Der Hauptmann und das erstaunliche Bekenntnis

Predigt über Lukas 23,47 in einer Passionsandacht

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der mächtigste Mann, der bei Jesu Kreuzigung anwesend war, das war ein römischer Hauptmann. Er überwachte die Hinrichtung und be­aufsichtigte die Soldaten, die sie durch­führten. Dieser Mann führte den Titel „Zenturio“ und war der Vorgesetzte von 80 bis 100 Mann. Ein Zenturio verdiente viermal soviel Geld wie ein normaler Soldat. Er war in einem Einzel­quartier unter­gebracht, verfügte über ein Reittier und durfte zum Zeichen seiner Würde den Federbusch auf seinem Helm quer tragen.

Dieser mächtige Mann, dieser Heide, wurde also ein Augenzeuge der Kreuzigung Jesu. Er sah und hörte all die merkwürdigen Begleit­umstände bis hin zu der un­heimlichen Finsternis mitten am Tage. All das beunruhigte ihn; eine un­erklärliche Furcht überfiel ihn. Dann starb Jesus, und plötzlich wurde dem Hauptmann klar: Dieser Mann da am mittleren Kreuz, das war kein todes­würdiger Schwer­verbrecher gewesen. Im Gegenteil, er muss wirklich mit Gott in Verbindung gestanden haben. Und er, der Hauptmann, hatte seine Hinrichtung überwacht! Deshalb die Furcht! Sie war letztlich das quälende Gefühl, gegen Gott gehandelt zu haben. Aber der Hauptmann wollte ja eigentlich gar nicht gegen Gott handeln, er hatte doch bloß seine Pflicht getan. Und so tat er in seiner Seelennot etwas Richtiges und Gutes: „Er pries Gott.“ Er betete den Gott an, von dem dieser Jesus von Nazareth Zeugnis gegeben hatte. Und er bekannte sich zu Jesus. Er sagte: „Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen!“

„Ein frommer Mensch“ – was meinte der Hauptmann damit? Wir müssen hier das Wort „fromm“ in seiner ursprünglichen Bedeutung verstehen, so, wie es zu der Zeit gebraucht wurde, als Martin Luther die Bibel ins Deutsche übersetzte. „Fromm“ bedeutete damals „gerecht“, „recht­schaffen“, „redlich“, „gut“. Genauso meinte es der Hauptmann: Jesus, davon war er nun überzeugt, ist kein Verbrecher, kein Lügner, kein Aufrührer gewesen. Aber er ist nicht nur im juristi­schen Sinne unschuldig, sondern mehr noch: Er ist ein guter Mensch gewesen, gerecht, recht­schaffen, redlich, ehrlich. „Fürwahr“, sagte der Hauptmann, „kein Zweifel, das ist mir jetzt völlig klar: Jesus war ein ehrlicher Mensch, der alles richtig gemacht hat.“ Der Hauptmann hatte gewiss von der Anklage gehört, die man gegen Jesus vorgebracht hatte. Die führenden Juden hatten behauptet: „Er ist ein Gottes­lästerer, er macht sich selbst zu Gottes Sohn!“ Der Hauptmann hatte auch gehört, wie sie ihn dann mit diesem Vorwurf verspottet hatten, als er am Kreuz hing: „Bist du Gottes Sohn, so steige herab!“ Vielleicht war der Hauptmann auch dabei gewesen, als Pilatus Jesus verhört hatte und als Jesus bestätigte, dass er wirklich ein König ist. Und natürlich hatte der Hauptmann auch die Überschrift über dem Kreuz gelesen, die Pilatus spöttisch verfasst hatte; als Hauptmann hatte er ja sogar ihre Anbringung überwachen müssen: „INRI“ stand da zu lesen, „Iesus Nazarenus Rex Iudaeorm“ – „Jesus von Nazaret, König der Juden“. Jetzt erkannte der Hauptmann, dass Jesus nicht gelogen und sich demzufolge diese Titel auch nicht angemaßt hatte. „Kein Zweifel“, sagte er, „das war ein ehrlicher Mann!“ Und das bedeutet: Er muss wirklich Gottes Sohn gewesen sein! Und das bedeutet: Er ist wirklich ein König! Wir sehen: Wenn der Hauptmann von Jesus bekannte, dass er ein „frommer Mensch“ gewesen ist, dann bekannte er sich damit letztlich zum König und Gottessohn Jesus Christus. Die Evange­listen Matthäus und Markus bestätigen diese Schluss­folgerung, indem sie die Worte des Hauptmanns inhaltlich zutreffend folgender­maßen wieder­geben: „Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!“ (Matth. 27,54; Markus 15,39).

