Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Manch ein Christ hat Jesus sehr lieb und möchte ihm ernsthaft nachfolgen, aber trotzdem hat er die falsche Einstellung zu ihm. Der Reformator Ulrich Zwingli war so einer. Er sagte sich: Jesus ist in den Himmel aufgefahren, also ist sein Leib jetzt im Himmel; wie soll sein Leib und sein Blut dann zugleich auf Erden überall da gegenwärtig sein, wo man das Abendmahl feiert? Das geht doch nicht! So verachtete er Luthers schlichtem Argument, dass Jesus doch gesagt hat: „Das ist mein Leib, das ist mein Blut.“ Manche evangelischen Pfarrer verzichten heutzutage darauf, den Tod Jesu am Kreuz als Sühnopfer für alle Sünden der Welt zu verkündigen. Sie kommen einfach nicht klar mit dem Gedanken, dass der liebe Vater im Himmel etwas so Grausames von seinem Sohn verlangte, und sagen: Das geht doch nicht! Vielleicht hast auch du, lieber Bruder oder liebe Schwester, mit der einen oder anderen christlichen Glaubensaussage deine Probleme und denkst zumindest im Stillen: Das geht doch nicht! Und zu unserem Erstaunen stellen wir fest, dass es selbst dem Oberapostel und Felsenmann Simon Petrus zuweilen so ging. Wir haben eben gehört, was er davon hielt, als sein hochverehrter Herr und Meister ihm bei der Mahlfeier am Gründonnerstag in der Weise eines Haussklaven die Füße waschen wollte: „Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!“, sagte er; mit anderen Worten: Das geht doch nicht!
Petrus hatte ein starke Liebe zu Jesus, aber er hatte auch ein starkes Selbstbewusstsein. Darum sagte er mehr als einmal zu Jesus: Das geht doch nicht! Jesus hat ihn deswegen aber nicht verachtet und auch nicht fallen gelassen. Vielmehr hat Jesus ihn geduldig und liebevoll Vertrauen gelehrt. Er hat ihn dahin geführt, dass er die selbstbewusste falsche Einstellung nach und nach aufgab und sich schließlich in den Willen des Herrn fügte.
Das erste Mal geschah dies nach dem erstaunlichen Fischzug im See Genezareth. Da erkannte Petrus auf einen Schlag Christi Herrlichkeit und seine eigene Erbärmlichkeit. Und er dachte: Das geht doch nicht, das passt überhaupt nicht zusammen; wir beide sollten lieber getrennte Wege gehen! So sagte er: „Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch!“ (Lukas 5,8) Aber Jesus ließ das nicht gelten, überwand die falsche Einstellung des Petrus und berief ihn zu seinem Jünger. Er lehrte ihn: Auch wenn das menschlich ganz unverständlich ist, so gehören doch gerade die Sünder in meine Nähe; gerade für die bin ich da!
Das zweite Mal geschah es, dass Jesus den Jüngern sein Leiden und Sterben voraussagte. Das passte dem Petrus überhaupt nicht ins Konzept. Er wollte doch, dass Jesus groß herauskommt als Messias und König von Israel. Schmachvolles Leiden und Sterben – das geht doch nicht! Er sagte: „Herr, das widerfahre dir nur nicht!“ Da wurde Jesus sehr deutlich, geradezu heftig. Er fuhr Petrus an mit den Worten: „Geh weg von mir Satan! Du bist mir ein Ärgernis; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“ (Matth. 16,22‑23) Er machte damit klar, dass Petrus bei aller Liebe zu Jesus und bei allem guten Willen nicht nur eine falsche, sondern sogar eine höchst gefährliche Einstellung hatte, eine Einstellung, die vom Teufel kommt und Gottes Heilswirken im Weg steht.
Und nun, bei der Feier des Passamahls, geschah zum dritten Mal etwas Ähnliches. Jesus war von seinem Platz aufgestanden, hatte seine normale Kleidung abgelegt und sich eine Sklavenschürze umgebunden. Dann holte er sich eine Schüssel mit Wasser und ging von Jünger zu Jünger, um ihnen die Füße zu waschen. Mit der Schürze trocknete er ihre Füße ab. Als er zu Petrus kam, wehrte dieser ab: „Herr solltest du mir die Füße waschen?“ Das geht doch nicht! Jesus erwiderte gütig: „Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach verstehen.“ Lieber Petrus, schick doch dein Selbstbewusstsein mal auf Urlaub! Du hast die falsche Einstellung! Du musst das jetzt gar nicht verstehen, was Jesus hier Sonderbares macht, du brauchst ihm nur zu vertrauen! Aber Petrus blieb stur und antwortete heftig: „Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!“ Nein, das geht auf keinen Fall! Da musste Jesus wieder ganz deutlich werden. Er sagte: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir!“ Das ist ein ganz wichtiges Wort, das ist das entscheidende Wort: Dass Petrus ein Sünder ist, dass Petrus vieles falsch macht, dass er vieles nicht versteht, dass er viel zu impulsiv ist – all das kann ihn nicht von Jesus trennen, all das trägt und erträgt Jesus mit Geduld und Liebe. Aber wenn ein Mensch zu ihm sagt: Ich will mir nicht von dir dienen lassen!, dann ist es aus, dann ist keine Gemeinschaft mehr möglich. Das gilt ganz grundsätzlich, das gilt auch noch heute: Egal, wie lieb jemand Jesus hat und wie eifrig er ihm nachfolgen möchte, wenn er sich nicht von ihm dienen lässt, dann gehört er nicht zu ihm, trotz allem. Petrus verstand die Botschaft – und erschrak. Er erschrak über sich selbst, und in seiner impulsiven Art schlug er nun nach der anderen Seite über die Stränge. Er sagte: „Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!“ Wenn schon, denn schon! Wasche alles an mir, Jesus, alles, was unbekleidet ist! – Ach, Petrus, hast du denn immer noch deinen Dickkopf? Merkst du denn immer noch nicht, was Jesus will? Die Füße will er dir waschen, die Füße und sonst nichts! Wenn du es nicht begreifen kannst, dann lass es doch wenigstens so geschehen! Lass Jesus doch einfach den Herrn sein, das willst du doch eigentlich! Und wenn er dein Herr sein will, indem er dir wie ein Sklave dient, dann lass ihn doch auch so dein Herr sein! Gib doch endlich deine eigene falsche Einstellung auf! Jesus sagte: „Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als dass ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle.“
