Darum der dritte Ratschlag: Lebe jeden Tag deines Lebens so, dass du dir deiner Ver­antwortung vor dem Herrn Jesus Christus bewusst bist! In Gottes Wort heißt es: „Keiner lebt sich selber, sondern wir leben dem Herrn! So wahr ich lebe, spricht der Herr, mir sollen sich alle Knie beugen, und alle Zungen sollen Gott bekennen.“

Ja, Jesus ist der Herr und Richter über alle, und wir tun gut daran, das nie zu vergessen. Denn auch wenn viele diesen Herrschafts­anspruch im Leben zurück­weisen, so werden sie doch am Ende durch den Tod hindurch vor seinen erhöhten Richter­tisch gelangen und ihm Rechen­schaft geben müssen über ihr Leben. Es heißt ja: „Wir werden alle vor den Richter­stuhl Gottes gestellt werden.“ Worauf wird es dann ankommen? Allein darauf, dass wir mit klugen Argumenten ver­antwortungs­volle Ent­scheidungen getroffen haben in unserem Leben, bei der Kinder­erziehung und auch sonst? Nicht allein darauf kommt es an. Vielmehr wird uns der Welten­richter dann danach beurteilen, ob wir seine Gebote gehalten haben. Gottes Gebote sind ja der un­veränder­liche Werte­rahmen, in dem wir Menschen ver­antwortlich leben sollen. Innerhalb dieses Rahmens ist es zwar möglich, dass der eine so und der andere anders ent­scheidet, solange er es im Aufblick zum Herrn Jesus Christus tut. Innerhalb dieses Rahmens ist es zum Beispiel möglich, dass eine strenge Mutter von ihrem Kind verlangt, den Teller leer zu essen, eine milde Mutter aber anders erzieht; es gibt ja kein göttliches Gebot: „Du sollst deinen Teller leer essen.“ Der Werterahmen aber steht fest. Er ist für alle gleich ver­bindlich, und alle werden im Jüngsten Gericht von Christus ent­sprechend beurteilt werden. „Du sollst nicht ehe­brechen“, „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“, „Du sollst den Feiertag heiligen“ – das ist keine Frage ver­nünftiger Einsicht und keine Frage unter­schiedlicher Meinungen, sondern da muss man vor Gott einfach die Knie beugen und seine Herrschaft anerkennen. Darum der vierte Ratschlag: Bedenke, dass du auch über dein irdisches Leben hinaus dem Herrn Rechen­schaft schuldig bist, und halte dich darum an den Werterahmen seines ewig gültigen Gesetzes. Gottes Wort sagt: „Keiner stirbt sich selber. Sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Wir werden alle vor den Richter­stuhl Christi gestellt werden.“

Diese Tatsache könnte uns furchtbar erschrecken – wenn wir nicht wüssten, wer unser Herr und Richter ist. Es ist ja niemand anders als unser lieber Heiland Jesus Christus! In seinen Erdentagen hat er dafür gesorgt, dass uns die Strafe für alles un­verantwort­liche Verhalten im letzten Gericht nicht einholen wird. Durch sein Sterben hat er selbst die Strafe für uns abgebüßt. Durch seine Auf­erweckung von den Toten hat der himmlische Vater gezeigt, dass er Jesu Sühnopfer gnädig angenommen hat und dass er ihn nun zum Herrn über alles setzt. Christus ist aufgefahren in den Himmel und sitzt zur Rechten des Vaters – er sitzt auf dem Thron, er sitzt auf dem Richter­stuhl, er sitzt in erhabener Position über alle Menschen und alle Geschöpfe, er hat alle Macht im Himmel und auf Erden. Durch Christi Tod und Auf­erstehung wissen wir, was für ein Richter uns da am Ende der Zeit beurteilen wird: Ein liebevoller und gnädiger Richter, der uns fürs ewige Leben frei­spricht! Er vergibt wirklich alle Schuld, auch all das, was Müttern und Vätern schief geht bei der Kinder­erziehung, was sie da an Liebe oder auch an Strenge versäumen. Darum der fünfte Ratschlag: Lebe aus dem befreienden Trost des Evan­geliums! Deine Sünde trennt dich nicht von Christus und vom ewigen Leben, weil er sie für dich überwunden hat. Dass er dein Herr ist, bedeutet vor allem, dass er dein Heiland ist. Gottes Wort sagt: „Dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei.“

Ich komme noch einmal auf die beiden Mütter zurück. Wenn sie Christinnen sind, werden sie aus der Kraft des Evangeliums leben. Sie werden sich gegenseitig als Schwestern in Christus anerkennen und wert schätzen, auch wenn sie in Erziehungs­fragen nicht dieselbe Meinung haben. Die strenge Mutter wird dann die milde nicht verurteilen oder verachten, sondern sie wird vielleicht merken, dass die milde Mutter eher Trost und Ermutigung braucht. Sie wird folglich auf Augenhöhe mit ihr reden, ihr gut zuhören und ihr zeigen, dass sie echtes Interesse an ihr hat. Wo Brüder und Schwestern in Christus so miteinander in Beziehung stehen, da lässt sich vieles klären, da kann auch mit Schuld und Versäum­nissen richtig umgegangen werden, da können Gespräche trotz unter­schiedlicher Meinungen ohne Angst geführt werden und für alle Seiten einen Erkenntnis­gewinn bringen. Darum der sechste Ratschlag: Lass in der Beziehung zu deinen Mitmenschen stets die Liebe und Güte des Herrn Jesus Christus den Ton angeben, auch dann, wenn du es mit Menschen zu tun hast, die dich enttäuschen oder die nicht deiner Meinung sind! Gottes Wort sagt: „Richtet darauf euren Sinn, dass niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Ärgernis bereite.“

Gespräche in solcher Atmosphäre vertragen dann durchaus auch mal eine Ermahnung, sofern das mahnende Wort nicht überheblich und ver­urteilend vorgebracht wird. Nehmen wir an, die milde Mutter hätte im Gespräch erwähnt, dass ihr kleines Kind immer gern mit ihren Rottweiler-Hunden spielt. Da wäre es dann durchaus angebracht, wenn die strenge Mutter ein klares Wort dazu sagte: „Das geht aber nicht, das ist lebens­gefährlich, solche Hunde sind un­berechen­bar!“ Wenn es darum geht, eine echte Gefahr abzuwehren, dann ist Zurück­haltung fehl am Platz, selbst wenn die Menschen noch so empfindlich sind. Das gilt nicht nur für die Lebens­gefahr des Leibes, sondern noch mehr für die Lebens­gefahr der Seele. Was in unserem Bibelwort „Anstoß“ und „Ägernis“ genannt wird, das meint eigentlich Stolper­steine auf dem Weg eines ver­antwort­lichen Christen­lebens, über die jemand zu Fall kommen kann, in Sünde geraten kann, schlimmsten­falls vom Glauben abfallen kann. Hier gilt die höchste Alarmstufe! Hier sollten wir unseren Mitchristen klar sagen, was es heißt, Christus als Herrn im Leben und im Sterben an­zuerkennen – aber bitte in Liebe und Demut! Darum der siebte und letzte Ratschlag: Wenn's drauf ankommt, habe den Mut, deine Mitmenschen zu ermahnen – liebevoll, aber mit klaren Worten! Noch einmal: „Richtet darauf euren Sinn, dass niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Ärgernis bereite.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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