Wie kommt es, dass ein römischer Hauptmann so etwas bekennen kann? Ein Heide, ein Besetzer des jüdischen Volks? Nur mit einer Finsternis am helllichten Tag und mit ein paar Merk­würdigkeiten bei der Voll­streckung des Todes­urteils lässt sich das nicht erklären. Es gibt nur eine einzige zutreffende Erklärung, und die hat der Apostel Paulus im 1. Korinther­brief gegeben: „Niemand kann Jesus den Herrn nennen außer durch den heiligen Geist“ (1. Kor. 12,3). So ist auch das erstaun­liche Bekenntnis des Hauptmanns eine Frucht des Heiligen Geistes. Das ist bis zum heutigen Tag so: Der Heilige Geist Gottes wirkt, wann und wo er will. Er macht Leute zu Christen, von denen man das nie erwartet hätte. Auch heute sind wir ja als Christen von viel Gleich­gültigkeit, Spott, Verachtung und Feindschaft umgeben, und manchmal fühlen wir uns auf verlorenem Posten wie die wenigen Getreuen Jesu, die ihm bis unters Kreuz nachgefolgt waren. Aber trotzdem geschieht es immer wieder, dass Leute, um die man sich vielleicht gar nicht gemüht hat, auftreten und sagen: Fürwahr, dieser Jesus ist Gottes Sohn, an den glaube ich! Und sie glauben wirklich an den Mann am Kreuz, dass er da alles in Ordnung gebracht hat, was Gott und Mensch entzweite. Und sie glauben, dass er wirklich Gott und zugleich wirklich Mensch ist. Und sie glauben, dass er am dritten Tag auf­erstanden ist und in Ewigkeit lebt. Und sie glauben, dass sie mit ihm ewig leben werden. Sie glauben das, was wir glauben, liebe Brüder und Schwestern in Christus! Und auch wir können es nur glauben, weil der Heilige Geist es uns offenbart hat. Auch bei uns ist das Bekenntnis zu Christus erstaun­lich, ein Wunder des Heiligen Geistes. Es ist so, wie Martin Luther in der Erklärung des 1. Glaubens­artikels schrieb: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft und Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen…“

Vielleicht war der römische Hauptmann nicht der Einzige, der unter dem Eindruck von Jesu Sterben zum Glauben gekommen ist; jedoch ist er der Einzige, von dem uns das überliefert wurde. Das ist kein Zufall, wie Gottes Wort ja grund­sätzlich nichts Zufälliges an sich hat. Gott hat es mit Bedacht so gefügt, dass wir von dem Bekenntnis des heidnischen Hauptmanns noch heute wissen. Er war der mächtigste Mann bei der Hinrichtung Jesu, und er vertrat das Römische Reich, das damals von keinem anderen Reich an Macht übertroffen wurde. Gerade dieser Mann beugte sich unter die Macht des Königs der Juden, der da am Kreuz starb. Es erfüllte sich damit das, was im 22. Psalm, im Leidenspsalm Jesu, geweissagt ist: „Des Herrn ist das Reich, und er herrscht unter den Heiden“ (Ps. 22,29). Was der mächtige Heide unter dem Eindruck des Sterbens Jesu bekannte, das entspricht der Anbetung des neu­geborenen Jesus durch die weisen Heiden aus dem Morgenland. Heiden waren es, die an der Krippe dem neu­geborenen König der Juden huldigten, und ein Heide war es, der unter dem Kreuz dem sterbenden König der Juden huldigte. Denn dieser Hauptmann war nur menschlich gesehen der mächtigste Mann bei Jesu Kreuzigung, und seine Nation war nur menschlich gesehen die größte Macht in der damaligen Welt. Eigentlich war Jesus am Kreuz der Mächtigste, und eigentlich war Gottes Reich die größte Macht. So ist es ja heute noch, und so wird es in Ewigkeit bleiben. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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