Zugegeben, es ist schwer zu verstehen, was Jesus da sagte. Und es ist wirklich nur „hernach“ zu verstehen, nämlich nach Jesu Tod und Auferstehung. Vor Jesu Tod bekamen die Jünger nur die vordergründige Deutung der Fußwaschung, die Deutung als Beispielhandlung, dass sie sich so untereinander dienen sollen, wie Jesus ihnen hier diente. Nach Jesu Tod ging ihnen dann der ganze Sinn auf: Jesus hat sich ihnen zuliebe bis in die allertiefste Tiefe erniedrigt; er war gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Da hat er das Heilswerk zu Ende gebracht, für das er in die Welt gekommen ist. Um dieses Sühnopfers willen sind alle seine Jünger bis ins Letzte rein geworden, sozusagen bis hin zu den Füßen, den naturgemäß schmutzigsten Körperteilen. Rein waren seine Jünger schon vorher um der Berufung in seine Gemeinschaft willen, aber vollendet wurde diese Heiligung durch Jesu Tod am Kreuz. Der Sklavendienst der Fußwaschung ist dafür Symbol.
Für uns, die nachfolgenden Jünger, hat Jesus die Sakramente eingesetzt, um uns die Frucht seines Leidens und Sterbens zuzueignen. Durch die heilige Taufe sind wird ganz reingewaschen und in die Gemeinschaft mit Jesus aufgenommen worden, in die Jüngerschar. Einige sagen: Durch das Bisschen Wasser? Das geht doch nicht! Aber man sollte sich von Jesus diese Einstellung korrigieren lassen: Das Wasser der Taufe macht in Verbindung mit Gottes Wort in der Tat rein und selig. Durch seinen Leib und sein Blut im Heiligen Abendmahl zeigt Jesus uns heute wie den Jüngern damals mit der Fußwaschung: Das braucht ihr noch, diesen meinen Dienst, um im Glauben an die Sündenvergebung stark zu werden. Einige sagen: Leib und Blut unter Brot und Wein? Das geht doch nicht! Aber man sollte sich auch diese Einstellung von Jesus korrigieren lassen: Durch die Kraft der Worte Christi werden Brot und Wein wirklich Träger von seinem Leib und Blut, und wir empfangen sie zur Vergebung der Sünden. Getauft werden muss man nur einmal, das Abendmahl aber sollen wir immer wieder feiern. „Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als dass ihm die Füße gewaschen werden“ – so weist uns das Heilige Abendmahl auf die Vollendung des Dienstes Christi am Kreuz hin, wie die Fußwaschung damals.
Petrus ließ es dann alles so geschehen, wie Jesus es verfügte: Er ließ sich die Füße von ihm waschen, nur die Füße. Aber noch hatte er nicht ausgelernt. Sein Selbstbewusstsein war noch immer stark, und es kam ihm in derselben Nacht noch einmal in die Quere. Als Jesus wieder seinen bevorstehenden Leidensweg andeutete, da behauptete Petrus vollmundig, er sei bereit, für Jesus zu kämpfen und mit ihm zu sterben. Als Jesus dann wenig später im Garten Gethsemane festgenommen wurde, zog Petrus wirklich sein Schwert und schlug los – wieder ganz der Alte; wieder mit den besten Absichten, aber mit der falschen Einstellung; wieder gegen den Willen seines Herrn. Und noch einmal musste Jesus seinen Oberjünger korrigieren. Er sagte ihm: „Stecke dein Schwert weg! … Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, das er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte?“ (Matth. 26,52‑53) Wieder musste Petrus erst mühsam lernen, sich in den Willen des Herrn zu fügen, der so unbegreiflich für ihn war.
Erst eine weitere Erfahrung kurierte Petrus endgültig: als er schwach wurde, als sein ganzes Selbstbewusstsein zerbrach und er feige leugnete, Jesus überhaupt zu kennen. Als ihm danach beim Hahnenschrei bewusste wurde, wie elend er versagt hatte, und als dann Jesu liebevoller Blick ihn traf, da wusste er endgültig: Mein ganzes Selbstbewusstsein ist nichts wert, mein Eifer, meine Einstellung zu Jesus, meine Liebe zu ihm – was allein zählt, ist seine Liebe zu mir. Nur darauf kommt es an, dass ich Jesu Liebe ohne Wenn und Aber annehme.
Ja, liebe Gemeinde, so soll es auch bei uns sein: Alle Eigenmächtigkeit, alles Selbstbewusstsein soll schweigen in uns, auch wenn es noch so gut gemeint ist und noch so fromm scheint. Es kommt nicht auf uns an und unsere Einstellung, sondern nur auf den Herrn und sein Wort. Es ist egal, wieviel wir davon verstehen, jetzt oder hernach. Nur vertrauen sollen wir, ihn machen lassen, uns von ihm dienen lassen: durch seinen Tod am Kreuz und durch seine Auferstehung, durch das Bad der Wiedergeburt aus Wasser und Wort, und auch durch seinen Leib und sein Blut im Heiligen Abendmahl. Amen.
PREDIGTKASTEN |