Geheiligtes Hören, geheiligtes Reden

Predigt über Apostelgeschichte 2,1‑18 zum Pfingstsonntag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Was gehört zu den häufigsten mensch­lichen Tätigkeiten neben schlafen, arbeiten und essen? Richtig, es ist das Reden! Gott hat uns Menschen die Sprache gegeben, und wir benutzen sie oft und gern. Moderne Kommu­nikations­techniken ermöglichen es uns heutzutage sogar, dass wir uns mit Leuten unterhalten können, die gar nicht da sind. Selbst weltweit können wir mit Menschen im Gespräch sein, wenn wir das wollen und wenn keine Sprach­barrieren uns hindern.

Das Werk des Heiligen Geistes, das wir besonders heute am Pfingstfest rühmen, bezieht sich nun zu einem großen Teil auf unser Hören und Reden. Wir können sagen: Wo der Heilige Geist in das Leben eines Menschen tritt, da heiligt er sein Hören und Reden. Wie das geschieht und was das für Folgen hat, das sehen wir an den Ereig­nissen, von denen uns die biblische Pfingst­geschichte berichtet.

Nachdem Jesus gen Himmel gefahren war, lebten seine Anhänger zunächst ganz zurück­gezogen in der Stadt Jerusalem. Jesus hatte ihnen ver­sprochen, dass bald der Heilige Geist zu ihnen kommen würde, und auf den warteten sie nun. Das Wichtigste, das wir von ihnen aus dieser Zeit hören, ist die Tatsache, dass sie beteten. Sie redeten mit Gott. Auch für jeden von uns sollte Gott der erste und wichtigste Gesprächs­partner sein. Wenn jemand den lieben langen Tag mit allen möglichen Leuten quatscht, aber kein einziges Wort an Gott richtet, dann stimmt etwas nicht mit seiner Beziehung zum Schöpfer. Ist doch klar: Wenn man jemanden lieb hat, dann redet man auch mit ihm!

Jesu Anhänger beteten also viel in den zehn Tagen zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Dann erfüllte Jesus sein Versprechen und schickte ihnen den Heiligen Geist. Es geschah beim jüdischen Wochenfest, das man auch schon damals „Pfingsten“ nannte. Dieses Fest gehörte zu den drei Hauptfesten des Jahres, an denen die frommen Juden nach Jerusalem pilgerten und zum Tempel gingen. So kam es, dass am Pfingstfest auch viele Juden aus fremden Ländern zugegen waren, ebenso mehr oder weniger fromme Touristen nicht-jüdischer Abstammung. Die Aufzählung einiger dieser Fremden in der Pfingst­epistel ist eine echte Heraus­forderung für jeden Lektor; man muss schon aufpassen, dass man nicht mit der Zunge stolpert über Parter, Meder, Elamiter, Meso­potamier und wie sie alle heißen. Auch die Anhänger Jesu hielten sich zum Pfingstfest im Tempel auf; sie hatten sich in einem der Neben­gebäude versammelt und beteten. Da geschah es, da kam der Heilige Geist wie mit einem Pauken­schlag! Ein scharfer Windstoß fegte durch das Gebäude, und über den Köpfen der Jünger erschienen feurige Zungen. Wir können froh sein, dass der Heilige Geist nicht zu jedem Pfingstfest unter solch spektaku­lären Wunder­zeichen kommt; der Wind bläst bei uns heute nur durch die Orgel­pfeifen, und die Feuer­flammen beschränken sich auf die Altar­kerzen. In Afrika habe ich öfters bei starkem Wind Gottes­dienst feiern müssen: War man dann in einem Kirch­gebäude, so donnerte der Wind derart laut über das Blechdach, dass man sein eigenes Wort nicht verstand; feierte man den Gottes­dienst im Freien, so musste man zusehen, dass der Wind beim Abendmahl nicht die Hostien vom Teller fegte. Aber damals, beim Pfingstfest der Apostel, da war das schon gut so, dass der Heilige Geist sich durch Wunder­zeichen deutlich bemerkbar machte, denn nun wussten alle: Es tut sich etwas, der Geist kommt!

Dass die Feuer­flammen die Form von Zungen hatten, das deutete bereits darauf hin, was der Heilige Geist an diesem Tag tun wollte: Er wollte die Zungen der Jünger anrühren, er wollte ihr Reden heiligen! Und so war das dritte und ent­scheidende Wunder­zeichen an diesem Tag ein Sprachen­wunder. Wir lesen in der Pfingst-Epistel: „Sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen gab aus­zusprechen.“ Für „Sprachen“ steht da im griechi­schen Urtext eigentlich das Wort „Zungen“; „Sprache“ und „Zunge“ ist im Neuen Testament ein und dasselbe Wort. Natürlich würden wir jetzt gern wissen, was das denn für Sprachen waren. Waren es Sprachen, die sie sowieso be­herrschten, wie Aramäisch, Griechisch oder Lateinisch? Waren es seltenere Sprachen, die sie nie gelernt hatten, die sie aber kraft des Heiliges Geistes plötzlich sprechen konnten? Waren es gar völlig unbekannte Sprachen, über­irdische Sprachen, Engels­zungen? Die Bibel sagt darüber nichts. Sie sagt uns lediglich, dass dieses Reden in anderen Sprachen vom Heiligen Geist kam, dass es also ein geheiligtes Reden war. Und sie sagt uns, was die Leute von diesen Sprachen hörten und verstanden. Inzwischen waren nämlich viele Tempel­besucher von den merk­würdigen Er­scheinungen des Heiligen Geistes angelockt worden und wunderten sich sehr über das, was da geschah. Einige von ihnen verstanden nur Bahnhof; ihnen kam die Zungenrede der Jünger wie das Lallen Betrunkener vor. „Die haben wohl zu tief ins Glas geschaut“, spotteten sie. Andere aber verstanden den Sinn der Rede. Als sie sich darüber aus­tauschten, stellten sie erstaunt fest, dass sie alle Worte in ihrer eigenen Mutter­sprache hörten und verstanden. Auf das Sprachen­wunder folgte ein Hörwunder! Gottes Geist heiligte nicht nur das Reden der Apostel, sondern auch das Hören vieler Tempel­besucher!

Dieses Doppel­wunder ereignet sich auch heute noch immer wieder: Der Geist heiligt unser Reden und unser Hören in der Kirche! Wenn wir Pastoren predigen und wenn Christen ihren Mitmenschen den Glauben bezeugen, dann lenkt der Heilige Geist unsere Worte, sodass nicht Menschen­weisheiten und Werbespots aus unseren Mündern kommen, sondern das Evangelium von Jesus Christus, die Botschafts von seinem Tod, von seiner Auf­erstehung, von seiner Herrschaft im Himmel und von seinem Wieder­kommen. Darum gehört die Bitte um den Heiligen Geist zu den wichtigsten Tätigkeiten bei der Predigt­vorberei­tung. Und wenn dann Menschen unsere Predigten hören oder auch das Glaubens­zeugnis eines Christen­menschen, dann scheiden sich die Geister ebenso wie damals: Die einen halten es für dummes, un­ausgegorenes Geschwätz, die anderen aber trifft es mitten ins Herz, sie kommen zum Glauben oder werden gestärkt im Glauben. Ja, genau das tut der Heilige Geist: Er heiligt unser Reden und heiligt unser Hören!

Bei all dem Reden und Hören am Pfingsttag der Apostel, bei aller Erleuchtung und aller Verwirrung verschaffte sich schließlich eine einzige Stimme Gehör. Es war die Stimme des Simon Petrus. Die Worte seiner Predigt sind uns überliefert, und ihren Anfang haben wir in unserer Pfingst­epistel gehört. Petrus redete die Menge freundlich an: „Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr euch in Jerusalem aufhaltet, das sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen!“ Achtet genau darauf, was Petrus sagte: „meine Worte – eure Ohren“ – wie gesagt, es geht um geheiligtes Reden und geheiligtes Hören! Und dann deutete er ihnen das erlebte Sprachen­wunder. Er deutete es ihnen mit einem alten Gotteswort vom Propheten Joel, das vielen seiner Zuhörer gewiss bekannt war. Zunächst aber wandte er sich an diejenigen, die nur ein Lallen vernommen hatten, und sagte: „Diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage!“ Um neun Uhr früh ist man noch nicht so betrunken, dass man lallt. Danach sagte er allen das Wort des Propheten Joel: „Es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen.“ Und dann wiederholte Petrus noch einmal das Wichtigste davon: „Und sie sollen weissagen.“

Weissagen, prophe­zeien, prophetisch reden – das bedeutet: von Gott reden. Das bedeutet: Dinge sagen, die Menschen in ihrer natürlichen Umgebung nicht erleben und die sie sich auch nicht mit ihrer Vernunft ausdenken können. Das bedeutet: Dinge sagen, die einem der Heilige Geist geschenkt hat – sei es durch Träume, sei es durch Visionen, sei es auch durch andere Weisen der Offen­barung. Freilich hat es solches „Weissagen“ auch schon vor Pfingsten gegeben, auch schon lange, bevor Jesus auf die Welt kam. Nun aber wird der Geist der Weissagung „aus­gegossen“ wie mit der Gießkanne, sodass alle etwas davon abbekommen! Vor Pfingsten hatte Gott den Heiligen Geist besonders aus­erwählten Menschen vor­behalten, nun aber kommt er über „alles Fleisch“, über alle möglichen Menschen: Er kommt auf Söhne und Töchter, also auf Männer und Frauen; er kommt auf Junge und Alte; er kommt auf jeden, der zu Gott gehört, auf all seine „Knechte und Mägde“, wie Joel pro­phezeite! Das ist das Besondere der „letzten Tage“, das ist das Besondere am Zeitalter des neuen Bundes, der mit Jesus angebrochen ist: Alle, die zu Gottes Volk gehören, empfangen den Heiligen Geist, werden geheiligt in ihrem Hören und in ihrem Reden! Das ist das Kennzeichen der christ­lichen Kirche: Sie ist durch­drungen vom Heiligen Geist!

Und damit sind wir wieder hier bei uns, in unserem Gottes­dienst. Zwar kommt der Geist heute nicht mit starkem Wind und Feuer­zungen, aber er kommt mit geheiligtem Hören und geheiligtem Reden. Ich betone es nochmals: Wenn wir hier gemeinsam Gottes Wort hören, dann schenkt uns der Heilige Geist durch Gottes Wort, dass wir es glauben können und damit selig werden. Die Predigt von Gottes Wort, das sind gewisser­maßen unsere „Träume und Gesichte“, das sind die Geheimnisse des Glaubens, die wir weder durch unsere Lebens­erfahrung noch durch unsere Vernunft erkennen können. Es ist das Wort vom Kreuz, es ist das Evangelium vom auf­erstandenen Herrn Jesus Christus, der nach diesen „letzten Tagen“ wieder­kommen und uns zu sich in die ewige Seligkeit nehmen wird. Und nun schenke uns der Heilige Geist nach solchem geheiligten Hören auch geheiligtes Reden! Er schenke uns, dass wir „weis­sagen“, wie Joel es verheißen und wie Petrus es bestätigt hat! Er schenke uns, dass wir anderen Menschen zu Zeugen werden für die Liebe Gottes in Jesus Christus! Er heilige dazu unser Reden, dass wir die rechte Sprache für unsere Mitmenschen finden, und er heilige dazu auch ihr Hören, dass ihnen Gottes Wort mitten ins Herz geht! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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